Mercedes wird Anteilseigner bei Batteriezellen-JV ACC

Mercedes-Benz beteiligt sich am europäischen Batteriezellenhersteller Automotive Cells Company (ACC). Der deutsche Autohersteller wird gemeinsam mit Stellantis und Total gleichberechtigter Anteilseigner. Im Zuge dieser Ankündigung nennt der Autohersteller auch weitere Details seiner Batterie-Strategie.

Gegründet worden war ACC vor einem Jahr vom französischen Autokonzern PSA mit seiner deutschen Tochter Opel (jetzt beide Stellantis) sowie dem französischen Energiekonzern Total mit seiner Tochtergesellschaft Saft. Durch die Beteiligung von Mercedes-Benz halten künftig alle drei Seiten 33 Prozent der Anteile, außerdem erhält der deutsche Autobauer zwei der insgesamt sechs Sitze im Aufsichtsrat von ACC. Mercedes rechnet ab Mitte der Dekade mit ersten Zellen und Modulen von ACC für den Eigenbedarf. Mit dem Einstieg der Stuttgarter schrauben die Partner gleichzeitig die Ziele des künftigen Batteriezellen- und -modulherstellers hoch. Statt 48 GWh Output sollen nun „bis Ende des Jahrzehnts Kapazitäten von mindestens 120 Gigawattstunden in Europa“ erreicht werden. Vor diesem Hintergrund soll ACC den Ausbau seines Produktionsnetzwerks um weitere Standorte in Europa prüfen.

Kurzer Rückblick: 2020 einigten sich Total und der heutige Mehrspartenkonzern Stellantis auf die Gründung von ACC. Während Total und Saft einwilligten, ihr Know-how in Forschung und Entwicklung sowie in der Industrialisierung einzubringen, warfen PSA und Opel ihr Wissen über den Automobilmarkt und die Erfahrung in der Produktion in die Waagschale. Ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Bordeaux (Frankreich) ist seitdem bereits in Betrieb genommen worden. Ein Pilotstandort in Nersac in Frankreich wird Ende dieses Jahres die Produktion aufnehmen.

Am Ende der F&E-Phase ist bis dato geplant, die Massenproduktion in zwei „Gigafabriken“ in Douvrin (Frankreich) und Kaiserslautern (Deutschland) zu starten. Dort soll anfangs eine Kapazität von 8 GWh und bis 2030 von 48 GWh erreicht werden. So lauteten jedenfalls die bisherigen Pläne. Die nun neu angestrebte Kapazitätenerweiterung dürfte angesichts des benötigten Planungsvorlaufs wohl eher über die Errichtung weiterer Fabriken erreicht werden, als durch die Erweiterung der bereits avisierten Werke. Offiziell bestätigt ist dies allerdings nicht.

In seinem zuvor bekannten Maßstab mit Douvrin und Kaiserslautern als Produktionsstandorte profitiert das Projekt von der finanziellen Unterstützung der französischen und deutschen Behörden in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Außerdem wurde es von den europäischen Institutionen als IPCEI-Projekt bewilligt. War bei der Gründung vor einem Jahr noch von einer Gesamtinvestition in ACC von „mehr als 5 Milliarden Euro“ die Rede, erhöht sich dieser Betrag durch den Einstieg von Mercedes und die damit verbundenen Erweiterungspläne auf „mehr als sieben Milliarden Euro“. Diese sollen laut einer Mitteilung des Stuttgarter Autobauers durch eine Kombination aus Eigenkapital, Fremdkapital und öffentlicher Förderung aufgebracht werden.

Mercedes-Benz selbst will im kommenden Jahr einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag und in den kommenden Jahren weitere Summen investieren. In Gänze sollen die Investitionen jedoch „unter einer Milliarde Euro“ bleiben. Die Transaktion unterliegt dabei noch den üblichen Vollzugsbedingungen und behördlichen Genehmigungen.

Seine aktualisierte Elektro- und Batterie-Strategie hatte Mercedes bereits im Juli im Rahmen eines Investorentags umrissen. Die Schlüsselpunkte dabei: Mercedes will bis 2030 rein elektrisch werden, „wo immer die Marktbedingungen es zulassen“ und dafür 2025 gleich drei neue reine E-Plattformen präsentieren. Außerdem sollen die Antriebstechnologien insourcen und in die Wertschöpfung der benötigten Batterien einsteigen. Den globalen Bedarf beziffert Daimler auf mehr als 200 GWh. Schon im Juli gaben die Stuttgarter vor diesem Hintergrund an, gemeinsam mit Partnern weltweit acht Gigafactorys zur Zellfertigung aufbauen zu wollen. Mit ACC ist nun der erste Partner offiziell bekannt. Außerdem präzisiert Mercedes, dass vier der acht Zellwerke in Europa entstehen sollen.

