Deutschlandnetz: „Wir machen das Laden transparenter“
Bis Ende 2023 sollen die 1.000 Schnellladeparks des Deutschlandnetzes in Betrieb sein, die Ausschreibungen hierfür sollen im September veröffentlicht werden. Im Interview erklärt Johannes Pallasch, Leiter der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, welche Herausforderungen es bei der Planung gab, wie die Ausschreibungen ablaufen sollen und warum aus seiner Sicht trotz all der Vorbereitung die Flächen weiterhin ein Flaschenhals sind.
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Herr Pallasch, wie genau sieht der Zeitplan für die Ausschreibungen zum Deutschlandnetz aus?
Der nächste Meilenstein ist der Start des Teilnahmewettbewerbs zum Verfahren, das wird laut Fahrplan voraussichtlich Mitte September passieren. Dann läuft der Vergabeprozess mit seinen vergaberechtlich vorgegebenen Schritten an. In diesem Prozess werden wir zu gegebener Zeit in die Gespräche mit den Bietern gehen, in denen wir gemeinsam die vertraglichen Inhalte optimal ausgestalten wollen. Das wird der spannende Punkt. Der Zuschlag wird dann im kommenden Jahr, frühestens Ende des zweiten Quartals, vergeben. Alle wichtigen Infos findet man auf deutschlandnetz.de.
Nach dem Zuschlag müssen Grundstücke in den 900 Suchräumen gefunden sowie Netzanschlüsse beantragt und gebaut werden. Wann sollen die 1.000 Ladeparks in Betrieb sein?
Kurz gesagt: So schnell wie möglich. Und das ist auch nötig, wenn ich den aktuellen Fahrzeug-Hochlauf sehe. Wir brauchen hier eine Antwort. Deshalb wollen wir Tempo machen, etwa mit der Vorinformation vor dem formellen Ausschreibungs-Beginn. Aber auch außerhalb des Deutschlandnetzes treiben wir den Aufbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur über zwei Förderprogramme mit 800 Millionen Euro weiter voran. Die Mittel sind verfügbar, aber müssen erst einmal abgerufen werden.
Der geplante Ausschreibungsbeginn im September gilt für die Regional-Lose. Wann startet die Ausschreibung für die bundesweiten Autobahn-Lose? Im Juni bei der Vorstellung des Konzepts hieß es nur, das solle in den kommenden sechs Monaten der Fall sein.
Die sechs Monate sind eine Deadline, bis wann das passiert sein soll. Bei den bundesweiten Losen an den Autobahnen ist der Vorteil, dass die Grundstücke bereits in der Hand des Staates sind. Hier prüfen wir derzeit noch mit der Autobahn GmbH, ob und wie ein Netzanschluss verfügbar oder möglich ist und ob das Design des Parkplatzes den Aufbau von Ladesäulen erlaubt. Da die Grundstücke bereits im Besitz des Bundes sind und auch Punkte wie der Netzanschluss vorab geklärt werden, kann es sein, dass es bei den Autobahn-Losen früher zu einem Zuschlag kommt als bei den Regional-Losen.
Gehen wir von einem Zuschlag Ende des zweiten Quartals 2022 aus. Wie soll das – auch gemessen am bisherigen HPC-Ausbau – klappen, dass in 18 Monaten über 1.000 Ladeparks mit rund 10.000 Ladepunkten entstehen?
Hier hören wir aus dem Markt unterschiedliche Ansichten. Die einen sind der Meinung, es laufe alles wunderbar. Die anderen können uns sehr genau belegen, dass es teils erhebliche Wartezeiten bei Netzanschlüssen gibt. Das ist das nächste große Thema, dem wir uns widmen müssen und wollen: die Energienetze.
In Gesprächen haben Ladepunktbetreiber uns gegenüber meist zwei Wünsche geäußert: Geeignete Flächen und einfachere Genehmigungsprozesse. Bei den Autobahn-Losen sind zumindest die Flächen gegeben, Genehmigungsprozesse und Netzanschlüsse bleiben als Flaschenhals, wie auch schon beim aktuellen Ausbau.
