Hyundai Ioniq 5: Für Technikaffine mit Platzbedarf
800 Volt Batteriespannung, V2L-Ausgang und 1,6 Tonnen Anhängelast: Der Hyundai Ioniq 5 richtet sich an Technikaffine, die viel Platz brauchen. Diese Zielgruppe kann mit dem Auto glücklich werden, sollte sich aber auch einiger Details bei Antrieb, Laden und Assistenzsystemen bewusst sein – und nicht die wichtige Preisgrenze für die Dienstwagen-Besteuerung reißen.
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Der Hyundai Ioniq 5 ist der Pionier: Kein anderes Elektroauto in diesem Segment arbeitet mit 800 Volt Spannung im Batteriesystem. Die formalen Vorteile dieses Aufbaus sind unter anderem eine höhere innere Effizienz und eine krasse Ladeleistung, die im Fall des Ioniq 5 bei bis zu 220 Kilowatt (kW) liegt. Der Konkurrent Volkswagen ID.4 kommt derzeit auf maximal 125 kW. Das ist eine andere Welt. Allerdings zeigte der Hyundai im Praxistest, dass die Euphorie, die in der Szene nach der Präsentation herrschte, durch Temperaturempfindlichkeit, relativ hohen Stromverbrauch und mehrere Detailschwächen gedämpft wird.
Der Hyundai Ioniq 5 hat anders als ein Tesla Model 3 oder ein Audi e-tron GT keinen Routenplaner mit Vorkonditionierung. Ladestopps müssen händisch gefiltert und als Wegpunkte integriert werden. Und während zum Beispiel der e-tron GT pro Fahrminute ungefähr ein Grad Celsius Batterie-Innentemperatur durch gezielte Vorheizung überwinden kann, passiert beim Hyundai nichts dergleichen. Bei einem Provokationstest, bei dem bereits nach 35 Autobahnkilometern an eine Ionity-Säule gefahren wurde, waren bei einem Start-SoC (Abkürzung für State of Charge) von 41 Prozent nur gut 50 kW Ladeleistung abrufbar. Eigentlich sollten es über 200 kW sein, wie die bei Fastned hinterlegte Kurve zeigt. Offensichtlich war die Idealtemperatur in der Batterie nicht erreicht.
Auch bei einem zweiten DC-Stopp rund 100 zügige Autobahnkilometer weiter war die Ladeleistung nur teilweise abrufbar: Bei einem SOC von 18 Prozent zeigte das Display 113 kW an. Ein Wert, der zusehends anstieg. Nach 24 Minuten war ein SOC von 80 Prozent erreicht, und 52 frische Kilowattstunden (kWh) waren im Speicher.
52 kWh in 24 Minuten sind top – aber weniger als versprochen
Es sollen keine Missverständnisse aufkommen: Dieser Hub entspricht einer durchschnittlichen (!) Ladeleistung von 130 kW. Das bedeutet nicht weniger, als dass der Ioniq 5 den ID.4 deklassiert. Hyundai aber verspricht mit 169 kW im Mittel von zehn auf 80 Prozent nochmals 30 Prozent mehr. Dass der Ioniq 5 auch in die andere Richtung sensibel ist, hatte jüngst Björn Nyland festgestellt: Auf seinem üblichen 1.00o-Kilometer-Test überhitzten die Zellen während des Schnellladevorgangs und der Wagen reduzierte in der Folge die Leistung des Elektromotors.
Hätte der Hyundai Ioniq 5 einen Routenplaner mit automatischer Integration von Ladestopps und Vorkonditionierung der Batterie, wäre also ganz sicher viel mehr möglich gewesen. Die Pressestelle teilt auf Anfrage mit, dass der Ioniq 5 prinzipiell OTA-fähig wäre, also ein drahtloses Software-Update erhalten könne. Darüber, ob und wann das der Fall ist, gibt es keine Auskunft.
Technikaffine Käufer:innen werden sich ohnehin an den weiteren Features erfreuen. So kann auch die Basisversion mit einem V2L-Connector als äußere Stromversorgung umfunktioniert werden. Der Adapter kostet im Zubehör 399 Euro. Und auch die Wärmepumpe kann für jede der vier Ausstattungslevels geordert werden, falls sie nicht serienmäßig verbaut ist.
Hinzu kommt, dass der Hyundai Ioniq 5 mit großem Akku eine Anhängelast von 1,6 Tonnen bei zwölf Prozent Steigung bietet. Zugegeben, die braucht nicht jeder. Aber der Unterschied zu den 1.000 Kilogramm des Volkswagen ID.4 bedeutet, dass der eine nur einen Leichtwohnwagen ziehen kann, während der andere für einen Familien-tauglichen Caravan gut ist.
Familien profitieren außerdem vom üppigen Platzangebot. Hier ist viel Raum. Auch für Menschen über 1,90 Meter Körpergröße. Oder für jene, die sich mit mehr Innenbreite besonders wohl fühlen. Lichte Weite überall. Der Hyundai Ioniq 5 setzt sich in diesem Punkt aber nicht von den Wettbewerbern auf Basis des Volkswagen MEB ab. Die sind ebenfalls groß. Ausnahme eins: Die verschiebbare Rückbank. Zweite Ausnahme: ID.4, Enyaq und Q4 e-tron haben keinen Frunk. Der im Ioniq 5 wiederum muss über drei Hebel geöffnet werden. Zuerst im Fußraum, dann über jenen für die vorderen Haube und dann über einen dritten für die Plastikabdeckung des Frunks. Wie es simpler und darum besser geht: Siehe Tesla. Von dort hätte man sich bei der Gelegenheit analog zu Volkswagen gerne abgucken können, wie man den Startknopf überflüssig macht.
