ICCT: Elektroauto-Klimabilanz knapp 70 Prozent besser als Verbrenner
Laut einer neuen Studie des ICCT haben Batterie-Elektroautos bereits heute eine bessere Bilanz bei den Treibhausgas-Emissionen als konventionell angetriebene Fahrzeuge – und das nicht nur in Europa, sondern auch in China, Indien oder den USA. Bis 2030 werde sich der Emissionsvorteil weiter erhöhen.
Für die Studie haben die Experten des International Council on Clean Transportation (ICCT) die Kompaktwagen-Klasse über die gesamte Lebensdauer betrachtet, die Emissionen aus der Produktion der Fahrzeuge und Batterien sind also mit eingerechnet. Auch die Entsorgung des Fahrzeugs wurde berücksichtigt.
Das Ergebnis: Für einen elektrischen Kompaktwagen liegen die Treibhausgasemissionen in Europa bereits heute 66 bis 69 Prozent niedriger als für vergleichbare neue Benzinfahrzeuge. Dabei wurde sogar die Nutzung des erwarteten Strommixes für 2021 bis 2038 (also den Zeitraum, in dem das Fahrzeug genutzt würde) eingerechnet. Die Laufleistung wurde mit 234.000 Kilometern angenommen – die mit nur einem Akku zurückgelegt werden. Werde der E-Kompaktwagen vollständig mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben, würde das Batteriefahrzeug bereits heute bis zu 81 Prozent niedrigere Lebenszyklus-Emissionen als ein Benzinfahrzeug erreichen, so das ICCT.
Die Forschenden gehen aber auch davon aus, dass sich wegen der EU-Vorgaben zum Ausbau erneuerbarer Energien der Strommix stetig verbessern wird. Somit ergibt sich laut der Studie bis 2030 ein Emissionsvorteil von etwa 74 bis 77 Prozent für den E-Kompaktwagen im Vergleich zu dem Benziner – anstelle der 66 bis 69 Prozent mit dem heutigen Strommix.
Legt man die Lieferketten und den Strommix in den USA zugrunde, liegt der Emissionsvorteil des Elektroautos heute bereits bei 60 bis 68 Prozent. Für China mit seinem hohen Kohlestrom-Anteil hat das ICCT eine Ersparnis von 37 bis 45 Prozent errechnet, für Indien immerhin noch 19 bis 34 Prozent. Größter Faktor in allen Regionen ist die Energie für den Betrieb der Fahrzeuge, die CO2-Emissionen für die Batteriefertigung, die Produktion des Fahrzeugs und die Wartung über die Lebensdauer sind die deutlich kleineren Posten.
Dass die Batterie-Elektroautos so gut abschneiden, liegt auch daran, dass das ICCT nach eigenen Angaben neue Daten zur Akku-Produktion verwendet hat. Mit den heute effizienteren Prozessen und teilweise lokalisierten Lieferketten würden dort deutlich weniger Treibhausgase emittiert als noch vor einigen Jahren (und damit in früheren Studien) angenommen. Hier beruft sich das ICCT auf Daten des Argonne National Laboratory, einem Forschungsinstitut des US-Energieministeriums.
Konkret rechnet das ICCT vor, dass die Produktion eines 45-kWh-Akkus in Europa für 2,7 Tonnen CO2-Emissionen sorgt, der 70 kWh-Akkus eines SUV-Modells für rund 4,2 Tonnen CO2. Gerechnet wurde hier mit 60 Kilogramm CO2-Äquivalent pro kWh, der selbe Wert wurde für die USA veranschlagt. In China und Indien wurde jeweils mit 68 kg CO2/kWh gerechnet. Da aber für die dort verkauften Fahrzeuge im Schnitt kleinere Akkus veranschlagt wurden, sind die CO2-Emissionen für einen SUV-Akku nicht direkt vergleichbar.