Genau das war auch das Ziel der Vorinformation, die Flächen und Suchräume jetzt schon bekannt zu geben. Sie sind über unser StandortTOOL und unser FlächenTOOL für jeden einsehbar. Wir rufen alle Akteure, Kommunen und Unternehmen auf, ihre Flächen einzutragen, damit das in die Planung und Vergabe einfließen kann.
Uns ist auch bewusst, dass die Flächen ein Flaschenhals sind. Die Welt hat nicht auf uns gewartet und attraktive Grundstücke freigehalten, damit wir dort jetzt Schnellladeinfrastruktur bauen können. Wir stehen in Konkurrenz zu anderen Anwendungen, die teilweise eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz haben – etwa, wenn eine Kindertagesstätte gebaut werden soll oder bezahlbare Wohnungen. Wir müssen uns gerade mit den Kommunen unterhalten, wie das öffentliche Ladenetz aussehen und wo das stehen soll. Ladestationen müssen auch im öffentlichen Raum stattfinden, das kann nicht nur auf privaten Flächen geschehen.
Wären auch Ladeparks auf Kunden-Parkplätzen zulässig? Oder muss der Betreiber das Grundstück kaufen oder mieten?
Wem das Grundstück gehört, ist uns egal – es muss sichergestellt sein, dass es über die Laufzeit zur Verfügung steht und wir werden einen Anreiz dafür setzen, dass die Ladeparks dort auch langfristig weiter betrieben werden. Was uns allerdings Sorge bereitet: An einigen Standorten werden bereits heute teils nennenswerte Aufschläge erhoben, die Betreiber an den Flächeneigentümer zahlen müssen. In der Phase, in der wir in der Fläche noch nicht in einem tragbaren Business Case sind, sehen wir das sehr kritisch.
Über Grundstücke in Suchräumen zu verfügen, ist keine Voraussetzung für die Teilnahme, aber im Laufe des Verfahrens ein Pluspunkt. Animiert man damit nicht die Interessenten, sich jetzt schon Grundstücke zu sichern – und verschärft so den Wettkampf um die knappen Flächen?
Das ist in der Tat richtig. Wenn ich bereits eine Fläche habe und dort einen Ladepark bauen will, gehe ich natürlich damit exklusiv ins Rennen. Alternativ besteht die Möglichkeit, dass eine Kommune die Fläche allgemein zur Verfügung stellt und der Betreiber, der den Zuschlag erhält, dort dann bauen darf. Das ist die Spanne, in der wir uns bewegen. Die Frage ist, würde ein Fast-Food-Restaurant, das bereits exklusiv mit einem Ladepunktbetreiber kooperiert und damit ins Rennen geht, die Fläche auch einem anderen Betreiber zur Verfügung stellen? Solche gewachsenen Strukturen können und wollen wir mit dem Verfahren nicht aufbrechen.
Kann das dennoch ein potenzieller Konfliktpunkt in der Vergabe werden?
Nein. Es kann attraktive Standorte in einem Suchraum geben, die aber nicht in die Umsetzung gehen, weil sie einfach nicht die Zusage erhalten haben. Das ist Teil des Vergabe-Prozesses. Für das Beispiel des Fast-Food-Restaurants gibt es womöglich Mittel aus einem der anderen Förderaufrufe. In einem Suchraum für die Ausschreibung gibt es idealerweise nicht nur eine attraktive Fläche in Nähe zu einem Point of Sale, Gastronomie, sanitären Einrichtungen, sondern potenziell eine zwei- oder gar dreistellige Zahl, die funktionieren könnten.
Es wurde aus Gründen der Vergleichbarkeit darauf geachtet, dass die Lose eine ähnliche Anzahl von Points of Sale aufweisen und nicht unterschiedlich attraktiv sind. Eine Ausnahme sind hier die kleineren Lose, die wegen der geringeren Anzahl an Suchräumen auch weniger Points of Sale aufweisen. Die Lose innerhalb einer Region sind vergleichbar – aber es ist auch klar, dass es in Nordrhein-Westfalen eine höhere Dichte an Points of Sale gibt als in der Region Nord-Ost.
