DeepDrive zeigt Radnabenmotor auf der IAA

Die DeepDrive GmbH hat einen hocheffizienten, getriebelosen Radnabenantrieb entwickelt, mit dem bis zu 20 Prozent elektrischer Energie eingespart werden sollen. Ein im Durchmesser skalierter Prototyp dieser Antriebstechnologie wurde nun auf dem Prüfstand des Fraunhofer IFAM ausführlich erprobt.

Laut DeepDrive soll der eigens entwickelte und patentierte Radnabenantrieb ein Drehmoment von über 1.800 Nm und einen Gesamtwirkungsgrad von über 96 Prozent erreichen – und mehr als 150 kW Leistung. Zugleich soll er in eine gewöhnliche 18-Zoll-Felge passen. Grundlage hierfür sei eine „neuartige Motorentechnologie“, wie es in der Mitteilung heißt. Diese zeichne sich durch „sparsamen Ressourceneinsatz, serientaugliche Herstellverfahren und exzellente akustische Eigenschaften“ aus.

Den oft bei Radnabenmotoren angeführten Kritikpunkt der hohen ungefederten Massen will das in München ansässige Startup auf zweierlei Art lösen. So soll ein Motor weniger als 30 Kilogramm wiegen. Und werden zwei dieser Motoren an der Hinterachse eines E-Autos montiert, ist es laut dem Unternehmen technisch möglich, dort auf eine mechanische Bremse zu verzichten. „Der Zuwachs ungefederter Massen wird so minimiert“, sagt Stefan Ender, Mitgründer und technischer Geschäftsführer der DeepDrive GmbH, „und die Leistungsfähigkeit der Antriebe ermöglicht die Erfüllung der Bremsfunktion ohne funktionale Einschränkungen“.

Um die angepeilten Leistungsdaten zu belegen, hat das Startup einen im Durchmesser skalierten Prototyp am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) in Bremen testen lassen. In diesen Versuchen wurde die Effizienz und die Leistungsfähigkeit der entwickelten Technologie „vollumfänglich bestätigt“, wie DeepDrive mitteilt. „Der Antrieb wurde mit hochwertiger Messtechnik geprüft und hat den prognostizierten Wirkungsgrad im angefahrenen Betriebsbereich erreicht“, bestätigt Dennis Koch, der am IFAM für Auslegung und Betrieb der Motorenprüfstände verantwortlich ist.

Die eigenen Radnabenmotoren will DeepDrive nach Möglichkeit nicht an einen Fahrzeugbauer zuliefern. Erklärtes Ziel ist es, dem Hersteller eine komplette Plattform mit diesen Antrieben zu liefern, die auf den besagten Einsatz der Radnabenmotoren an der Hinterachse ohne mechanische Bremse ausgelegt ist. „Der Radnabenantrieb bildet die technologische Grundlage für die von uns entwickelte, flache und modulare Elektrofahrzeugplattform“, so Stefan Ender weiter. „Wir wollen kein reiner Zulieferer elektrischer Antriebe werden, sondern unseren Kunden mit unserer Plattform die vollumfängliche Nutzung der Vorteile des Antriebs ermöglichen.“

Bei der DeepDrive-Plattform handelt es sich im Grunde genommen um das, was in der eMobility-Branche derzeit als Skateboard-Plattform im aller Munde ist: In den flachen Rahmen werden die Batterien integriert, an diesem Rahmen sind auch die Aufhängungen (in diesem Fall inklusive der Motoren) und die Crash-Strukturen montiert. Die Plattform soll skalierbar sein, auf seiner Website führt das Unternehmen Größen in S, M und L auf – von einem betont kurzen bis hin zu einem sehr langen Radstand. Da die Motoren aber nicht im eigentlichen Fahrzeug, sondern im Radkasten sitzen, ergibt das im Fahrzeug mehr Platz. Der Nachteil: Einige Bauteile müssen dann im Fahrzeug mehrfach an jedem Antrieb statt einmal an dem Zentralmotor vorhanden sein.