Das „Manager Magazin“ hatte Ende Juli ergänzend berichtet, dass eine dieser für Europa geplanten Werke in Kölleda in Thüringen entstehen solle – im oder nahe des dortigen Daimler-Motorenwerks. Kölleda als Standort sei laut den Beteiligen gesetzt, unklar sei noch der Partner, hieß es in dem Bericht. Daimlers aktueller Lieferant CATL baut bekanntlich im nicht weit entfernten Erfurt sein Europa-Werk, um dort etwa für BMW Zellen zu fertigen. Nahe liegt also eine Partnerschaft mit den Chinesen oder eben mit ACC.

So oder so. Die Stuttgarter planen ebenfalls eine Art „Einheitszelle“, gehen aber wohl nicht so weit wie der VW-Konzern. „Die nächste Batteriegeneration wird hochgradig standardisiert und für den Einsatz in mehr als 90% aller künftigen Mercedes-Benz Pkw und Vans geeignet sein. Gleichzeitig wird sie sehr flexibel sein, um allen Kundinnen und Kunden von Mercedes-Benz individuelle Lösungen anzubieten“, teilte Mercedes im Juli mit. Nun gibt es dazu weitere Details. Als Basis dient demnach ein modular, hochgradig standardisierter Batteriebaukasten, der durch einheitlich konstruierte Komponenten und Schnittstellen die Integration von Batteriezellen und -modulen unterschiedlicher Entwicklungspartner erlaubt. In der aktuellen Mitteilung führt das Unternehmen aus, dass im Zuge der Partnerschaft mit Stellantis und Saft „differenzierende Variationen im Modulbaukasten durch Zellchemie und Zellhöhe optimal dargestellt werden“. Darüber hinaus forsche man an weiteren Technologiesprüngen, zum Beispiel im Hinblick auf Hochsilizium-Anoden- und Festkörperbatterien.

Der Stuttgarter Autobauer will das Joint Venture konkret mit seiner Technologie und seinem Produktions-Know-how bereichern sowie den Ausbau des Produktionsnetzwerks von ACC mit seinen Qualitätsstandards unterstützen. Man werde auch „die High-End-Zellentwicklung ab 2023 mit dem neu geplanten Pilotwerk ‚Mercedes-Benz Drive-Systems Campus‘ in Stuttgart ergänzen“, teilt der Konzern mit. Mercedes-Benz verfolgt bekanntlich seit Jahren Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich der Batterietechnologie, wird nun aber erstmals in der Großserienfertigung aktiv.

„Mercedes-Benz verfolgt eine äußerst ambitionierte Transformationsstrategie. Die Beteiligung ist ein strategischer Meilenstein auf unserem Weg zur CO2-Neutralität. Gemeinsam mit ACC werden wir Batteriezellen und -module in Europa entwickeln und effizient produzieren – maßgeschneidert auf die spezifischen Anforderungen von Mercedes-Benz“, äußert Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG und der Mercedes-Benz AG. „Durch die Partnerschaft sichern wir uns die Lieferumfänge, nutzen Skaleneffekte und können unseren Kundinnen und Kunden überlegene Batterietechnologie bieten. Außerdem leisten wir einen Beitrag dazu, dass Europa ein Zentrum der Automobilindustrie bleibt – auch im Zeitalter der Elektromobilität.“

Yann Vincent, CEO von ACC, bezeichnet den Einsteig von Mercedes-Benz als neuen Anteilseigner als einen wichtigen Meilenstein für ACC. „Mercedes-Benz beweist Vertrauen in unsere Technologie-Roadmap und Produktwettbewerbsfähigkeit. Dies stärkt das Geschäftspotenzial von ACC deutlich und untermauert unsere ehrgeizigen Wachstumspläne. Das ist unser Beitrag zu einer elektrischen und nachhaltigen Zukunft.“ Ziel von ACC sei es, europäischer Marktführer für Batteriezellen und -module zu werden.

In der deutschen Politik sorgt die Ankündigung ebenfalls für Beifall. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier kommentiert den Einstieg von Mercedes folgendermaßen: „Schon jetzt lässt sich absehen, dass in den nächsten Jahren mehrere zehntausend Arbeitsplätze allein in Deutschland in der Batteriezellfertigung entstehen werden. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich hat das Potenzial, dass hieraus ein neuer Batterie-Champion in Europa entsteht. Zusammen mit dem Projekt von Tesla sowie den weiteren 14 Projekten, die wir im Rahmen der europäischen Batterieprojekte fördern, kann Deutschland zu einem Schwerpunkt der weltweiten Batterieproduktion werden. Damit entsteht das bislang erfolgreichste industriepolitische Projekt seit Airbus.“
media.daimler.com, media.stellantis.de, bmwi.de

1 Kommentar

zu „Mercedes wird Anteilseigner bei Batteriezellen-JV ACC“
Hartmut Rauen
27.09.2021 um 09:56
Langfristig entscheidend für eine technologische Souveränität Europas werden europäische Hersteller der Batterieproduktionsmittel für die Zellherstellung sein. Es gilt die Wertschöpfung über die Produktionstechnologien zu beherrschen.

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