1.099 Kilometer mit einer Akkuladung: E-Lkw von Futuricum stellt neuen Weltrekord auf
Die E-Lkw-Marke Futuricum hat gemeinsam mit den Partnern DPD und Continental einen neuen Weltrekord aufgestellt: Der E-Lkw legte 1.099 Kilometer in 23 Stunden ohne Zwischenladung zurück.
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Die von Guinness World Records anerkannte Rekordfahrt fand auf der bekannten Teststrecke von Continental, dem Contidrom nahe Hannover, statt. Das Ziel des Vorhabens: Die Partner wollen zeigen, „dass nachhaltige, energie- und kosteneffiziente Elektromobilität in der Transportbranche kein Mobilitätskonzept von morgen, sondern bereits heute Realität auf den Strassen Europas ist“, wie es die zum Schweizer Unternehmen Designwerk gehörende Lkw-Marke Futuricum in der Mitteilung ausdrückt.
Auf dem Hochgeschwindigkeits-Oval des Contidroms absolvierten zwei Fahrer mit dem Futuricum Logistics 18E in Schichten von jeweils 4,5 Stunden 392 Runden auf der 2,8 Kilometer langen Strecke – die Steilkurven wurden nicht ausgefahren, die Fahrer nutzten eine der unteren Spuren. Runde 393 wurde nicht mehr komplett vollendet, sondern nach rund der Hälfte abgebrochen. Dennoch steht mit 1.099 Kilometern in 22:56 Stunden ein neuer Weltrekord. Ganz leer war der Akku am Ende der Rekordfahrt übrigens nicht: Um den Stromspeicher zu schonen, wurde die Fahrt bei zwei Prozent Ladestand vorzeitig beendet. Erfasst wurden alle Daten mit einem GPS-Gerät vom Typ Avisaro Serie 4.0.
Dass der Akku nicht bis ganz an die Grenze gebracht wurde, hat einen einfachen Grund: Für die Rekordfahrt wurde kein speziell präpariertes Einzelstück eingesetzt, sondern ein Fahrzeug, das DPD seit Mai im Logistik-Alltag in der Schweiz einsetzt. Der 19-Tonner basiert auf einem Volvo FH und verfügt nach der Umrüstung durch Futuricum über einen E-Antrieb mit 500 kW Leistung und eine 680 kWh große Batterie. Letztgenannter Wert ist der Brutto-Energiegehalt, nutzbar sind davon 578 kWh. Die Batterien werden als Module von BMW bezogen.
„Der Futuricum Truck ist nun bereits seit rund einem halben Jahr zwischen dem Depot in Möhlin bei Basel zum Verteilzentrum nach Buchs Zürich unterwegs“, sagt Marc Frank, Strategy & Innovation Director bei DPD Schweiz. „Die täglich rund 300 Kilometer meistert der E-Truck ohne Probleme. Wir sind stolz, dass wir die Leistungsfähigkeit nun offiziell dokumentieren konnten.“
Die Durchschnittsgeschwindigkeit im Contidrom lag bei 50 km/h, also deutlich unter dem üblichen Autobahn-Tempo im Fernverkehr. Diese Geschwindigkeit wurde laut Futuricum bewusst gewählt, da sie einem „realistischen Durchschnittswert im alltäglichen Einsatz“ entspreche.
„Möchten ernsthafte Alternative für Dieselfahrzeuge anbieten“
Für die Rekordfahrt war der E-Lkw zwar mit der Wechselbrücke, aber ohne Ladung unterwegs. Das Leergewicht liegt in dieser Konfiguration bei 15,5 Tonnen, ohne die Wechselbrücke sind es 12,4 Tonnen – und 6,6 Tonnen Nutzlast. Designwerk begründet die „Leerfahrt“ mit der besseren Vergleichbarkeit – Zuladung und der Energiebedarf von Nebenverbrauchern sind je nach Einsatzzweck und teilweise auch Fahrt verschieden.