Die mit der Plattform erzielten Bauraum-Einsparungen und die so erreichte Effizienz des Gesamtsystems soll es laut DeepDrive möglich machen, „auch mit günstigen, aber weniger energiedichten Batterietechnologien“ Reichweiten von über 600 Kilometern zu erzielen. Als Beispiele für die Batterietechnologien werden LFP-Zellen und Natrium-Ionen-Batterien genannt. „Die DeepDrive Plattform setzt so einen neuen Maßstab bei TCO und Entwicklungskosten“, sagt Felix Pörnbacher, Mitgründer und verantwortlich für Finanzen und Strategie im Unternehmen.

Gegenüber der „Welt“ gab Pörnbacher an, dass man im Austausch mit ersten Pilotkunden sei, „darunter große deutsche Automobilhersteller“. Namen nannte er jedoch nicht. Dem Bericht zufolge gebe es sowohl am Radnabenantrieb als auch an der Plattform Interesse. Eine schriftliche Absichtserklärung eines Kunden, also ein „Letter of Intent“, gibt es noch nicht. Neben etablierten Autobauern seien „alle Unternehmen, die sich Gedanken über ein E-Fahrzeug“ machen, potenzielle Kunden.

DeepDrive will seine Radnabenmotoren auf der IAA Mobility im September präsentieren. Im Herbst ist laut der Mitteilung eine Finanzierungsrunde geplant. Wann erste Validierungsmuster des serienreifen Radnabenantriebs im 1:1-Maßstab zur Verfügung stehen sollen, geht aus der Mitteilung nicht hervor. Laut LinkedIn hat DeepDrive derzeit acht Angestellte, zumeist Ingenieure, die bereits bei anderen Technologieunternehmen gearbeitet haben.
Quelle: Info per E-Mail, linkedin.com, welt.de (Paywall), deepdrive.tech

