Emissionsfrei im Stop-&-Go-Rhythmus der Abfallwirtschaft

Brennstoffzelle oder Batterie: Beide Antriebsarten finden zunehmend Eingang in Flotten kommunaler Müllentsorger. Wir haben uns bei der Freiburger Abfallwirtschaft und dem Abfallwirtschaftsbetrieb München umgehört. Die einen erproben derzeit zwei Brennstoffzellen-Müllfahrzeuge, die anderen einen vollelektrischen Abrollkipper.

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Freiburgs Abfallwirtschaft (ASF) arbeitet seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Elektrofahrzeugen im Bereich der Stadtreinigung. Bislang sind dort 17 Fahrzeuge unterwegs: Kleinkehrmaschinen, Gabelstapler, Transporter und Lastenräder unterschiedlichster Fabrikate, deren Batteriekapazitäten für die bis zu 100 Kilometer langen Tagestouren ausgelegt sind. Bis 2030 will die ASF ihre rund 170 Fahrzeuge umfassende Flotte inklusive Dienst-Pkw komplett auf alternative Antriebe umgestellt haben.

Ein weiterer Schritt, um dieses Ziel zu erreichen, wurde kürzlich getan: Bei der ASF sind neuerdings auch zwei Sammelfahrzeuge von Faun Umwelttechnik mit Brennstoffzellenantrieb und elf Tonnen Nutzlast im Einsatz. „Ich bin davon überzeugt, dass im schweren Nutzfahrzeugbereich die Brennstoffzelle zukunftsweisender ist als der reine E-Antrieb“, sagt Michael Broglin, Geschäftsführer der ASF. Die Nutzlast des neuen Sammelfahrzeugs ist laut dem Geschäftsführer mit elf Tonnen so hoch wie bei einem herkömmlich angetriebenen Diesel-Lkw und auch die Reichweite mit circa 200 Kilometern entspreche den Anforderungen der täglichen Touren.

Neben dem Umweltaspekt sind diese beiden Faktoren mit ausschlaggebend gewesen, sich für die Brennstoffzellenfahrzeuge zu entscheiden. Mit den beiden Faun werden bei der täglichen Sammlung von Bio- und Papierabfällen jährlich bis zu 60 Tonnen CO2 eingespart. „Wir haben außerdem für unsere Fahrer eine deutliche geringere Lärmemission erzielt, die Müllwerker hinter den Fahrzeugen stehen nicht mehr in den Abgasen – ihre Reaktion war bislang rundum positiv“, sagt Broglin. Fahrer, die mit den H2-Fahrzeugen unterwegs sind, wollen nicht mehr tauschen. Geplant ist, bis Ende 2023 noch zwölf weitere Sammelfahrzeuge mit der klimafreundlichen Technologie in Freiburg einzusetzen.

Faun, ein Nutzfahrzeug-Hersteller aus Osterholz-Scharmbeck, arbeitet an seinem nördlich von Bremen gelegenen Hauptsitz bereits seit einigen Jahren an der Adaption von Brennstoffzellen für Nutzfahrzeuge. In Fauns sogenannten Bluepower-Fahrgestellen sind Brennstoffzellen in Kombination mit einer Batterie verbaut. In den Freiburger Modellen verfügt die Brennstoffzelle über 30 kW und die Batterie über einen Energiegehalt von 85 kWh. Letztere liefert u.a. zusätzliche Energie beim Beschleunigen und nimmt Rekuperationsenergie auf – eine elementare Aufgabe im alltäglichen Stop-and-Go-Verkehr der Abfallwirtschaft.

„Wir haben die Brennstoffzellen-Variante gewählt, weil wir die Fahrzeuge laden und mit Wasserstoff betanken können. Momentan kommen wir mit einer Tankfüllung pro Woche aus“, erzählt der Geschäftsführer. Die Tankkapazität für Wasserstoff beträgt 16,4 Kilogramm bei 700 bar. Noch sei kein grüner Wasserstoff aus erneuerbarer Energie verfügbar, das soll sich aber bald ändern. „Sonst wird die Sache ja nicht rund“, sagt Broglin. Derzeit werde bei der ASF die Stromversorgung auf Mittelspannung umgestellt, um die elektrische Energieversorgung besser gewährleisten zu können. In diesem Zuge werde auch die Ladeinfrastruktur samt Lademanagement angepasst. Insgesamt hält die ASF 70 AC-Ladepunkte mit 22 Kilowatt (kW) vor und einen DC-Lader mit 40 kW, die der Betrieb in Zusammenarbeit mit dem lokalen Energieversorger aufgebaut hat.