Sie meinten bei der Vorab-Bekanntmachung, der Betreiber solle die Suchräume „meist“ treffen. Was bedeutet das in Vergaberecht übersetzt?
Es ist nicht zwingend vorgeschrieben, dass jeder einzelne Suchraum eines Loses einen Ladepark erhält. Nehmen wir als Beispiel Nordrhein-Westfalen, dort haben wir sechs Lose mit rund 45 Suchräumen. Es ist nicht realistisch, dass ein Betreiber in allen diesen 45 Suchräumen ein Grundstück hat. Eine hohe Verfügbarkeit der Standorte könnte allerdings positiv bei der Wertung berücksichtigt werden.
Zur Einordnung: In das StandortTOOL ist viel Knowhow geflossen, wir nutzen Daten von der Bevölkerungsdichte über die Siedlungs-Struktur und Mobilität bis hin zu den Ergebnissen aus der Befragung der Hersteller zum Markthochlauf der Fahrzeuge, um den künftigen Bedarf abzuleiten. Ein solches Tool, um das alles zu koordinieren, ist in Europa einzigartig. Bei der Wahl der Suchräume haben wir auch den Bestand der HPC-Ladeinfrastruktur einbezogen.
Wie sehen mögliche Sanktionen aus, wenn ein Bewerber bis Ende 2023 nicht alle Vorgaben einhält – etwa die Anzahl der in Betrieb befindlichen Standorte oder eine zu große Abweichung?
Das ist der große Vorteil der Ausschreibung gegenüber einer Förderung: Wir haben ein zweistufiges Verfahren und können durch die Erkenntnisse aus den Bietergesprächen bereits im Vergabeverfahren darauf einwirken. Zudem schließen wir am Ende einen Vertrag über den Betrieb, der natürlich auch Vertragsstrafen bei Verstößen vorsieht. Hier stellen wir effektiv sicher, dass diese Standorte auch funktionieren! Anders als bei der Förderung können wir hier ganz andere Anforderungen an die Verlässlichkeit stellen. Für den Kunden ist das super.
Wie sieht es mit Klagen von unterlegenen Mitbewerbern aus, die der Meinung sind, das besser umgesetzt zu haben?
Wir haben mit dem Schnellladegesetz einen klaren Rechtsrahmen, in dem der Bund die geplanten Ausschreibungen umsetzen wird. Es gibt dort sogar eine Härtefall-Regelung, die noch durch eine gesonderte Verordnung ergänzt wird; das sollte sich ansehen, wer über einen einen bestehenden Standort verfügt, der durch einen neuen Ladepark unrentabel wird. In der Praxis versuchen wir aber, die Suchräume so zu gestalten, dass bestehenden Standorten kein neuer vor die Nase gesetzt wird.
Bei den technischen Voraussetzungen war bisher von mindestens 150 kW Ladeleistung die Rede, jetzt sind es konkret mindestens 200 kW. Woher kam diese Präzisierung auf einen Wert über 150 kW, was heute eine gängige Klasse an Ladesäulen ist?
Mit den „mindestens 150 kW“ haben wir uns diesen Spielraum bewusst offen gelassen. Wir müssen mit dem Konzept die nächsten acht Jahre abdecken. Die Trends aus den Gesprächen mit den Herstellern und der Marktbeobachtung sind klar: Reichweite bleibt ein Thema, die Batterien werden aber aus Kosten-, Gewichts- und Ressourcen-Gründen nicht unendlich groß. Daher setzen die Hersteller auf höhere Ladeleistungen. Die Reichweite schnell nachladen zu können und so den Kunden diese Zweifel zu nehmen, ist mindestens genauso wichtig. Es kommen jetzt die ersten Modelle ins Volumensegment, die mit 200 kW und mehr laden. Dazu kommt: Wenn ich bei Vollauslastung der Ladepunkte und einer Warteschlange eine niedrigere Ladeleistung biete und diese gegen Ende des Ladevorgangs noch herunter regeln muss, stehen die Autos am Ladepunkt und gegebenenfalls in der Warteschlange davor noch länger da.