„Die grundlegenden Schlussfolgerungen unserer Studie sind letztlich für alle Regionen ähnlich, trotz Unterschieden im Fahrzeug- und Strommix“, sagt Rachel Muncrief, stellvertretende Direktorin am ICCT. „Bereits heute weisen Batteriefahrzeuge niedrigere Treibhausgasemissionen auf als konventionelle Benzin- und Dieselfahrzeuge. Dies gilt auch für Länder mit einem hohen Anteil an Kohlestrom, wie China und Indien.“
Für die Life Cycle Analysis (LCA) wurden nicht nur fossile Verbrenner und Elektroautos verglichen, sondern auch Plug-in-Hybride, Biokraftstoffe, SynFuels und Wasserstoff. Bei allen Antriebsarten wurden nicht die WLTP-Verbräuche, sondern real gemessene Verbräuche zugrunde gelegt. Wegen der niedrigen elektrischen Fahranteile (dazu hatte das ICCT im September 2020 eine gesonderte Erhebung veröffentlicht) haben die ICCT-Experten für die Plug-in-Hybride lediglich eine Ersparnis von 25 bis 27 Prozent über den Lebenszyklus errechnet, bei nicht extern ladbaren Hybriden rund 20 Prozent.
Auf eine Treibhausgas-Ersparnis von rund 26 Prozent kommen Brennstoffzellenfahrzeuge, solange sie mit dem heute vorherrschenden grauen Wasserstoff betrieben werden. Dieser wird aus der Reformierung von Methan und Erdgas hergestellt. Da Methan in den ersten 20 Jahren nach der Emission laut dem ICCT „um ein Vielfaches mehr zur globalen Erwärmung“ beitrage, als das 100-jährige Treibhausgaspotenzial widerspiegle, wurde die Wirkung von Methan-Leckage eingerechnet.
Betreibt man Brennstoffzellenfahrzeuge aber mit grünem Wasserstoff, der per Elektrolyse aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, kommen die FCEV auf Emissionen, die 76 Prozent unter denen von Benzinern liegen. Das ICCT weist aber auch darauf hin, dass der Betrieb von Brennstoffzellen-Pkw mit strombasiertem Wasserstoff etwa dreimal so energieintensiv wie die direkte Nutzung des Stroms in Batteriefahrzeugen ist.
Produktion der Wasserstoff-Tanks im Blick
Ein Punkt, auf den die Forschenden bei den Brennstoffzellenautos zudem hinweisen, ist deren Produktion. Bisher gilt vor allem die Herstellung des Akkus für Batterie-Elektroautos als besonders energieintensiv und ist damit mit CO2-Emissionen verbunden. Laut dem ICCT wird aber auch für die Herstellung der Brennstoffzelle und vor allem der Wasserstoff-Tanks aus Kohlefasern ebenfalls viel Energie benötigt. Daher sei die Produktion eines FCEV in etwa so stark mit Treibhausgas-Emissionen behaftet bei die Herstellung eines mittelgroßen Akkus.
Bei alternativen Kraftstoffen für Verbrennungsmotoren ist das ICCT skeptisch: Die Beimischung von Biokraftstoffen und synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) könne in den kommenden Jahren „nicht wesentlich zur Dekarbonisierung des Pkw-Verkehrs beitragen“.
„Batteriefahrzeuge, die mit Strom aus erneuerbaren Energien angetrieben werden, sowie Brennstoffzellenfahrzeuge, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden, sind die einzigen beiden Technologiepfade, um eine Dekarbonisierung der europäischen Autoflotte bis 2050 erreichen zu können“, sagt Georg Bieker, Autor der ICCT-Studie. Vor diesem Hintergrund empfehlen die ICCT-Forscher, die Neuzulassung neuer Pkw mit Verbrennungsmotor in der EU bis spätestens 2035 auslaufen zu lassen.
Quelle: Info per E-Mail, spiegel.de, theicct.org (Mitteilung), theicct.org (Studie als PDF)
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