Neue Marke BAX: E-Lkw aus dem Zentrum des deutschen Mittelstands

Eine neue Nutzfahrzeug-Marke aus Deutschland tritt auf dem europäischen Markt an: BAX ist das Resultat einer Initiative von BPW Bergische Achsen und Paul Nutzfahrzeuge. Als Erstlingswerk der neuen Marke soll ab Frühjahr 2022 ein elektrischer 7,5-Tonner namens BAX 7.5 in den Handel rollen. Wir stellen die Marke und den E-Lkw vor – einschließlich exklusiver Infos.

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Mit BPW und Paul tun sich zwei familiengeführte Nutzfahrzeugspezialisten aus Deutschland zusammen. Während BPW vor allem als Zulieferer und Mobilitätsdienstleister in der Nutzfahrzeugbranche agiert, ist Paul auf die Herstellung von Sonderfahrzeugen spezialisiert. Die Zusammenarbeit beider Firmen besteht schon seit Jahren, wird mit dem Launch der gemeinsamen Marke BAX nun aber auf eine neue Ebene gehoben. Dazu gleich noch Details. Schauen wir uns zunächst den Anfang August erstmals angekündigten und nun vollumfänglich vorgestellten Debütstromer von BAX an, von dem künftig jährlich rund 1.000 Exemplare hergestellt werden sollen.

Kurz vorneweg: Gegenüber electrive.net gibt BAX an, dass der elektrische 7,5-Tonner ab 155.000 Euro abzüglich 80.000 Euro Förderung des Bundes im Rahmen der aktuelle EU-Förderrichtlinie für Nutzfahrzeuge mit alternativem Antrieb kosten wird. Fahrzeugbetreibern will die Marke je nach Ausstattungswünschen individuelle Angebote schnüren und diese auch bei der Beantragung der Förderung unterstützen.

Jetzt aber zum technischen Datenblatt: Herzstück des neuen E-Lkw ist die Hinterachse von BPW. Die Komponente namens „eTransport Achse“ wird schon länger verbaut, unter anderem von Paul Nutzfahrzeuge. Die Bayern rüsten kommunale Lkw mit dieser Lösung seit 2018 auf E-Antriebe um – etwa den Mercedes-Benz Vario. Nun erhält die Achse also eine Hauptrolle im gemeinsam konzipierten Neufahrzeug von BPW und Paul. Sie soll besonders bauraumoptimiert sein und dadurch Gewichtsvorteile bringen, die der Zuladung zugutekommen.

Machen wir es konkret: Das reine Chassis-Gewicht des BAX 7.5 beträgt 3,5 Tonnen, sodass das Modell eine Netto-Nutzlast von vier Tonnen schultern kann. Da auch Aufbauten Kilos kosten, beträgt die reale Zuladung in der Variante Kofferaufbau und Ladebordwand drei Tonnen. „Mancher Diesel-Lkw der 8-Tonnen-Klasse kommt an diesen Wert nicht heran“, betont BAX. Was das Ladevolumen angeht, sprechen die Hersteller von 15 Europaletten, die in dem E-Lkw Platz finden.

Die hohe Zuladung des BAX erklärt sich dem Initiatoren-Duo zufolge vor allem aus der Antriebstechnik: Sie sitzt nicht wie bei vielen Batterie-elektrischen Lkw üblich vor oder unter dem Fahrer, sondern in der Hinterachse: Integriert sind zwei E-Motoren mit je 3.290 Nm Drehmoment und je 50 kW Antriebsleistung. Die maximale Achslast beziffert BPW auf 5,6 Tonnen. Und: Das Antriebskonzept, das sich laut dem Zulieferer seit 2018 bei der elektrischen Umrüstung von Lkw bewährt, benötige weder Differenzialachse noch Kardanwelle, was das Modell leicht und wartungsfreundlich machen soll.

Grundsätzlich wird der BAX 7.5 in zwei verschiedenen Radständen – 3.465 und 4.475 mm – angeboten. Der Wendekreis liegt mit 16,4 Metern auf klassenüblichem Niveau. Durch eine große Aufbauten-Auswahl kann das Modell vom Container-Shuttle über den Hubsteiger oder Tankwagen bis zum Müllfahrzeug individualisiert werden. Als Batteriepakete stehen 84 oder 126 kWh Energiegehalt zur Auswahl – und zwar mit Technologie aus dem BMW i3. Mit der Integration dieses Batterietypus hat BPW schon länger Erfahrung. Mit dem „Long Range“-Batteriesatz fährt der BAX 200 Kilometer weit, die „Medium Range“-Version ist für 130 Kilometer und damit für die die City-Logistik ausgelegt. Die Werte spiegeln laut BPW reale Alltags und keine Prüfstandsbedingungen wider.

Geladen werden kann der 7,5-Tonner mit 22 kW AC oder mit 100 kW DC. Letzterer Ladevorgang soll im Ladefenster von 20 auf 80 Prozent SoC (State of Charge) weniger als 40 Minuten betragen.

Was das Design angeht, heben die Hersteller vor allem das niedrig angebrachte Fahrerhaus („auf Augenhöhe mit Radfahrern“) und den dadurch erleichterten Ein- und Ausstieg hervor. Hinzu kommt ein Fahrassistenzpaket, unter anderem mit Spurhalteassistent, Notbrems- und Abbiegeassistent und einer Rückfahrkamera. Zu den serienmäßigen Komfort-Features gehören Klimaanlage, Sitzheizung, Freisprecheinrichtung und Apple Carplay/Android Auto.