11 Kommentare

zu „DeepDrive zeigt Radnabenmotor auf der IAA“
David
27.08.2021 um 21:53
Ich denke, da wird man zukünftig genauer prüfen müssen, ob man solche Antriebe nicht doch weiterentwickelt. Denn die bisherigen Elektroautos sind noch zu sehr klassische Autos, die in allen Komponenten ähnlich dem Verbrenner sind. Im Kern könnten vier Motoren sogar die Bremsanlage ersetzen. Klar, da gibt’s bisher zulassungstechnisch noch einige Hürden.
Egon Meier
27.08.2021 um 22:57
Der Radnabenmotor wurde jetzt zum zigmillionsten Mal erfunden. Kein Wort über die Gründe, die bislang dazu geführt haben, dass sie nur in Flurförderfahrzeugen (gaaanz langsames Tempo, ebener Boden, kaum oder keine Federwege .. ) genutzt wurden.ist egal. Noch jemand, der sich damit auf die Nase legt.
Tomsel
01.09.2021 um 08:00
Ungefederte Masse, die Zentrifugalkraft bei Kurvenfahrten?
Staplerbauer
30.08.2021 um 17:10
Mir ist auch keine Flurförderzeug (ohne "fahr") bekannt, wo solche Motoren genutzt werden. Ist halt immer deutlich teurer als konventionelle Technik und bringt dann doch nicht so richtig viele Vorteile.
Der Diktator
28.08.2021 um 14:04
"Ein im Durchmesser skalierter Prototyp dieser Antriebstechnologie wurde nun auf dem Prüfstand des Fraunhofer IFAM ausführlich erprobt."Warum macht man soetwas und testt nicht gleich das 1:1 Modell?
Hans Herbert
29.08.2021 um 10:40
Eine interessante Entwicklung. Was das Chassis angeht, verstehe ich immer noch nicht, welche Aussagen man zur Wartbarkeit der Batterie macht. Diese zählt zu den strukturellen Batterien und bringt mit diesen ein Problem mit: Wenn eine Ecke des Rahmens kaputt gefahren wird, ist das ganze Chassis mit Batterie hinüber. Ein Batteriemodul ist im Vergleich dazu geschützter (weniger anfällig) und zudem leicht austauschbar. Insgesamt bringt das neue Konzept doch wohl ein erhöhtes Ausfallrisiko für das ganze Fahrzeug.
Alex1
30.08.2021 um 11:02
Also ich muss mich da Egon Meier und Diktator anschließen, was die Zweifel angeht. Zu viele Radnabenmotoren hab ich schon "sterben" sehen.Aber wer weiß, vielleicht schaffen die jetzt den Durchbruch. Weiß jemand zufällig, woran die ganzen früheren Radnabenmotoren "gestorben" sind? War es die Haltbarkeit ob des laufenden Geschüttels? Nässe, Salz, Staub, Hitze?Immerhin liefert Ziehl-Abegg ja schon Radnabenmotoren für Busse.Der komplette Verzicht auf eine mechanische Bremse hat mir kurz den Atem stocken lassen. Überhaupt keine mechanische Rückfallebene mehr? Aber das ist ja eh der Trend in der Sicherheitstechnik: Mechanische Verfahren werden von gleichwertig sicher gewordenen Elektronischen abgelöst.
Ralf
30.08.2021 um 11:49
Die größten Probleme sind die Radlagersteifigkeit damit der Luftspalt im Motor gehalten werden kann, und die Abdichtung gegen Schmutzt und Wasser über die Lebensdauer ohne, dass die reibende Dichtung bei hohen Geschwindigkeiten abbrennt oder schmilzt.
Dennis Doerffel
31.08.2021 um 11:08
Wir haben die Firma Protean Electric https://www.proteanelectric.com/ mit ihrer Radnabenmotorentechnologie seit etwa 2006 als Zulieferer und Parnter begleitet. Die Technik ist aus meiner Sicht voll validiert, ausgereift, sinnvoll, gunestig und keinesfalls tot. Stichwort auch seitlich Einparken etc. Der Knackpunkt liegt hauptsaechlich im Markt (OEM Akzeptanz) und vielleicht ein wenig in der Massenfertigung. Ich denke viele tun sich einfach schwer, etwas Neues anzunehmen. Meiner Einschaetzung nach werden demnaechst Autos mit dieser Technik zu niedrigen Preisen aus China kommen. Verkauf vielleicht ueber die Supermaerkte oder einfach online. Dann fangen die Deutschen Hesteller an diese Technologie ernst zu nehmen.
Daniel
25.02.2023 um 01:24
Ich frage mich, warum das nicht als Nachrüstsatz für die Hinterachse auf den Markt kommt. (Also, dass die OEMs das nicht wollen ist klar.) Es könnte viele Verbrenner zu mild Hybriden machen mit relativ kleinem Akku und damit weit mehr reißen als eFuels, Wasserstoff und der ganze Hype. Vor allem im Stadtverkehr und Stop and Go sehe ich Potenzial, vielleicht auch als Komfortlösung beim EInparken wie oben angemerkt. Die Bremsen könnte man in dem Zuge auch kleiner dimensionieren oder einstampfen. Was denkt ihr, kann der Axialflussmotor (https://de.wikipedia.org/wiki/Scheibenl%C3%A4ufermotor) in der Radnabe von PkW noch zusätzlich Verbesserungen bringen?
André Meyer
11.11.2023 um 17:27
Das deutsche Problem mit neuen Technologien ist, dass unsere Ingenieure, bzw. die Entscheidungsträger, grundsätzlich sehr konservativ sind. In den USA z.B. wird einfach mal etwas Neues ausprobiert, während in Deutschland zuerst nach Gründen gesucht wird, Fehler am Neuen zu finden. Und China macht das noch viel konsequenter. Das trifft auch gerade auf Investoren zu. Wenn wir Deutschen diese Grundhaltung nicht ändern, werden wir technologisch ganz schnell abgehängt.

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