Renault will in die BEV-Wertschöpfungskette

Renault beschleunigt seine Elektro-Strategie und hat hierfür unter der Bezeichnung „Renault Eways Electropop“ ein umfangreiches Strategiepaket vorgestellt. Dabei gibt es nicht nur neue Absatzziele, sondern auch weitere Details zur Plattform- und Technologie-Strategie der Franzosen.

Die neuen Absatzziele der Renault Group für Europa lauten 65 Prozent elektrifizierte Fahrzeuge bis 2025 und bis zu 90 Prozent reine Elektrofahrzeuge bis 2030. Bisher waren es bis 2030 90 Prozent elektrifizierte Fahrzeuge, also inklusive PHEV und HEV. 90 Prozent BEV entspricht hier einer deutlichen Verschärfung.

Geplant sind bis 2030 zehn neue Elektromodelle, sieben davon unter der Marke Renault, drei als Alpine. Renault setzt bei neuen BEV-Modellen in allen Segmenten künftig auf standardisierte Batteriezellen, um die Kosten auf Packebene bis 2030 um 60 Prozent zu senken. Letzteres soll bis 2030 mit der Einführung einer Feststoff-Batterie gelingen, die nur noch 80 Dollar pro Kilowattstunde kosten soll. Aber auch die Flüssig-Elektrolyt-Batterien sollen deutlich günstiger werden.

„Heute ist eine historische Beschleunigung der EV-Strategie der Renault Group und für ‚Made in Europe‘“, sagt Renault-Chef Luca de Meo. Der kürzlich angekündigte Aufbau der Renault ElectriCity sei „nicht nur ein Symbol, sondern eine strategische Entscheidung“. „Wir schließen drei Fabriken zum größten und wettbewerbsfähigsten eMobility-Komplex zusammen“, sagt de Meo.

Die eigene Elektro-Fertigung soll sich aber nicht nur auf die drei Fahrzeug-Werke Douai, Maubeuge und Ruitz der Renault ElectriCity beschränken: In Flins wird die „ReFactory“ genannte Recycling-Anlage angesiedelt, im Werk Cléon in der Normandie sollen die E-Antriebe gefertigt werden. Auch die Leistungselektronik wollen die Franzosen künftig inhouse herstellen.

Dafür hat Renault in den vergangenen Monaten einige wichtige Entwicklungen angeschoben und beschlossen: Aus Kostengründen setzt die Renault Group – ähnlich wie Volkswagen – auf eine Einheits-Batteriezelle. Diese kann je nach Einsatzzweck mit einer kostengünstigen Zellchemie für das A- und B-Segment bestückt werden oder mit einer Performance-orientierten Zusammensetzung für das C-Segment und die sportlichen Alpine-Modelle.

Keine LFP-Batterie für den Renault 5

Aber: Es wird sich dabei ausschließlich um NMC-Zellen mit einer Nickel-Mangan-Kobalt-Kathode handeln. Gerüchten zufolge war für den Renault 5 auch eine LFP-Batterie im Gespräch. Bei der „Eways“-Veranstaltung betonten die Renault-Experten aber, dass man NMC-Zellen favorisiere, weil NMC-Zellen das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis bieten würden. Diese Zellen würden nicht nur besser altern, sondern auch einen besseren Restwert beim Recycling bieten.

Die erschwinglichen Zellen sollen erstmals im Renault 5 eingesetzt werden. Als Zielwerte nannte die zuständige Managerin Sophie Schmidtlin eine WLTP-Reichweite von 400 Kilometern und Kosten von 85 Dollar pro Kilowattstunde auf Modulebene. Gefertigt werden diese Zellen in der kürzlich angekündigten Fabrik von Envision AESC, die in Douai gebaut werden soll.

Die Performance-Zellen werden weiterhin von dem langjährigen Batterie-Partner LG Energy Solution zugeliefert. Die Gen1-Version wird erstmals im neuen Elektro-Mégane eingesetzt und soll bei 60 kWh eine Reichweite von 450 Kilometern nach WLTP ermöglichen. Preise nannte Schmidtlin hier nicht, gab aber an, dass die Gen2-Version ab 2024 auf eine Energiedichte von 700 Wh/l kommen soll. 2026 soll dann ein Sprung bei der Ladeleistung anstehen: Schmidtlin spricht von 4C, was bei einer Batteriegröße von 60 kW einer Ladeleistung von 240 kW entspräche. Der Ladevorgang von 15 auf 80 Prozent soll dann nur noch 12 Minuten dauern.

