Heliox: Von der Grob- zur Feinjustierung des Megawatt-Ladens

Wie laden E-Lkw künftig auf Fernstrecken? Das ist eine zentrale Frage, die das HoLa-Projekt zum Hochleistungsladen von Lkw entlang der A2 zwischen Berlin und Dortmund beantworten soll. Heliox ist als Projektpartner an zwei Standorten für die Ladeinfrastruktur verantwortlich. Wir haben mit Christoph Liehr, Senior Business Development Manager DACH bei Heliox, über die Herausforderungen des Lkw-Ladens gesprochen.

Bei Heliox denkt man sofort an Elektrobus-Schnellladesysteme. Dafür sind die Niederländer in erster Linie bekannt. Bestes Beispiel ist eine enorme Ladeanlage des Unternehmens am Amsterdamer Flughafen Schiphol, an der gut 100 Busse aufgeladen werden und die sich sowohl aus Depotgeräten als auch aus leistungsstärkeren Opportunity Chargern zusammensetzt. In Deutschland sind Heliox-Lader unter anderem für E-Busse in Wiesbaden (Ladeinfrastruktur für 56 E-Fahrzeuge), Jena, Bonn, Köln oder auch Hamburg in Betrieb.

Knowhow zum Nutzfahrzeug-Laden ist bei Heliox also reichlich vorhanden. Trotzdem bedarf es in Form des im September gestarteten HoLa-Projekts eines branchenweiten Kraftakts, um die Erkenntnisse auf den Lkw-Fernverkehr zu übertragen. Warum das so ist, erläutert Christoph Liehr, Senior Business Development Manager DACH bei Heliox, im electrive.net-Interview.

Zu HoLa folgende Eckdaten vorab: In dem vom BMVI als Innovationscluster geförderten Projekt errichten und erproben rund ein Dutzend Partner an vier Standorten je zwei Hochleistungsladepunkte im realen Logistikbetrieb. Zunächst werden acht CCS-(Combined Charging System)-Ladepunkte installiert, erst im Nachgang dann Hochleistungsladepunkte mit MCS-(Megawatt Charging System-)Technologie. Heliox ist innerhalb des Projekts für die Errichtung der Lader an zwei Logistikzentren in Dortmund und Berlin zuständig.

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Herr Liehr, Heliox hat seine Wurzeln im Ladeinfrastruktur-Geschäft für E-Busse und realisiert dort schon länger Anlagen mit bis zu 600 kW Ladeleistung. Warum lässt sich das nicht einfach eins-zu-eins auf E-Lkw übertragen?

In der Tat ist Heliox bereits bestens vertraut mit den Anforderungen beim Laden von Batterie-elektrischen Nutzfahrzeugen mit hohen Ladeleistungen. Dennoch bedarf das Laden von E-Lkw im Megawatt-Bereich zusätzlicher Anstrengungen. Hierzu gehört die Übertragung der hohen Leistung über das Ladekabel und den Stecker. Darüber hinaus müssen für E-Lkw andere Betriebsanforderungen berücksichtigt werden, damit die Abläufe in der Logistik reibungslos funktionieren und Standzeiten minimiert werden.

Welche Faktoren ähneln sich konkret beim Laden von E-Bussen und E-Lkw? Und wo müssen für E-Lkw Innovationen her?

Grundsätzlich werden in beiden Segmenten Kunden im B2B-Bereich bedient, wobei der Verfügbarkeit der Fahrzeuge in Verbindung mit der Ladetechnik eine sehr hohe Relevanz zukommt. Die Ladevorgänge müssen sich optimal in die Betriebsanforderungen der E-Lkw-Kunden einfügen, sodass die Ladepunkte beim Eintreffen der Fahrzeuge verfügbar sind und die geforderte Ladeleistung sofort abrufbar ist. Hier sind beispielsweise Reservierungen für Ladepunkte denkbar oder zugangsbeschränkte Bereiche. Des Weiteren sind Innovationen notwendig, um in einem weiteren Schritt Ladevorgänge automatisiert stattfinden zu lassen.

Was können Sie uns zu den geplanten HoLa-Ladeanlagen an technischen Daten nennen? Wie sind die Standorte genau beschaffen und welche Optik werden die Lader haben?

In Summe werden im HoLA-Projekt vier Standorte mit Ladetechnik ausgestattet. Davon befinden sich zwei entlang der Autobahn A2. Zudem werden zwei Logistikstandorte mit Ladetechnik ausgestattet – im Gewerbegebiet in Dortmund sowie im Hafen von Berlin. Die Standorte müssen vor allem genügend freie Flächen vorweisen, damit die Ladeinfrastruktur errichtet werden kann. Zudem sollte im räumlichen Zusammenhang die erforderliche Netzanschlussleistung verfügbar sein. Der Betrieb mit dem CCS-Standard ist für das Jahr 2023 geplant. Die Erweiterung auf eine Leistung von 1 MW erfolgt dann im Jahr 2024. Die 500 km lange Strecke zwischen Berlin und Dortmund ist eine der Hauptrouten des europäischen Fernverkehrs und eignet sich hervorragend, um das Zusammenspiel von E-Lkw und Ladeinfrastruktur auf längeren Korridoren zu testen.