Zur Vernetzung ist das Fahrzeug ab Werk mit einem Transport-Telematiksystem des Unternehmens idem telematics ausgerüstet. Dadurch können der Fahrer, aber auch der Fuhrparkmanager oder Disponent in der Zentrale sämtliche Fahrzeug-, Batterie-, Tour- und Zuladungs-Daten in Echtzeit online einsehen.

Die Arbeitsteilung bei der Herstellung und Vermarktung des BAX 7.5 gestaltet sich wie folgt: BPW entwickelt neben der Antriebstechnik auch die Vernetzung sowie Systemintegration des Fahrzeugs und agiert als Generalunternehmer mit der Verantwortung für Vermarktung, Vertrieb und Service. Paul übernimmt die mechanische Integration sämtlicher Antriebs-Komponenten an seinem Sitz im niederbayerischen Vilshofen sowie die Homologation für den gesamteuropäischen Markt. Beide Unternehmen arbeiten wie eingangs erwähnt seit Jahren bei der Umrüstung von Lkw von Diesel- auf Elektroantrieb zusammen.

Der BAX 7.5 ist bereits bestellbar – „schon vor der offiziellen Fahrzeugpremiere gingen verbindliche Bestellungen ein“, gibt die neue Marke bekannt. In Deutschland sollen erste Exemplare ab Frühjahr 2022 ausgeliefert werden. Den Verkaufsstart in ganz Europa peilt BAX für Mitte 2022 an. Dabei kann das Fahrzeug wahlweise schlüsselfertig inklusive Aufbau geliefert oder nur das Chassis bestellt und der Aufbau in Eigenregie vorgenommen werden.

Auf Anfrage von electrive.net gibt BAX bekannt, aktuell für 2022 die Produktion von rund 200 Exemplaren des 7.5 zu planen. In den darauffolgenden Jahren sei zudem eine deutliche Steigerung mit einer Jahresproduktion von 1.000 Fahrzeugen avisiert. Zu den bereits eingegangenen Bestellungen präzisiert die Pressestelle der Marke, dass die Vorbestellungen und Anfragen „von namhaften Spediteuren, aber auch von Nutzfahrzeughändlern sowie Möbelhäusern, Kurier- und Paketdiensten und auch kommunalen Unternehmen“ stammen.

Zur Entwicklung des 7,5-Tonners haben BPW und Paul nach eigenen Angaben übrigens mit einem ähnlich lautenden Mix an Firmen zusammengesessen, nämlich mit „Transportunternehmen, kommunalen Fahrzeugbetreibern und Lkw-Aufbauten-Herstellern“. Davon solle nun „die kompromisslose Alltagstauglichkeit und Praxisorientierung“ des Fahrzeugs zeugen. Als Signal, dass es sich um einen E-Lkw „von Profis für Profis“ handelt, ist auch die Premiere des BAX 7.5 dieser Tage auf der Jahreshauptversammlung des Bundesverbands eMobilität (BEM) zu verstehen. Die Botschaft: Hier kommt ein Fahrzeug aus der Mitte der mittelständischen deutschen Nutzfahrzeugindustrie.

An der Marke BAX soll dementsprechend vieles „typisch deutsch“ sein. Diese Klassifizierung beziehen die Initiatoren sowohl auf den Leistungs- und Qualitätsanspruch als auch auf die Abstammung. BPW sitzt im nordrhein-westfälischen Wiehl, Paul Nutzfahrzeuge im bayerischen Vilshofen. Beides sind familiengeführte Unternehmen, die sich als Innovations- und Transformationstreiber verstehen. Und: Beide wurden bereits vor rund 120 Jahren gegründet und gingen jeweils aus einem Schmiedebetrieb hervor.

Diese Ähnlichkeit der Unternehmenskulturen bezeichnen Paul und BPW auch als maßgeblich dafür, dass das BAX-Projekt so schnell umgesetzt werden konnte. Beide Unternehmen verleugnen dabei nicht, dass das Timing der EU-Kommission nicht besser sein könnte: Im Juli hatte die Kommission die Förderrichtlinie für Nutzfahrzeuge mit alternativen Antrieben genehmigt. Dabei handelt es sich um ein 507,5 Millionen Euro schweres Förderprogramm für die Beschaffung von Batterie-, Brennstoffzellen- und hybridelektrischen Fahrzeuge, der entsprechenden Tank- bzw. Ladeinfrastruktur sowie Machbarkeitsstudien. Nutzfahrzeuge werden bis zu 80 Prozent der Investitionsmehrausgaben im Vergleich zu einem Dieselfahrzeug gefördert. Wie eingangs erwähnt, profitiert davon auch der BAX 7.5.

Auf Nachfrage bestätigt BAX übrigens, dass es schon Pläne für weitere Fahrzeuge gibt: „Wir haben bereits Konzepte für weitere Antriebsachsen in Arbeit, bis in den Schwerlastbereich. Die Entwicklung ist jedoch sehr kostspielig. Wir versuchen deshalb, gemeinsam mit Partnern, zum Beispiel der RWTH Aachen, einen OEM zu finden, der mit uns eine Entwicklungspartnerschaft eingeht“, heißt es aus der Pressestelle.
newsroom.bax.de (BAX 7.5), newsroom.bax.de (BPW und Paul)

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