Firmenwagen unter Strom: Lösungen zur Umstellung von Flotten auf elektrische Antriebe

Die Zulassungszahlen für Elektroautos steigen beständig – und damit auch die Zahl von Elektroautos bei gewerblichen Haltern. Was bei der Integration von BEV und PHEV in den Firmenfuhrpark und vor allem beim Laden der Fahrzeuge zu beachten ist, war am Dienstag das Thema der 13. Ausgabe unserer Online-Konferenz „electrive.net LIVE“ mit 300 digitalen Gästen. Hier ist der Bericht.

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Zwei Drittel aller bis August neu zugelassenen Pkw haben gewerbliche Halter. Es sind Dienst- und Firmenwagen. Das sagt die Statistik des Kraftfahrtbundesamts. Autos mit Ladestecker bilden keine Ausnahme dieser Regel. Stichprobe gefällig? Beim Volkswagen ID.3 liegt die Quote bei 54 Prozent. Und beim Porsche Taycan sind es 85 Prozent. Die Grundgesetze des mobilen Markts gelten auch für Elektroautos. Sie werden von Selbstständigen und Freiberuflern gefahren, sie komplettieren die großen Fuhrparks der Firmenflotten, und mancher Pflegedienst würde die Kleinwagen mit Verbrennungsmaschine gerne sofort und komplett durch Pendants mit Elektromotor austauschen.

Ein wichtiger finanzieller Trigger bei der Entscheidung für ein Batterie-elektrisches Auto oder einen Plug-in-Hybrid ist der Steuervorteil: Die Bemessungsgrundlage für die Versteuerung der Privatnutzung eines Firmenwagens ist halbiert. Bei Elektroautos bis zu einem Bruttolistenpreis von 60.000 Euro ist es sogar nur ein Viertel. Von der Kfz-Steuer sind sie außerdem befreit. Das zieht.

Das Fahrzeugangebot wächst permanent. Die Botschaft in den Unternehmen ist eindeutig angekommen: Jetzt geht’s richtig los. Unsere Konferenz zur Umstellung von Flotten auf elektrische Antriebe aber zeigt: Bei der praktischen Durchführung gibt es einen großen Beratungsbedarf. Zugleich arbeiten viele Akteure aus der Branche an detaillierten Best Practice-Lösungen. Auf unserer 13. Konferenz „electrive.net LIVE“ gingen Vertreter von chargeBIG powered by Mahle, der EnBW, dem IT-Systemhaus Bechtle, Mennekes, dem Fraunhofer IAO sowie Vattenfall InCharge in den Vortrag und den Dialog. Hauptthema bleibt das Laden.

chargeBIG powered by Mahle

Sebastian Ewert von chargeBIG berichtet aus der Praxis von typischen Problemen der Ladeinfrastruktur auf Firmenparkplätzen: Die Kosten können explodieren, falls ein zusätzlicher Trafo erforderlich ist. Auch ohne dieses Maximalproblem ist die Zahl der Ladepunkte häufig nicht beliebig skalierbar – und im Ergebnis zu teuer.

chargeBIG will „nicht einfach die Wallbox auf den Hof werfen“, so Ewert, sondern die komplette Systemlösung von der Hardware über das Lastmanagement bis zum Stromliefervertrag anbieten. Full Service ist die Devise.

Dass chargeBIG dabei im Kern das einphasige Laden favorisiert und anbietet, ist die logische Schlussfolgerung aus der Kostenbetrachtung. Das verlängert die Standzeit nur theoretisch, weil die Autos ohnehin lange auf dem Firmenplatz parken. Die Reduktion der elektrischen Leistungsnachfrage einer Firma aber senkt den Preis massiv.

Die Lösung von chargeBIG ist inzwischen durchgehend eichrechtskonform. In Verbindung mit dem aktiven Lastmanagement ist eine Vielzahl von Ladepunkten möglich. In naher Zukunft soll netzdienliches Laden in die breite Anwendung kommen.