Was sind die zentralen Herausforderungen beim späteren Umstieg von CCS- auf MCS-Standard?

Die wesentlichen Herausforderungen ergeben sich im Umgang mit den hohen Spannungen und Strömen unter Berücksichtigung der Nutzerfreundlichkeit der Ladeinfrastruktur im täglichen Einsatz. So stellt die Übertragung der großen Leistungen hohe Anforderungen an die Isolation vom Ladekabel und Ladestecker sowie die aktive Kühlung dieser Komponenten beim Ladevorgang. Gleichzeitig müssen die Komponenten derartig ausgeführt sein, dass die Lkw-Fahrer die Ladetechnik problemlos bedienen können.

Heliox wird eine HoLa-Arbeitsgruppe in der Umsetzungsphase leiten – das Arbeitspaket „CCS installation and MCS extension work package“. Was sind die Inhalte?

Heliox kann aufgrund seiner langjährigen Erfahrung bei der Installation von DC-Ladetechnik viele Erkenntnisse in die Arbeitsgruppe einbringen. Im Wesentlichen geht es darum, die Installation unter Berücksichtigung der individuellen Standortanforderungen sicherzustellen und Erkenntnisse für zukünftige Projekte abzuleiten. Zudem ist es wichtig, dass für die verschiedenen Standorte gleiche Standards berücksichtigt werden – zu Beginn mit CCS und später dann MCS.

Kern von HoLa ist der Wissenstransfer durch die Gemeinschaft und die Partner, darunter auch Konkurrenten wie ABB und Siemens. Warum ist solch ein gemeinsamer Kraftakt unter Marktkonkurrenten auf diesem Feld wichtig?

Ich bin überzeugt, dass auf diesem Wege die beste Lösung zur Marktreife gebracht werden kann. Für die gesamte Branche ist es enorm wichtig, sich auf gemeinsame Standards zu verständigen. Dafür ist es unerlässlich, die Technologieentwicklung gemeinsam voranzutreiben, damit der Hochlauf in den nächsten Jahren beschleunigt wird. Zur Reduktion der Treibhausgase um 55 % bis 2030, die von der EU gefordert werden, müssen auch im Schwerlastverkehr weitreichende Innovationen gemeinsam vorangetrieben werden.

Wie schnell halten Sie im Anschluss an das HoLa-Projekt den europaweiten Ausbau von MCS-Ladeanlagen für machbar? Wie schätzen Sie den Transformationswillen der Lkw-Betreiber ein?

Der europaweite Ausbau von MCS-Anlagen hängt entscheidend von den politischen Rahmenbedingungen ab. Hierzu zählen neben Fördermitteln und Investitionszuschüssen für MCS-Anlagen auch die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für die Bauvorhaben und Netzanschlüsse. Der Transformationswille der Lkw-Betreiber ist aktuell noch gering, was allerdings teilweise auch durch die sehr begrenzte Verfügbarkeit von E-Lkw und TCO-(Total-Cost-of-Ownership-)Nachteilen zu begründen ist. Dies ändert sich natürlich sobald attraktive Produkte im E-Lkw-Bereich verfügbar sind und unter den entsprechenden Rahmenbedingungen einen TCO-Vorteil für den Betreiber ermöglichen. Nicht zuletzt werden Kunden auch immer mehr CO2-neutrale Lieferketten von ihren Lieferanten fordern.

Worin sieht Heliox konkret die Chancen des Projekts für sich? Gehen Sie davon aus, dass Erkenntnisse später auch wieder auf den Bus-Sektor rückübertragbar sind?

Die große Chance besteht darin, die Zukunft beim Laden von schweren Nutzfahrzeugen von Anfang an mitgestalten zu können. Im engen Austausch mit den Lkw-Herstellern sowie den Kunden, welche die Fahrzeuge einsetzen, gewinnen wir wichtige Erkenntnisse aus dem Betrieb, welche wir in die weitere Produktentwicklung und Gestaltung von Logistikstandorten mit einbeziehen können. Automatisierte Ladevorgänge werden zukünftig auch im Bus-Bereich Einzug erhalten. An dieser Stelle werden sich eine Vielzahl von Synergien ergeben. Daher freuen wir uns, an diesem wegweisenden Projekt für den Schwerlastverkehr in Europa mitzuarbeiten.

Welche Erfahrungen hat Heliox unabhängig vom HoLa-Projekt bereits heute mit Ladeanlagen für E-Lkw gesammelt?
Heliox arbeitet bereits heute eng mit den führenden E-Lkw-Herstellern zusammen und erprobt den Einsatz von E-Lkw in Verbindung mit der passenden Ladetechnik. Gemeinsam mit Albert Heijn, der größten Supermarktkette der Niederlande, und weiteren Partnern haben wir beispielsweise in einem Pilotprojekt bereits die Distribution im Bereich der Supermärkte elektrifiziert. Durch den Einsatz von flüssiggekühlten Ladekabeln für die Ladeinfrastruktur kann mit einer Leistung von 300 kW geladen werden, was die Ladezeiten der E-Lkw deutlich verkürzt und somit die Standzeiten der E-Lkw reduziert. Darüber hinaus werden die täglichen Routen der E-Lkw optimiert, um die den Einsatz der Fahrzeuge unter Berücksichtigung der Ladevorgänge bestmöglich auszunutzen.