Eine in der Lebensrealität größere Schwäche bei der Funktionalität ist, dass der Hyundai Ioniq 5 keinen Heckscheibenwischer hat. Bei frühherbstlichen Testbedingungen fiel auf, dass nach wenigen Metern im Regen der Durchblick nach hinten nahe null ist. Das Spardiktat ist auch an anderen Stellen wie den Köpfen der Bedienhebel sichtbar, die so billig wie aus einem ID.3 wirken.
Leider kann der Ioniq 5 nicht dem Image gerecht werden, das der Ur-Ioniq geprägt hat: Während der klassische Ioniq das Symbol für Effizienz schlechthin ist, hat der Ioniq 5 einen hohen Stromverbrauch. Das gilt selbst im Vergleich zur Konkurrenz: 22,3 kWh/100km ohne und 24,9 kWh/100km inklusive Ladeverlusten sind viel. Zwar gab es manchmal Wind und Regen, das erklärt die Differenz zu einem im Mai geprüften ID.4 (18,6/20,1 kWh/100km) trotzdem nur teilweise.
Auf der Autobahn mit Richtgeschwindigkeit (Anzeige dabei: 133 km/h) lag der Wert bei 26,7 kWh/100km, woraus rechnerisch 272 Kilometer Reichweite resultieren. Bei norddeutschem Gegenwind stieg der Stromverbrauch auf 30 kWh, und als der Tempomat unter diesen Bedingungen für eine Stichprobe auf 160 km/h gestellt wurde, waren es 40 kWh. Nach 180 Kilometern wäre also Schluss.
160 kW sind mehr als genug
Power hat der Ioniq 5 übrigens auch mit der von electrive.net gefahrenen Heckantriebsversion mehr als genug: 160 kW mögen nicht allzu viel erscheinen. 7,4 Sekunden bis 100 km/h sind aber zackig und mehr als eine Sekunde weniger als beim vergleichbaren ID.4. Das Fahrwerk ist eher auf Komfort getrimmt, und der Ioniq 5 geht wankend durch Kurven.
Angesichts dieser komfortablen Grundabstimmung irritiert die – nennen wir es sportliche – Abstimmung der Antriebsschlupfregelung: In engen Kurven und auf nasser Straße neigt der Hyundai zu Heckschwenks. Das ist zwar nicht unsicher, weil viele Fahrer:innen das ebenso in den Griff bekommen wie im Notfall das ESP. Es kann sich für Unbedarfte aber schlecht anfühlen, und Gefühle sind relevant.
Bevor wir zum Preis kommen, müssen noch die Assistenzsysteme erwähnt werden. Sie befinden sich beim Hyundai Ioniq 5 nicht auf dem Stand der Wettbewerber. In Auszügen: Der Hyundai hat kein automatisches Wiederanfahren nach dem Stillstand. Die Verkehrszeichenerkennung inklusive Übernahme der Geschwindigkeit arbeitet nur rudimentär. Die Mittelspurführung ist so nervös, dass man sie freiwillig abstellt. In langgezogenen Autobahn-Linkskurven erkennt das ACC Lkws auf der rechten Spur bisweilen als Hindernis und verzögert, obwohl man auf der Überholspur ist. An der roten Ampel machen die Sensoren eine Einparksituation aus und fangen an zu piepen. Die Summe dieser scheinbaren Kleinigkeiten zeigt, dass die Wettbewerber hier einen Schritt weiter sind.
Top-Ausstattung reißt die 60.000 Euro brutto
Firmenkunden sollten bei der Auswahl von Batterie, Motorisierung und Ausstattung die Grenze von 60.000 Euro beachten: Ab dieser Schwelle ist die Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung nicht mehr auf ein Viertel, sondern nur noch auf die Hälfte reduziert.
Der Basispreis vor Förderung liegt bei 41.900 Euro. Für die meisten Anwendungen dürfte der Aufpreis von 3.200 Euro für die 72,6 statt 58 kWh netto fassenden Batterie gut investiert sein. Wer jetzt zum Allradantrieb (225 kW) und zusätzlich zur Topversion Uniq für 11.850 Euro greift, reißt schon ohne Sonderfarbe die Hürde von 60.000 Euro. Weniger kann für Dienstwagenfahrer also mehr sein. Die zweithöchste Linie Techniq könnte für die meisten Zwecke ausreichend sein, zumal hier bereits die Innensteckdose mit 230 Volt enthalten ist. Und selbst die Basisversion ist keineswegs nackt.
Fazit
Der Hyundai Ioniq 5 bietet fraglos viel Elektroauto fürs Geld. Die hohe Ladeleistung macht ihn besonders alltagstauglich, und er hat viel Platz. Dass der Stromverbrauch tendenziell hoch ist und es Abstriche im Detail gibt, wird nicht jeden Interessenten stören. Und manche werden schon darum zum Hyundai Ioniq 5 greifen, weil er anders und vielleicht weniger langweilig als die Wettbewerber ist.
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