Audi e-tron S Sportback: Noch gut genug für das Jahr 2021?

Mit den MEB-Modellen und der kommenden PPE arbeitet Audi an seiner elektromobilen Zukunft, der A6 e-tron und Q6 e-tron stehen schon in den Startlöchern. Parallel verkauft Audi aber noch den 2018 vorgestellten e-tron weiter. Wird sich das E-SUV mit der anstehenden Modellpflege gegen die PPE-Modelle behaupten können? Zeit für eine Bestandsaufnahme!

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Ja, der e-tron quattro ist kein taufrisches Elektroauto mehr. Bereits seit 2018 wird das E-SUV im Audi-Werk Brüssel gebaut, 2019 folgte das SUV-Coupé Sportback. In der jüngsten Planungsrunde des VW-Konzerns wurde bereits die Produktion seines Nachfolgers Q8 e-tron beschlossen, der dann auf der Premium Platform Electric (PPE) basieren wird. Erlkönige mit dem für kommendes Jahr geplanten Facelift sind bereits unterwegs und abgelichtet.

Grund genug, sich nochmals ausführlicher mit dem ersten Elektroauto von Audi zu beschäftigen. Was sollte bei der Modellpflege geändert werden? Was ist auch mehr als drei Jahre nach der Markteinführung noch gut?

Für den Test hat Audi einen e-tron S Sportback gestellt, also die Top-Version mit drei E-Motoren und Torque Vectoring an der Hinterachse. Die Systemleistung im Boost liegt bei 370 kW (für bis zu acht Sekunden), das maximale Drehmoment gibt Audi mit 973 Nm an. Der Vortrieb endet erst bei mehr als 200 km/h, in 4,5 Sekunden kann das 2,7 Tonnen schwere Auto auf 100 km/h beschleunigen.

Die Entwicklung begann bereits 2012

Weshalb Audi einen so fahrdynamischen Antrieb mit Torque Vectoring – also der gezielten Verteilung der Antriebskraft auf das kurveninnere oder kurvenäußere Rad – in ein so schweres SUV einbaut? Für diese Antwort muss man sich ein wenig mit der Historie des Modells beschäftigen. Der e-tron quattro kam zwar 2018 auf den Markt. Seine Entwicklung war aber keine Reaktion auf den Abgasskandal bei Volkswagen und Audi: Die Konzeptphase fand in den Jahren 2012 und 2013 statt. Damals war Dieselgate in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt. Audi-Chef war Rupert Stadler, in Wolfsburg hatten Martin Winterkorn als Vorstandsvorsitzender und Ferdinand Piëch als Aufsichtsratschef das Sagen. Damals ging es eher weniger um Umweltschutz und Effizienz, sondern um die technische Machbarkeit bei einem solchen Prestige-Objekt.

Aus dieser Zeit stammt übrigens auch die Entscheidung, auf Asynchronmotoren zu setzen. Wie Joachim Doerr, damaliger E-Antriebs-Entwickler und heute Team Lead PPE bei Audi, in der vergangenen Woche bei seinem Auftritt bei unserer Online-Konferenz „electrive.net LIVE“ verriet, waren die damals sehr hohen Magnetpreise ein Grund, sich gegen die permanenterregten Synchronmotoren und für die ASM zu entscheiden. Dass die eMobility-Welt beim Erscheinen des e-tron S im Jahr 2020 eine andere war, konnte im Entwickler-Team damals wohl kaum jemand absehen.

Von all dem Aufwand, den Audi bei der Entwicklung des E-Antriebssystems betrieben hat – für weitere Details verweisen wir auf unseren Konferenzbericht –, bekommt der Fahrer im Alltag wenig mit. Was in diesem Fall positiv gemeint ist: Der e-tron S hält, was er verspricht. Es sind mehrere Launch-Control-Starts hintereinander möglich, ohne dass das Antriebssystem wegen Überhitzung die Leistung herunterregeln muss. Die Dauer des Bremsvorgangs reicht aus, um die Komponenten ausreichend für den nächsten Start zu kühlen. Auch bei längerer Fahrt mit mehr als 180 km/h überhitzt das System nicht, hier sorgen eher der Verkehr oder der rapide sinkende Akkustand für ein Verlangsamen, aber nicht die gekappte Leistung. Im Vergleich zu Elektroautos, die deutlich später auf den Markt gekommen sind, ist der e-tron hier immer noch vorne mit dabei.