„Der größte Batterie-Datensatz eines Autoherstellers in Europa“

Besondere Hochleistungsbatterien sollen in Zusammenarbeit mit Verkor entwickelt und produziert werden, Renault will hier mindestens zehn GWh pro Jahr abnehmen. Auch bei den Partnerschaften mit LGES und Envision sei man nicht nur einfacher Kunde, sondern Partner, so de Meo. „Wir haben die Daten von über 320.000 Elektroautos auf der Straße, alleine in den vergangenen zwölf Monaten haben wir 300 Terabyte Batterie-Daten gesammelt“, so der Renault-Chef. „Das ist der größte Batterie-Datensatz eines Autoherstellers in Europa.“ Diese Erfahrung wolle man nun in der Entwicklung nutzen.

Wie Entwicklungschef Gilles Le Borgne betont, macht die Batterie immer noch 40 Prozent der Kosten eines Batterie-Elektroautos aus. „Deshalb ist es für uns entscheidend, die Kosten bei den Batterien zu kontrollieren, um bezahlbare und wettbewerbsfähige BEV ohne Kompromisse anbieten zu können“, sagt der Entwickler.

Eine weitere Stellschraube ist der elektrische Antrieb selbst, auch wenn dieser nur zehn Prozent der Fahrzeugkosten ausmacht. Kern ist hier wie bisher eine EESM, also eine elektrisch erregte Synchronmaschine ohne Permanentmagneten. Dieses Konzept soll unter anderem mit Hairpin-Wicklungen im Stator effizienter gemacht werden.

Der größte Faktor beim Antrieb ist aber die Leistungselektronik, die bis zu zwei Drittel der Kosten in diesem Bereich ausmacht. Im Zuge der Kooperation mit STMicroelectronics soll die Leistungselektronik für die Elektroautos entwickelt und hergestellt werden – in Frankreich, wie Renault betont.

Integrierte Antriebseinheit soll Kosten senken

Bis 2025/2026 sollen diese Entwicklungen in einer neuen All-in-One-Einheit zusammengeführt werden: Elektromotor, Untersetzungsgetriebe, eine 800-Volt-fähige Leistungselektronik, AC-DC-Wandler, DC-DC-Wandler und der Onboard-Lader werden dann in einem Gehäuse zusammengefasst. Damit soll die neue Antriebseinheit nicht nur 45 Prozent weniger Platz benötigen, sondern auch 45 Prozent weniger Energieverluste erzeugen. Und die Einheit soll 30 Prozent günstiger werden, was heute quasi den Kosten des E-Motors selbst entspricht.

Parallel dazu wird gemeinsam mit dem Startup Whylot ein Axialfluss-Motor entwickelt – bisher setzt in der Autobranche nur Ferrari einen solchen Motor im SF90 Stradale ein. Renault will diese Motoren zunächst in Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen verbauen, plant später aber auch den Einsatz in Batterie-elektrischen Modellen.

Die Elektro-Offensive mit den zehn neuen Modellen wird bekanntlich von zwei Plattformen getragen: Die CMF-EV aus der Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz für das C- und D-Segment sowie die CMF-BEV für kleinere und günstigere Fahrzeuge wie den Renault 5. Bei der kleineren CMF-BEV soll nicht nur die Akustik deutlich verbessert werden, sondern auch Funktionen wie Plug&Charge Einzug halten.

Wie viele der sieben Renault-BEV auf der CMF-EV und wie viele auf der CMF-BEV basieren werden, gab de Meo bei der Online-Veranstaltung nicht an. Klar ist aber, dass neben dem Renault 5 ein weiteres Retro-Modell kommen wird: De Meo zeigte die Silhouette eines kleinen Kastenwagens, zudem die Scheinwerfergrafik eines Modells, das intern wohl „Renault 4ever“ genannt werde – eine klare Anspielung auf den R4.
Quelle: Webcast der Veranstaltung, renaultgroup.com

2 Kommentare

zu „Renault will in die BEV-Wertschöpfungskette“
Roland Schulze-Vielhauer
01.07.2021 um 13:22
Ich finde die Strategie von Renault absolut super. Auf Dauer denke ich kommt der europäische Autoindustrie nicht darum herum Batterien und Motoren komplett selbst zu entwickeln. Ansonsten würden wir uns weiterhin von China abhängig machen. Zumal dann auch der europäische Absatz der Fahrzeuge in Europa die chinesische Konkurrenz etwas im Zaum halten wird. Ich bin nun wirklich gespannt wie es bei Reno in der Praxis weitergehen wird.
Roland Schulze-Vielhauer
01.07.2021 um 13:23
Ich finde die Strategie von Renault absolut super. Auf Dauer denke ich kommt die europäische Autoindustrie nicht drum herum Batterien und Motoren komplett selbst zu entwickeln. Ansonsten würden wir uns weiterhin von China abhängig machen. Zumal dann auch der europäische Absatz der Fahrzeuge in Europa die chinesische Konkurrenz etwas im Zaum halten wird. Ich bin nun wirklich gespannt wie es bei Renault in der Praxis weitergehen wird.

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