„Wir möchten der Branche eine ernsthafte Alternative für Dieselfahrzeuge anbieten. Deshalb haben wir uns ein Ziel mit Signalwirkung gesteckt: mindestens 1.000 Kilometer Reichweite ohne Zwischenladung“, sagt Adrian Melliger, CEO der Designwerk Group. „Die 50-km/h-Geschwindigkeit ist im gemischten Stadt-/Land-Verkehr eine realistische Grösse: Es gibt viele andere Kriterien, wie zum Beispiel Gegenwind, die Beschaffenheit der Fahrbahn und Bodentemperatur, die wir nicht beeinflussen können. Wir wollen mit der Rekordfahrt ein Zeichen für die Leistungsfähigkeit der Elektromobilität setzen.“
Wenn 98 Prozent der nutzbaren 578 kWh genutzt wurden, ergibt sich für die Rekordfahrt ein Verbrauch von rund 52 kWh/100 Kilometer. Dieser Verbrauch ist natürlich der fehlenden Zuladung und den idealen Bedingungen mit der gleichmäßigen Fahrweise geschuldet. Wo aber liegt der 680-kWh-Lkw in der Praxis?
Hier liegen electrive.net die Daten vor, die der Lkw der Rekordfahrt in seinem Alltagseinsatz vom 1. Mai bis zum 31. Juli ermittelt hat. In diesem Zeitraum legte der 19-Tonner in der Schweiz 12.003 Kilometer zurück und verbrauchte dabei 12.820 kWh Energie. Macht also 106,8 kWh/100km in der Praxis. Dabei zog der Futuricum zeitweise auch einen Anhänger durch die Alpen. Statt der 1.099 Kilometer im flachen Contidrom ergibt sich so eine Praxis-Reichweite von 541 Kilometern.
Diese Werte gelten aber nur für den Einsatz bei der DPD Schweiz. Futuricum weist darauf hin, dass die verschiedenen Anwendungsbereiche der Nutzfahrzeuge zu sehr unterschiedlichen Verbrauchswerten führen. Ein vierachsicher Betonmischer komme im Alltagseinsatz auf einen Verbrauch von 165 kWh oder mehr. Auch bei den Logistik-Lkw sei wegen optionaler Nebenverbraucher wie Kühlaggregaten ein höherer Verbrauch beim Kunden möglich. Im Schnitt rechnet Futuricum daher mit 160 kWh/100km – auch wenn das Fahrzeug in der Praxis erwiesen hat, dass niedrigere Verbräuche und höhere Reichweiten möglich sind.
Rekordfahrt nicht bei idealen Bedingungen
Bei der Rekordfahrt wäre unter besseren Bedingungen wohl noch etwas mehr drin gewesen. Mit rund 14 Grad Außentemperatur und einer Streckentemperatur von 23 Grad war es zu kühl. Auch der Wind mit 18 km/h im Schnitt und in den Böen mit bis zu 40 km/h erhöhten den Widerstand etwas. Ideal wären Windstille, 25 Grad Luft- und 50 Grad Asphalt-Temperatur gewesen. Dann hätte das Zusammenspiel aus Luftwiderstand und Reifen das beste Ergebnis geliefert.
„Durch den Aufschwung der Elektromobilität ist die Bedeutung von Reifen immer stärker in den Fokus gerückt“, sagt Hinnerk Kaiser con Continental. „Wir arbeiten bereits seit einiger Zeit daran, unser Reifenportfolio für die Ansprüche der Elektromobilität zu optimieren. Der EfficientPro ist ein bewährtes Modell, das insbesondere für Langstreckentransporte entwickelt wurde und bei dem die Reichweite und ein geringer Rollwiderstand im Vordergrund steht.“
Auch wenn es bei dem Weltrekord nicht im Fokus stand, der Vollständigkeit halber noch die Eckdaten zum Laden des Logisitcs 18E: Mit Wechselstrom ist das Laden mit 22 oder 44 kW möglich, hier dauert ein Ladevorgang aber 29,2 oder 14,6 Stunden. Schneller geht es mit Gleichstrom, hier unterstützt der Futuricum-Lkw das Laden per CCS-Combo2-Stecker. Mit 150 kW ist der Akku in 3,1 Stunden geladen, mit 350 kW dauert es 1,3 Stunden.
Übrigens: Mit 680 kWh ist der Rekord-Lkw nicht das Modell mit der größten Batterie im Futuricum-Angebot: Wegen der Nachfrage einiger Kunden bieten die Schweizer wie berichtet auch einen Sattelschlepper mit 900 kWh an. Zieht man hier die üblichen Puffer ab, wären rund 765 kWh nutzbar.
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