EnBW

Für das Energieunternehmen EnBW spricht Peter Siegert, Urgestein der Elektromobilitäts-Szene. Die EnBW ist aktuell der Marktführer bei der öffentlichen Ladeinfrastruktur und betreibt unter anderem etwa 600 DC-Standorte. 2025 sollen es 2.500 sein – auch mit DC-Hubs in den Metropolen.

Für Firmenkunden, die unterwegs sind, bietet die EnBW zum Beispiel spezielle Business-Stromtarife an, die sich in ihrer Struktur an die Standardtarife für Private anlehnen: Für Viel- und für Wenigfahrer. Über die bekannten Roaming-Verträge kann der Endkunde fast überall niederschwellig laden; nur bei Ionity wird es wie gehabt teuer.

Die EnBW kooperiert eng mit dem bekannten österreichischen Systemanbieter Smatrics und bietet ähnlich wie chargeBIG Full Service-Angebote für Firmenfuhrparks an. Jedes Problem soll gelöst werden. Ein typisches Feature im Zusammenhang von Flotten ist die Abrechnung von unterschiedlichen Tarifen wie der Aufteilung zwischen Strom für Dienst- und Privatfahrten. Anders als chargeBIG setzt die EnBW aber auf eichrechtskonforme und förderfähige dreiphasige 22 kW-Wallboxen – am liebsten von Keba – mit entsprechendem Lastmanagement. Das gilt auch für den heimischen Ladepunkt eines Dienstwagenberechtigten.

Bechtle

Aus der Perspektive des Kunden in Gestalt des Unternehmens berichtet Uli Drautz, Prokurist und Leiter des Konzerncontrollings beim DAX-notierten IT-Systemhaus Bechtle in Neckarsulm. Bechtle hat europaweit über 12.000 Mitarbeiter und einen großen Fuhrpark von rund 3.600 Firmenwagen allein in Deutschland. Über 20 Prozent davon haben alternative Antriebe. Unter anderem befinden sich 50 Volkswagen ID.3 in der Flotte. 300 Ladepunkte – einen Einblick eines gewerblichen XXL-Ladeparks von Bechtle finden Sie hier – sind in Betrieb und teilweise an eine Photovoltaikanlage angeschlossen. 100 weitere sollen wegen des stark wachsenden Anteils von Autos mit Ladestecker in Kürze hinzukommen. Hierbei geht der Anteil von Batterie-elektrischen Fahrzeugen in die Höhe und der von Plug-in-Hybriden sinkt.

Drautz betont, dass es längst nicht mehr darum geht, ob Elektromobilität sich in der Flotte durchsetzt, sondern nur noch darum, wie das gestaltet wird. Die aktuell noch bedeutenden Plug-in-Hybride sieht er als Wegbereiter fürs reine Fahren mit Strom, und CO2-Emissionen der Verbrennungsmotoren werden durch Zertifikate kompensiert.

„Welche Struktur muss geschaffen werden, um allen Aspekten der Elektromobilität gerecht zu werden?“ Diese Frage stellt Uli Drautz und teilt bei Bechtle vier Komplexe ein: Die Gebäude – also Ladeinfrastruktur, Stromfluss und Photovoltaik –, die Nachhaltigkeit mit den Emissionszielen an sich, den eigentlichen Fuhrpark mit seinen Kosten und Prozessen sowie die Mitarbeiter, deren Dienstwagenwahl und Besteuerung. Das, so Bechtle, sei deutlich aufwändiger als früher mit der Dieselflotte. Das Fazit von Drautz ist allen Herausforderungen zum Trotz bisher eindeutig positiv: „Elektromobilität macht Spaß“.