Der Bund übernimmt die Kosten für den Netzanschluss, solange sie in einem „angemessenen Rahmen“ bleiben. Für einen L-Ladepark mit zwölf 200-kW-Ladepunkten sind das immerhin 2,4 MW. Warum gibt es dann noch die Option auf Pufferspeicher?
Die Leistungsdaten eines Pufferspeichers, etwa wie viele Back-to-Back-Ladungen möglich sein müssen, was wiederum auch von der Größe des Standorts abhängt, werden gesondert diskutiert und festgelegt. Es bringt nichts, wenn der Puffer nach einem halben Ladevorgang leer ist. Wegen dieser Komplexität haben wir das bei der Vorinformation nicht im Detail vorgestellt. Es wird aber die Möglichkeit geben – es ist eine charmante Komponente, um kostenseitig wettbewerbsfähiger zu sein. Er ist dann gerechtfertigt, wenn er dafür sorgt, dass ein Standort günstiger wird oder überhaupt erst realisiert werden kann.
Die Stromversorgung oder die Nähe eines unbewirtschafteten Autobahn-Parkplatzes zur Mittelspannung ist sehr unterschiedlich. Nicht überall verlaufen Stromtrassen parallel zur Autobahn. Wie soll die Stromversorgung an diesen Standorten gesichert werden?
Das diskutieren wir gerade mit der Autobahn GmbH, die Anfragen bei den Netzbetreibern laufen. Es zeichnet sich ab, dass es an einigen Standorten gut realisiert werden kann, an anderen wird um jedes Kilowatt gekämpft. Die Standorte liegen teilweise an Orten zu denen lange Kabel gezogen werden müssen. Das ist eine Herausforderung, aber auch das Bild der Zukunft: Potenziell brauchen wir an all diesen Standorten Strom in größerer Menge! Das müssen wir angehen und auch bei der Planung neuer Parkplätze berücksichtigen.
Wie kam es zu dem Beschluss, ein Terminal für die Kartenzahlung mit Pin-Pad zu fordern?
Das ist die Krux beim Laden: Es wurde – ganz im Sinne der Technologieoffenheit – jede Möglichkeit etabliert. Es gibt viele Lösungen am Markt, die auch ihre Berechtigung haben. Wenn wir aus Kundensicht denken, wollen wir auch all denen einen Zugang ermöglichen, die die verbreitete Möglichkeit der Kartenzahlung nutzen wollen. Wir wollen keine Kundengruppe ausschließen oder umerziehen. Das gilt für die Kartenzahlung, aber auch für Plug&Charge. Es ist auch technisch machbar: Wir werden bald an einem Punkt sein, an dem die Geräte breit verfügbar sind und der Kostenfaktor keine so große Rolle mehr spielt, wie es heute teilweise beschworen wird.
Das Karten-Terminal trifft so gesehen den zentralen Punkt unseres Vorhabens: Wir wollen das Ad-hoc-Laden so einfach und komfortabel machen wie heute das EMP-Laden mit der Ladekarte. Das geht, indem ich meine Kredit- oder Girokarte an das Terminal halte und nicht, indem ich meine Kreditkartennummer jedes Mal aufs Neue auf einer mobilen Website eintippen muss.
Wird das auch Auswirkungen auf das EMP-Laden haben?
Natürlich. Mit dem diskriminierungsfreien und transparenten B2B-Preis, der bei jedem Betreiber zumindest leicht unter dem Ad-hoc-Preis von 0,44€/kWh liegt, machen wir das EMP-Laden transparenter: Alle Anbieter starten an der gleichen Startlinie. Damit werden deren Margen vergleichbarer, was für den Kunden interessant ist. Sowohl Ad-Hoc-Laden als auch EMP-Laden müssen funktionieren und jeweils ideal ausgestaltet werden.
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