Der Anteil an Elektrofahrzeugen der ASF soll deutlich weiter wachsen. Geplant ist, 2025 im Stadtreinigungsbereich, wo überwiegend leichtere Fahrzeuge im Einsatz sind, ausschließlich vollelektrisch unterwegs zu sein. Bei den schweren Nutzfahrzeugen rechnet Broglin damit, die Umstellung auf den emissionsfreien Betrieb bis 2030 geschafft zu haben.

Die Anschaffungskosten der zwei wasserstoffbetriebenen Abfallsammelfahrzeuge – rund 1,44 Millionen Euro (netto) und damit dreimal so hoch wie bei herkömmlichen Diesel-Lkw – wurden zu rund 75 Prozent mit bundesweiten Fördermitteln abgedeckt. Ein Zuschuss in Höhe von rund 925.000 Euro (netto) erfolgte im Rahmen des Sofortprogramms „Saubere Luft 2017–2020“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Eine zusätzliche Förderung in Höhe von 150.000 Euro (netto) wurde über den Innovationsfonds der badenova AG & Co. KG bereitgestellt. Auch für die meisten anderen E-Fahrzeuge hat die ASF Förderleistungen bekommen.

Auch beim Abfallwirtschaftsbetrieb in München (AWM) sind alternative Antriebe bei schweren Nutzfahrzeugen im Kommen. So setzt der kommunale Entsorgungsbetrieb seit rund einem Jahr den vollelektrischen Abrollkipper Volvo FE Electric für die Containterlogistik der Wertstoffhöfe zu nahen Entsorgungsanlagen ein. Der 27-Tonner ist mit vier Lithium-Ionen-Batterien mit je 50 kWh im gesamten Gebiet der bayerischen Landeshauptstadt unterwegs.

Bereits 2012 hatte der AWM ein vergleichbares Fahrzeug mit Abrollkipper und Diesel-Hybridtechnik von Volvo Trucks in Betrieb genommen. „Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Jetzt mit diesem vollelektrischen Lkw den nächsten Schritt zu gehen, ist die logische Konsequenz“, sagt Reinhold Bauer, Fuhrparkleiter des AWM. Entdeckt hat er den FE Electric auf einer Messe vor zwei Jahren, war sofort angetan und hat die Ausschreibung für die Beschaffung in die Wege geleitet. Das Fahrzeug ist mit 90 Prozent der Mehrkosten gegenüber einem Diesel-Lkw gefördert worden.

„Unsere Kraftfahrer lieben ihn, weil er leise, innovativ und schön ist“, erzählt er. Die Nutzlast beträgt über 14 Tonnen, die Reichweite rund 100 Kilometer. „Für unseren speziellen Einsatz und die Erprobung reicht das erst einmal“, fügt er hinzu. Allerdings sei er zunächst davon ausgegangen, dass es in der Stadt genug Schnellladesäulen gibt, an denen sich die Fahrzeugbatterie zwischenladen lässt, sollte die Kapazität für die Tour nicht ausreichen. Mit Bedauern stellte Bauer jedoch fest, dass es in ganz München nur eine einzige geeignete Ladesäule gibt.

„Wir benötigen 700 Volt Spannung, die meisten Ladesäulen sind aber nur für 500 oder 600 Volt ausgelegt“, fand er heraus, nachdem er erst glaubte, das Volvo-Ladekabel sei kaputt. Auch der an sich geeignete Ladepunkt kann nicht angefahren werden: „Wenn wir dorthin fahren, blockieren wir die übrige Tankstelle und der Betreiber ist darüber verständlicherweise wenig begeistert“, schildert Bauer.

So lädt der elektrische Abrollkipper ausschließlich auf dem Betriebshof, allerdings stehen ihm dort bislang nur AC-Ladepunkte mit 22 kW zur Verfügung. In einer Stunde bringt der Fahrer dort lediglich zehn Prozent SoC in sein Fahrzeug. Bauer: „Wir könnten die Reichweite verdoppeln, wenn wir eine eigene Schnellladesäule hätten.“ Eine solche ist nun für das ersten Quartal 2022 geplant. Bis dahin erfolgt der Ladeprozess weiterhin über Nacht mit 22 kW. „Für unsere Fahrer ist die Reichweite schon eine Herausforderung, sie haben aber gelernt, mit der Batteriekapazität auszukommen oder kehren rechtzeitig zurück, um ein Liegenbleiben nicht zu riskieren“, sagt er.