Dreier-Diskussion in der Zwischenzeit

Im anschließenden Dreier-Panel von Ewert (chargeBIG), Siegert (EnBW) und Drautz (Bechtle) kam Leben in die Diskussion: So regte Peter Siegert an, die Flotten für Hersteller zu öffnen, die nicht aus Deutschland kommen. Uli Drautz wünscht sich generell eine bessere Lieferfähigkeit von Elektroautos. Und Sebastian Ewert verweist nochmal auf die Sektorkopplung, die elementar für die Energiewende ist. Mit Blick auf die die Umsetzung von Ladeinfrastruktur in Fuhrparks heißt das zum Beispiel, das Gebäude- und Flottenmanager selbstverständlich zusammenarbeiten müssen. Eine Zuschauerfrage nach bidirektionalem Laden beantworteten alle Beteiligten vorerst negativ. Es sei noch nicht so weit, heißt es, aber es wird kommen.

Mennekes

Auch Mennekes, Pionier der Ladeinfrastruktur und natürlich des AC-Steckers, hat umfangreiche Erfahrung mit der Elektrifizierung von Firmenflotten. Marco Albrecht berichtet von maßgeschneiderten Lösungen für Unternehmen – angefangen bei Mennekes selbst, wo alle 100 Parkplätze eines neuen Firmengebäudes einen Ladepunkt haben.

Die quantitativ meisten Ladevorgänge, so Albrecht, finden mit Wechselstrom entweder zu Hause oder auf Unternehmensparkplätzen statt. Die Leistungsaufnahme aber müsse gesteuert sein. Stichwort auch hier: Lastmanagement ist unabdingbar, und wie so oft sind die lokalen Netzbedingungen sehr individuell. Der Fragenkatalog für den Endkunden ist umfangreich: Welche Ladeleistung ist in der Fahrzeugflotte erforderlich? Wie ist die kommende Entwicklung? Wie muss abgerechnet werden?

Mennekes liefert neben dem Professional Ladesystem inklusive Lastmanagement auf Basis einer ausführlichen Analyse auch Softwarelösungen. Die Abrechnung über die markeneigene Charge Cloud ist Teil eines Gesamtsystems. Alles aus einer Hand, das kennzeichnet die Full Service-Anbieter, und selbstverständlich unterstützt Mennekes die Firmen auf dem Weg durch den Förderdschungel.

Marco Albrecht verweist bei der Software auf die zukünftige Implementierung von Plug & Charge nach ISO 15118: Die Identifikation, Freischaltung und Abrechnung an einem Ladepunkt erfolgen automatisch nach dem Anstecken. Das wird zu einer weiteren Vereinfachung im Alltag der Endnutzer führen.

Fraunhofer IAO

Dass betriebliche Mobilität nicht nur das Auto bedeutet, erklärt Stefan Schick vom Fraunhofer IAO. Dieses Institut forscht seit über zehn Jahren zur Integration der Elektromobilität am Arbeitsplatz. Wie kann der Wandel hin zur Nachhaltigkeit gelingen?

Schick weitet in seinem Vortrag zuerst den Blick und verweist auf die grundsätzlichen Vorteile der Elektromobilität: So wären die CO2-Emissionen eines Batterie-elektrischen Autos in der Summe aus Fahr- und Produktionsenergie in jedem Fall geringer als bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Und weil etwa die Hälfte aller Autofahrten auf Dienst- und Pendelstrecken entfällt, ist die Bedeutung von elektrischen Firmenflotten offensichtlich.

In die Software zur Koordination in der Firmenflotte sollten auch externe Mobilitätsdienste integriert werden, empfiehlt Schick. Um von A nach B zu kommen, könnte etwa ein Leihrad oder der ÖPNV genutzt werden: „Die Zusammenführung vieler Funktionen sowie anderer Dienstleister sollte in einer Super-App komfortabel vereint werden“, so Stefan Schick. Erste Apps dieser Art gäbe es bereits. Intermodale Mobilität ist nicht neu, die Integration ins Flottenmanagement wäre es sehr wohl.