Wie sehen Sie Europa im Vergleich zu anderen Überseemärkten in puncto Elektrifizierung des Transportsektors und Megawattladen aufgestellt?

In Europa haben wir die Chance mit traditionsreichen Lkw-Herstellern und namhaften Industrieunternehmen die Elektrifizierung des Transportsektors voranzutreiben. Dafür ist es allerdings erforderlich, dass die politischen Weichen richtig gestellt werden und die Investitionen in diesem Bereich weiter ausgebaut werden. Dies bezieht sich vor allem auf den erforderlichen Ausbau der Ladeinfrastruktur, wofür es auch notwendig ist, die Antrags- und Genehmigungsverfahren auf diesem Gebiet zu beschleunigen. In anderen Überseemärkten werden zum Teil schneller Fakten geschaffen und Start-ups stehen in den Startlöchern, um sich in dem noch jungen Markt zu etablieren.

Haben Sie vielen Dank, Herr Liehr!

Über das Projekt:

Das Projekt „Hochleistungsladen im Lkw-Fernverkehr“ (HoLa) läuft seit September 2021 und ist auf drei Jahre bis Ende 2024 angesetzt. Es wird vom Fraunhofer ISI geleitet und steht unter der Schirmherrschaft des VDA. Durch den Aufbau und Betrieb von prototypischer Technologie sollen bei HoLa Erkenntnisse für einen flächendeckenden Lkw-Ladenetzaufbau abgeleitet werden. Das Projekt wird durch ein branchenübergreifendes Konsortium mit 13 direkten und acht assoziierten Partnern – darunter vier Lkw-Hersteller, Ladespezialisten, Forschungseinrichtungen, Energieunternehmen, Netzbetreiber und Raststätten-Betreiber – umgesetzt und hat ein Volumen von 27 Millionen Euro. Das BMVI hat das Projekt vor Kurzem zu einem von drei Innovationsclustern für klimafreundliche Lkw-Antriebstechnologien gekürt und bezuschusst das Projekt mit zwölf Millionen Euro. Zur Projekt-Webseite geht es hier.

Die Forschungsergebnisse sollen direkt in die Entwicklung der Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge einfließen, die von der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur koordiniert wird. In der EU sind nach offiziellen Angaben derzeit Lkw für 27 Prozent der CO2-Emissionen  im Straßenverkehr verantwortlich. Das deutsche Klimaschutzgesetz sieht vor, dass bis 2030 ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch oder auf Basis von strombasierten Kraftstoffen erbracht werden muss.

4 Kommentare

zu „Heliox: Von der Grob- zur Feinjustierung des Megawatt-Ladens“
Nostradamus
16.11.2021 um 20:36
„Wie laden E-Lkw künftig auf Fernstrecken?“ – das ist eine völlig überflüssige Frage, da wir Langstrecken-LKWs nicht brauchen – dafür wir haben Eisenbahn. Punkt.
Bernhard
17.11.2021 um 12:16
Diesel-LKW fahren aber jetzt auf Fernstrecke, obwohl wir (angeblich) dafür die Eisenbahn haben. Und ich sehe im Bahnbereich keine Initiative die das ändern könnte.Der E-LKW bietet zumindest eine Perspektive für CO2- und NOx-Reduktion und auf der letzten Meile auch Lärm-Reduktion.
Nico
17.11.2021 um 09:19
Leider haben wir dafür momentan nicht die erforderliche Eisenbahn. Punkt.Möchte man den gesamten Fernverkehr auf die Schiene bringen, müsste man die Anzahl der Gleise wahrscheinlich mindestens verdreifachen. Mal davon abgesehen, dass auch entsprechende Verladestaionen fehlen, um die Güter dann wieder von der Schiene auf die Straße zu bringen. Und es gäbe noch viele weitere Probleme, die zu lösen wären.Grundsätzlich ist es aber natürlich richtig den Güterverkehr auf die Schiene zu bringen. Da muss nur leider aber erstmal investiert werden und es dauert bis die Infrastruktur soweit ist.
John
19.11.2021 um 09:21
Sowohl für den LKW als auch PKW gibt es Use Cases die mit der Bahn nicht abgedeckt werden können. Mich würde interessieren was Herr Liehr mit "politischem Willen und Investitionsbereitschaft" meint? Wenn er damit meint dass die Gesellschaft die Ladeifrastruktur (wie beim PKW) bezahlen soll, dann sehe ich schwarz. Das wird richtig teuer, denn es geht hier um sehr hohe Leistungen die an die MCS geliefert werden müssen. Oder ggf. haushohe Batteriezwischenspeicher. Hoffe dieser Beitrag wird gepostet.

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