Frankfurt macht aus Hausmüll Strom für E-Busse
Frankfurt elektrifiziert immer mehr seiner Busse. Auf der Linie M60 fahren seit einigen Monaten 13 neue Batterie-elektrische Fahrzeuge, geladen werden sie im Müllheizkraftwerk in Heddernheim. Ein deutschlandweit bis dato einmaliger Ansatz. Künftig sollen dort auch Müllfahrzeuge ihren Strom erhalten.
* * *
Mit der M60 hat die Stadt Frankfurt am Main ihre erste vollumfängliche Elektro-Buslinie in Betrieb genommen. 13 Elektro-Busse des Herstellers Ebusco sind seit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember des vergangenen Jahres zwischen Rödelheim und Eschersheim unterwegs. Die Strecke ist 11,3 Kilometern lang, die Laufleistung im Jahr beträgt circa eine Million Kilometer.
Der Einsatz von Elektrobussen auf der M60-Linie gehört zu den Bemühungen Frankfurts, die lokalen Emissionen zu verringern. „Ausgangspunkt war das Ziel, Dieselemissionen im städtischen Verkehrt zu reduzieren“, erläutert Stefan Röttele von der FES Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES). Der Stadt drohen Fahrverbote und Fahrverbotszonen. Seinen Busverkehr elektrifiziert Frankfurt seit 2018.
Aus Müll wird Strom
Der Strom für die E-Fahrzeuge wird selbst produziert – im Müllheizkraftwerk (MHKW) in Heddernheim, dessen Gesellschafter zu gleichen Teilen die FES und der Frankfurter Energieversorger Mainova sind. Die zwölf Meter langen Solobusse werden dort während der Betriebspausen sowohl tagsüber als auch nachts aufgeladen – unabhängig davon, ob die Batterien komplett oder nur zum Teil leer sind. Ein Energiemanagementsystem sorgt dafür, dass die Fahrzeuge zu den Einsatzzeiten immer genügend Strom haben.
Für die Stromerzeugung werden im MHKW Hausmüll und nicht recylefähige Gewerbeabfälle aus Frankfurt und den umliegenden Kreisen Hochtaunus und Maintaunus verbrannt. Röttele erklärt: „Bei der Verbrennung des Hausmülls wird Energie freigesetzt. Diese wird genutzt, um Dampf auf 500 Grad Celsius aufzuheizen und so einen Druck von 60 Bar zu erzeugen. Mit diesem Dampf als Energieträger wird Fernwärme und – mithilfe von Turbinen – Strom erzeugt.“
In der Anlage können den Angaben nach im Jahr bis zu 525.000 Tonnen Abfall verwertet werden. Aus einer Tonne Müll wird in etwa 0,4 MWh beziehungsweise 400 kWh Strom erzeugt. „Ein Bus benötigt von komplett leer bis Hundert-prozentig voll 300 kW. Mit einer Tonne können wir einen Bus also circa 1,3-mal laden“, so Röttele. Anders gesagt: „Für eine vollständige Aufladung werden 0,75 Tonnen benötigt.“
Kraftwerk speist klassische Ladeanlage
Die Ladeinfrastruktur hat das Technologieunternehmen ABB hergestellt, installiert wurde sie von der Firma EAB Rhein-Main. Bei der Anlage handelt es sich laut Röttele um „eine klassische Elektro-Infrastruktur – bestehend aus Energieverbrauchszähler, Zuleitung, Mittelspannungs-Schaltanlage, Trafo, Niederspannungshauptverteilung und den Leistungseinheiten mit den Ladepunkten“.
Bislang stehen vor Ort fünf Ladeschränke mit je zwei dezentralen Ladepunkten, sogenannten „Depot Charge Boxen“, die eine Spitzenladeleistung von je bis zu 150 kW haben. Die Ladevorgänge der M60-Linienbusse erfolgen laut Röttele derzeit mit 120 kW und dauern maximal dreieinhalb Stunden. Die Fahrzeuge erhalten dabei über einen offiziellen Energieverbrauchszähler stets den gerade im Kraftwerk produzierten Strom zugeführt. Da das ABB-Ladesystem auf sequenzielles Laden ausgelegt ist, können aktuell allerdings nicht mehr als fünf Busse gleichzeitig mit Strom versorgt werden. Doch der Ausbau der Infrastruktur ist bereits geplant: Im Laufe des Jahres sollen in Heddernheim weitere vier Ladeschränke mit diesmal je drei dezentralen Ladepunkten entstehen.
„Völlig neu ist die Kombination von Müllverbrennung und Mobilität nicht“, sagt Röttele. Die Stadtwerke Wuppertal praktizieren diese Sektorenkopplung seit knapp einem Jahr ebenfalls – allerdings ist dort die Wasserstoff-Erzeugung ins Konzept integriert, sprich: Städtische Brennstoffzellen-Linienbusse erhalten an der dortigen Abfallverbrennungsanlage ihren H2-Nachschub. Eine Premiere liegt in Frankfurt deshalb durchaus vor: „Aus Abfall wird batteriegestütze, emissionsfreie Mobilität“, bringt es Röttele auf den Punkt. Und: Im Müllheizkraftwerk in Heddernheim sollen künftig nicht nur Busse aufgeladen werden, sondern auch elektrifizierte Müllfahrzeuge. Das erste wird schon im Sommer in Betrieb genommen, bis 2022 sollen weitere hinzukommen.
In Frankfurt ist das Vorzeigeprojekt vor allem das Resultat einer hohen Kooperationsbereitschaft unter mehreren Akteuren. Da wäre zum einen das Unternehmen Transdev Rhein-Main, das die Buslinie M60 betreibt, und mit der FES nicht nur das Laden der Busse vertraglich fixiert hat, sondern auch die Wartung und Instandhaltung der Fahrzeuge in der FES-Fahrzeugwerkstatt am Standort in Heddernheim. Zum anderen waren bei der Projektierung und Bauausführung im Müllheizkraftwerk neben der FES die MHKW-Betreibergesellschaft und die Mainova mit an Bord. Die Busse selbst wurden mit 80 Prozent der Mehrkosten gegenüber Dieselfahrzeugen vom Bundesministerium für Umwelt, Natur und nukleare Sicherheit (BMU) gefördert. Die Ausgaben für die Ladeinfrastruktur wurden zu 40 Prozent bezuschusst.
7 Kommentare