Die Fraunhofer-Gesellschaft erschafft aktuell eines der größten Forschungsnetzwerke für Ladeinfrastruktur in Deutschland. Rund 40 Fraunhofer-Institute erhalten in diesem Zuge insgesamt 500 Ladepunkte. Etliche sind bereits installiert. Im April ging das Projekt mit circa 240 Ladepunkten in den Regelbetrieb.

Vattenfall InCharge

Linda Kahlbaum von Vattenfall InCharge schildert am Beispiel des Fuhrparks von Coca-Cola, wie eine Elektrifizierung in der Wirklichkeit aussieht. Vattenfall ist der drittgrößte Energieversorger in Europa und bietet ähnlich wie die Wettbewerber mit InCharge Komplettlösungen an.

InCharge beginnt beim Firmenkunden mit einer ausführlichen Analyse des Bedarfs an Ladepunkten und der Leistungsfähigkeit des Lokalnetzes. Lastmanagement ist selbstverständlich. Aber auch die Frage, wie zum Beispiel der Ladestrom für Gäste abgerechnet wird, gehört zum Paket, das übers Backend gesteuert wird. Einmal mehr wird in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, wie verschieden die Gegebenheiten und Wünsche sind. Einheitslösungen bei der Firmeninfrastruktur gibt es nicht. Bei der Hardware der Ladepunkte bietet InCharge sowohl AC- als auch DC-Punkte an. Der Bestseller ist auch hier eine eichrechtskonforme Wallbox von Keba.

Für diese Wallbox hat sich auch Coca-Cola entschieden. Im Grundsatz sind 22 kW Ladeleistung möglich, und bei einem Engpass wird entsprechend heruntergeregelt. Die gleiche Hardware kommt zu Hause beim Mitarbeiter zum Einsatz.

InCharge bietet unter anderem die Abrechnung der Stromkostenrückerstattung an: Der Dienstwagenberechtigte lädt zu Hause und geht für die elektrische Energie in Vorleistung. Diese Kosten werden eichrechtskonform erhoben und zurückgezahlt, wobei die Abrechnung über den Zwischenanbieter und Kooperationspartner Aral erfolgt.

Diskussion in Dreier-Gruppe

Im offenen Trialog verweist Linda Kahlbaum von Vattenfall InCharge auf die unterschiedlichen Ladeanforderungen für Dienstwagen, die manchmal lange stehen können und in anderen Fällen schnell weiterfahren müssen. Transporter zum Beispiel könnten mittelfristig mit Gleichstrom geladen werden, auch wenn die Infrastruktur dann teurer ist. Marco Albrecht von Mennekes erzählt von zwei aktuellen Bottlenecks: Zum einen betrifft die Chipkrise auch die Anbieter von Hardware, was zu Lieferfristen führt, zum anderen fehlt es an ausreichend Handwerkern, die Ladeinfrastruktur installieren können. Überbordende Bürokratie sei ein weiterer Hemmschuh, so Albrecht. Ohne Digitalisierung funktioniert die Verkehrswende nicht, betont Stefan Schick vom Fraunhofer IAO, was er aber nicht als Bedrohung, sondern als natürliche Chance begreift.

Fazit:

Das Laden von elektrischen Fuhrparks ist auf dem Weg zum Mega-Thema. Einheitslösungen gibt es nicht, das ist eine wesentliche Erkenntnis aus der 13. Ausgabe unserer Online-Konferenz „electrive.net LIVE“. Stattdessen sind die Systemanbieter aufgefordert, individuelle und maßgeschneiderte Antworten anzubieten. Das gilt besonders für die jeweils abrufbaren Ladeleistungen und deren Steuerung. Die Kosten müssen im Rahmen bleiben. Zugleich wollen die Flottenmanager am liebsten alles aus einer Hand haben. Genau dieser Weg ist eingeschlagen. Weil der Hochlauf bei den Dienstwagen zurzeit sehr stark ist, ist zugleich eine hohe Dynamik in der Entwicklung. Alle lernen Stück für Stück und mit hoher Geschwindigkeit dazu.

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