VW: Konflikt zwischen Diess und Betriebsrat spitzt sich offenbar zu
Der VW-Betriebsrat soll Medienberichten zufolge Konzernchef Herbert Diess das Misstrauen ausgesprochen haben. Im Aufsichtsrat wurde nun ein Vermittlungsausschuss eingesetzt. Bei dem Streit geht es bekanntlich um einen möglichen massiven Stellenabbau – aber auch die Rolle der einzelnen Werke bei dem Umstieg zur Elektromobilität.
Wie unter anderem das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Unternehmenskreise berichtet, hat sich nicht nur der Betriebsrat gegen Diess gestellt, auch Aufsichtsratsmitglied und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil soll von Diess abgerückt sein – beide Parteien waren dem Bericht zufolge sehr unglücklich über die vorangegangenen Aktionen von Diess. Als er etwa bei der Aufsichtsratssitzung Ende September einen Abbau von 30.000 Stellen in den Raum gestellt habe. Oder mit dem Vorhaben, zu einer Investorentagung in die USA zu fliegen anstatt an der für diesen Donnerstag in Wolfsburg angesetzten Betriebsversammlung teilzunehmen. Dass er zu seiner im Gegenzug angesetzten Info-Veranstaltung Betriebsratschefin Daniela Cavallo nicht eingeladen hatte, war offenbar eher unwichtig.
In dem ausgesprochenen Misstrauen und dem nun eingesetzten Vermittlungsausschuss sieht das „Handelsblatt“ den „Auftakt einer Diskussion, an deren Ende er seinen Posten verlieren könnte“. Neben dem Ärger über den möglichen Stellenabbau und dem internen Auftreten gegenüber dem mächtigen Betriebsrat soll es laut dem Bericht im Aufsichtsrat auch Kritik am operativen Geschäft gegeben haben – etwa den Zahlen aus China und dem problematischen Anlauf neuer Modelle.
Während der Betriebsrat auch nach dem Wechsel an der Spitze von Diess’ jahrelangem Kontrahenten Bernd Osterloh zu Daniela Cavallo den Konzernchef heftig kritisiert, steht laut dem „Handelsblatt“ die Porsche SE weiter hinter Herbert Diess. Die Holding, in der die Familien Pirsche und Piëch ihre Anteile gebündelt haben, sei zwar nicht in dem Vermittlungsausschuss vertreten, sei aber in die Gespräche eingebunden.
Bis der Vermittlungsausschuss zu einem Ergebnis kommt – möglicherweise bis Anfang Dezember – werden wichtige Entscheidungen im operativen Geschäft ausgesetzt. Dazu zählen etwa noch nicht freigegebene Investitionen. Einige Insider sprechen aus diesem Grund davon, dass der Konzern derzeit „blockiert“ sei.
Herbert Diess will den Konzern weiter auf die Elektromobilität trimmen und etwa die hausinterne Software-Entwicklung stärken. Zudem sollen die Werke effizienter werden – am Beispiel des Stammwerks Wolfsburg war der Konflikt mit dem Betriebsrat zuletzt eskaliert. Der Betriebsrat hat sich dabei nicht gegen den Wandel zur Elektromobilität ausgesprochen, sondern vielmehr die Art und Weise, wie Diess seinen Kurs vorantreibt.
Es hatte sich zwar wie berichtet als Kompromiss abgezeichnet, dass Wolfsburg die Überlaufproduktion des ID.3 und ID.4 aus Zwickau erhalten könne – und somit noch vor dem für 2026 angekündigten E-Flaggschiff in die Elektroauto-Produktion einsteigen würde. Die sogenannte Planungsrunde, in der Volkswagen Modelle auf die weltweiten Werke verteilt (und so deren Auslastung beeinflusst) musste zuletzt von Mitte November auf Dezember verschoben werden.
Bei der Betriebsversammlung am Donnerstag hat Diess seinen Kurs wenig überraschend verteidigt. „Die Zukunft ist elektrisch. Und digital“, so Diess laut dem Redemanuskript. „Mit unserer NEW AUTO Strategie können wir den größten Wandel seit der Erfindung des Automobils Anfang des 20. Jahrhunderts schaffen.“ Er betonte, dass gemäß dieser Strategie der Verkauf der Verbrenner den Wandel zum „elektrischen digitalen vollvernetzten Auto“ finanziere – allen voran die in Wolfsburg gebauten Golf und Tiguan.
Aber: „Ja, ich mache mir Sorgen um Wolfsburg!“ Bleibt aus seiner Sicht der Wandel aus, deutet Diess erneut einen möglichen Stellenabbau an: „Mein Appell daher an Sie: Steuern Wir um! Machen Wir Volkswagen zukunftssicher. Ich möchte, dass Ihre Kinder und Enkelkinder auch 2030 noch einen sicheren Job hier bei uns in Wolfsburg haben können. Darum geht es mir heute. Deswegen bin ich da.“
Große Hoffnungen setzt Diess auf den Trinity. „Trinity ist für Wolfsburg aber nicht nur die Bezeichnung für ein Auto, sondern für den gesamten Wandel: wir planen schnellere Produktionszeiten und effizientere Formen der Zusammenarbeit“, so der Konzernchef. „Es ist die Revolution für Wolfsburg. Mit diesem Projekt werden wir Auto-Produktion völlig neu denken.“
Betriebsratschefin Daniela Cavallo bekräftigte ihre Forderung nach einem vorzeitigen E-Modell für den Standort und forderte vom Vorstand mehr Verlässlichkeit ein. „Uns ist eindeutig bewusst, dass sich sehr viel im Zuge der Elektromobilität und Digitalisierung verändern wird, sogar muss, damit wir auch zukünftig konkurrenzfähig und erfolgreich sein können“, so Cavallo. „Wir brauchen aber schon vor 2026 ein weiteres E-Modell für Wolfsburg.“
Übrigens: Zu der von Cavallo kritisierten Nähe zu Tesla („Da muss ich Ihnen ehrlich sagen: die Faszination, die Sie offenbar gegenüber Herrn Musk empfinden und den Elan, den Sie in die Kontaktpflege mit ihm stecken, das würden wir Beschäftigten uns auch für unsere aktuell großen Herausforderungen im Konzern sichtbar wünschen.“) sagte Diess: „Ich werde oft gefragt, warum ich uns andauernd mit Tesla vergleiche. Ich weiß, dass es einige nervt. Aber es ist meine Aufgabe und die des gesamten Managements den Wettbewerb richtig einzuschätzen, den Konzern darauf vorzubereiten und zukunftssicher zu machen.“ In der Verbrenner-Welt sei VW „Spitze“. In der „neuen Welt“ seien aber andere Stärken gefragt. „Vor allem Software wird darüber entscheiden, wer sich wie viel Marktanteile sichern kann“, so Diess. „Heute setzt hier Tesla die Standards. Die bauen das Auto um die Software herum.“
handelsblatt.com, automobilwoche.de (Redemanuskript Diess), automobilwoche.de (Redemanuskript Cavallo)
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