Der Aufbau RL 18 des FE Electric stammt aus dem Hause Meiller. Der Abrollkipper lässt sich mit einer Funkfernsteuerung aus sicherer Entfernung bedienen. „Unsere Fahrer haben dadurch eine bessere Übersicht“, erläutert Bauer, denn neben Umweltschutz stehe beim AWM auch die Sicherheit für das Personal im Fokus. Auch der Aufbau des Abrollkippers sei durch den vollelektrischen Antrieb nun erheblich leiser als bei einem herkömmlichen Fahrzeug, da die Hydraulikpumpe nur läuft, wenn der Abrollkipper auch tatsächlich in Betrieb ist. Die daraus resultierende Energieeinsparung wiederum erhöht die Reichweite für den Lkw etwas.

Bis 2030 planen die Stadt München und der Entsorgungsbetrieb, die rund 250 schwere Fahrzeuge umfassende Flotte auf klimaneutrale Antriebe und Kraftstoffe umzustellen. Bis Sommer 2022 wird der AWM 64 Erdgas-Fahrzeuge einsetzen. In einer Kleinserie sind zehn teilelektrifizierte Müllfahrzeuge light unterwegs, die der AWM in Zusammenarbeit mit Mercedes, Faun und Zöller aufgebaut hat. Vorstellbar ist für Bauer auch, die Brennstoffzellen-Technologie zu erproben. Ein Faun-Fahrzeug mit dessen Bluepower-Technologie sei bestellt, werde vermutlich aber erst im Oktober 2022 angeliefert. Auch der AWM nutzt bei der Umstellung der Flotte auf alternative Antriebe die Förderprogramme von Stadt und Bund.

5 Kommentare

zu „Emissionsfrei im Stop-&-Go-Rhythmus der Abfallwirtschaft“
Tom 1
08.12.2021 um 07:33
Schön das der Betrieb auf E LKWS setzt,aber doch nicht ganz bis zum Ende gedacht hat. So ist es gerade in der Masse der Bevölkerung,überall rumheulen aber selber nichts tun wollen .
Max
09.12.2021 um 11:02
Ich bin auch überrascht, warum auf dem Münchner Betriebshof nicht auch gleich eine passende Schnellladesäule aufgebaut wurde, bzw. warum die Münchner nicht mit dem Interview gewartet haben, bis die Säule im täglichen Betrieb ist.
Norbert Riedel
09.12.2021 um 10:25
Dass Freiburg jetzt 2 Faun H2-Müllfahrzeuge einsetzt finde ich gut, weil das meiner Meinung nach der einzig richtige Weg bei schweren LKW ist. Faun produziert diese Fahrzeuge mittlerweile in Serie. H2-Fahrzeuge habe bei Kälte auch nicht die Probleme reiner BEV-Fahrzeuge (in Berlin waren Anfang dieses Jahres viele E-Busse bei der Kälte nicht einsatzbereit)
Johannes
14.12.2021 um 21:27
Der Verbrauch von 16,7 kg Wasserstoff pro Woche rechtfertigt definitiv kein zusätzlichen Wasserstofftriebstrang, weder vom Gewicht, noch von der Reichweite und schon gar nicht von den Kosten. Brutto haben 16,7 kg H2 551 kWh chemische Energie gespeichert, die netto zu ca. 300 kWh elektrischer Energie werden. Bei 5 Arbeitstagen pro Woche sind das im Schnitt gerade mal 60 kWh zusätzlich aus der Brennstoffzelle. Offensichtlich kommen die Freiburger schon sehr weit mit ihrer täglich zu ladenden 85 kWh Batterie. Eine Verdoppelung der Batteriekapazität würde bei dem Einsatzszenario sicher die Brennstoffzelle obsolet machen. Das zusätzliche Gewicht der potentiellen Batterie (ca. 500 kg) wäre nicht so weit weg vom eingesparten Wasserstoffsystem (H2 Tank 200 kg, Brennstoffzelle und Peripherie noch mal ca. 160 kg).
Ignaz Mellmer
19.05.2022 um 01:34
Johannes ich teile Ihre Erkenntnis; es rechtfertigt nicht den technischen Aufwand für H2 Infrastruktur am Lkw, Betankung und Elektrolyse. Für 2Lkw 60t jährl. Co2-Einsparung? Die Realität ist für H2 zusätzliche 41t Co2-Emissionen! Bei der Zusatzverbrauchsbetrachtung nur für die Elektrolyse, wird für den H2 benötigten Strom 47t Co2 freigesetzt! Hinzu kommt noch die elektrische Plagin geladene Energie von in etwa 56 Mwh mit 54t Co2, also für den H2-Hybrid jährliche 101t Co2. Da derzeit, und dies wohl noch für viele Jahre, der fehlende regenerative Strom fossil produziert wird, ist anstatt des allgemeinen Strommixes, ein Fossilmix für den für die H2-Produktion und für die direkt geladene elektrische Energie verursachten Verbrauchszuwachs anzuwenden.

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