Aiways U5 im Fahrbericht: Gelungener erster Wurf
Etliche neue Automarken drängen nach Europa. Ein Vertreter ist Aiways aus Shanghai. Für seinen U5 wählt der Hersteller ein interessantes Vertriebs- und Servicekonzept. Taugt der SUV für die Flotte? Hier ist der Fahrbericht von Autor Dirk Kunde.
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Mit dem ersten Wurf einer neuen Automarke ist das immer so eine Sache. Oft hat man als Tester das Gefühl, hier wird noch geübt. Das ist beim U5 von Aiways anders. Die Marke wurde erst 2017 in Shanghai gegründet und betreibt bereits eine eigene Fertigung in Shangrao. Aktuell liegt die Kapazität bei 150.000 Fahrzeugen pro Jahr, was auf bis zu 300.000 Autos erweiterbar ist.
Das Erstlingswerk ist ein ausgewachsener SUV. Der U5 misst 4,68 m, ist 2,12 m breit und 1,70 m hoch. Angeboten wird er als Standard- und Premium-Variante. Die Frontmotorisierung (150 kW / 310 Nm) ist bei beiden identisch, genau wie die Flüssigkeits-gekühlte 61-kWh-Batterie von CATL. Die Unterschiede liegen vor allem in der Ausstattung. Doch kommt die Premium-Variante mit der Energie zehn Kilometer weiter (410 km WLTP). Wie langstreckentauglich der U5 ist, stellte das Unternehmen bereits 2019 unter Beweis. Zur IAA fuhren fünf Vorserienmodelle die 10.200 km von China nach Frankfurt. Dort konnte man die U5 in der Bahnhofsvorhalle anschauen.
Der Pieps-Weltmeister
Eine reife Fahrleistung, denn in meinem Test lag die Ladeleistung bei maximal 70 kW am Schnelllader. Laut Broschüre sind 90 kW möglich. An AC-Säulen lädt der U5 einphasig mit 6,6 kW. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Reichweitenberechnung. Mir wurden durchschnittlich 1,3 km für jeden gefahrenen Kilometer in der Anzeige abgezogen. Realistisch liegt die Reichweite bei 280 km, denn der Bordcomputer zeigt einen Verbrauch von 22,1 kWh auf 100 km. Das ist für ein 1.770 kg schweres Auto viel, doch schaut man auf die massive Front (cW 0,29), erklärt es den Energiehunger.
Dafür müssen sich Verarbeitung und Ausstattung keinesfalls hinter deutschen Herstellern verstecken. Elektrisch verstellbare Vordersitze, der Fahrersitz mit Lordosenstütze, das große Glasschiebedach und die induktive Smartphone-Ladung machen einen hervorragenden Eindruck. Der Radstand von 2,8 m und ein komplett flacher Boden schaffen viel Raum für alle Mitfahrer. Der Kofferraum bietet 432 Liter Stauraum und die Ladekabel liegen unter der Fronthaube. Abstandstempomat bis Tempo 130 km/h, Spurhalter, Toter-Winkel-Warner und Notbremsassistent unterstützen den Fahrer. Der U5 kommt mit 12 Ultra- und 3 Radar-Sensoren, 5 Außen- und 2 Innen-Kameras. Wer viele Sensoren verbaut, lässt viele akustische Warnungen zu. Der U5 ist ein Pieps-Weltmeister. Leider lassen sich nicht alle Töne deaktivieren.
Navi nur per Smartphone
Die Relation von Ausstattung zu Preis dürfte die größte Überraschung sein. Die Standard-Variante kostet 35.993 Euro und Premium 39.070 Euro. Beide Versionen qualifizieren sich für den vollen Umweltbonus. Ein Grund für den Preis: Aiways verzichtet auf ein Navi und damit auf Lizenzkosten für Kartenmaterial. Der Hersteller geht davon aus, jeder Fahrer besitzt ein Smartphone. Apple CarPlay und Android Auto (mit Kabel) sind die Alternativen für die Routenplanung.
Wer in seiner Flotte viel Auto und Komfort für’s Geld erwartet, liegt beim U5 richtig. Allerdings gehört Mut zu dieser Entscheidung. In Sachen Vertrieb setzen die Chinesen in Deutschland auf die Elektronik-Handelskette Euronics. Den Service übernimmt A.T.U. Aiways betreibt ein Zentrallager mit Ersatzteilen in der Nähe von Amsterdam. Wie gut Reparaturen als auch Software-Updates, die nicht per Internetverbindung installiert werden, funktionieren, muss sich noch zeigen. Auch wenn die junge Marke bereits mit dem U6 ein SUV-Coupé angekündigt hat, weiß man nicht, ob sie es schafft, sich dauerhaft in Europa zu etablieren. Aiways vertreibt den U5 erst in fünf europäischen Ländern. Zulassungszahlen vom KBA liegen noch nicht vor. Bei der BAFA gingen bis Mai 2021 insgesamt 335 Förderanträge ein.
Noch bewegt sich der SUV in einer Nische. Um da heraus zu kommen, sollten sich drei Dinge ändern: Da, wo normalerweise ein Handschuhfach ist, glänzen zwei silberne Haken. Die App zum Auto lässt noch auf sich warten. Doch am wichtigsten ist ein besseres Crash-Test-Resultat. Die Modellversion 2019 erhielt im Euro NCAP-Test nur drei Sterne.
Autor: Dirk Kunde
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