Erst ab der B-Säule unterscheiden sich der e-tron und der Sportback.

Und das Torque Vectoring? Es ist spürbar, bei zügiger Kurvenfahrt unterstützt der E-Antrieb durch mehr Leistung auf dem kurvenäußeren Hinterrad wird das Auto nach innen gedrückt, wo ein 2,7 Tonnen schweres Auto eher zum Untersteuern neigen würde – also nach außen drängt. Wir mussten das im Test aber bewusst provozieren, bei normaler Fahrweise im Alltag bietet das Torque Vectoring keine echten Vorteile. Wer auf maximalen Fahrspaß aus ist, sollte trotz des Torque Vectorings eher zu einer sportlicheren Limousine mit zwei E-Motoren greifen.

Und ja, die Beschleunigung mit 937 Nm ist beeindruckend. Aber ist sie in dieser Form auch notwendig? Selbst ohne im Test den direkten Vergleich zu einem e-tron 55 quattro gehabt zu haben: Dessen 300 kW im Boost und 664 Nm Drehmoment sorgen immer noch für eine mehr als ausreichende Beschleunigung und viel wichtiger auch ohne Boost (265 kW, 561 Nm) für ein souveränes Fahrverhalten.

Ein Punkt, den Audi bei der Modellpflege angehen sollte, ist der Verbrauch. Doerr rechnete zwar anhand einer seiner Praxis-Verbräuche für eine Reise von Norditalien nach Ingolstadt von 28,3 kWh/100km vor, dass diese Energiemenge lediglich einem Verbrauch von 3,3 Litern Benzin oder knapp 2,9 Litern Diesel entspreche – für ein über 500 PS starkes Reisemobil. Den Verbrauchswert können wir bestätigen – wir hatten 27,9 kWh/100km nach 780 Test-Kilometern –, müssen aber auch festhalten: Andere E-SUV in dieser Größen- und Leistungsklasse lassen sich dennoch sparsamer bewegen.

Den niedrigsten Verbrauch mit 24,8 kWh/100km konnten wir übrigens während einer entspannten Autobahnfahrt erzielen – wegen Tempolimits und der Verkehrsbedingungen lag das Reisetempo meist im Bereich zwischen 100 und 120 km/h. Bei den meisten BEV ergibt sich der niedrigste Testverbrauch auf der Landstraßen-Runde von Düsseldorf aus in Richtung Bergisches Land. Hier lag der e-tron S mit 29,6 kWh/100km aber deutlich darüber. Das häufige Beschleunigen im Teillast-Bereich und Verzögern für Kurven und Ortschaften scheint den drei ASM nicht geschmeckt zu haben. Ein Wechsel auf effizientere PSM oder fremderregte Synchronmotoren (wie aktuell bei BMW) ist mit dem Modellwechsel aber unwahrscheinlich.

Unangefochten gut ist das Ladesystem des e-tron. Die 150 kW DC-Ladeleistung sind nicht nur zuverlässig abrufbar, sondern auch über einen sehr breiten Ladebereich zu erreichen. Erst bei 81 Prozent Ladestand (State of Charge, SoC) sinkt die Ladeleistung langsam ab, bei 84 Prozent fiel sie erst unter 100 kW. Selbst bei 90 Prozent SoC fließen noch 85 kW. Man muss mit dem e-tron zwar etwas häufiger laden, die Ladevorgänge selbst dauern aber meist nicht länger als 25 Minuten.

Aus unserem Testverbrauch ergibt sich eine rechnerische Reichweite von 307 Kilometern. Nutzt man 80 Prozent des Netto-Energiegehalts von 86 kWh, ergibt sich so eine Reichweite von rund 250 Kilometern zwischen zwei Ladestopps. Das ist nicht überragend, hat aber wegen der überschaubaren Dauer der Ladestopps nicht wirklich gestört.

Das Ladesystem überzeugt auch 2021

Ist im Navigationssystem der „e-tron Routenplaner“ aktiviert, plant das System bei der Zielführung auch passende HPC-Ladestopps ein. Das hat zuverlässig funktioniert und meist sinnvolle Vorschläge eingeplant – wenn ein solches System in einem seit 2018 gebauten Auto verfügbar ist, ist die Frage berechtigt, warum einige MEB-Fahrzeuge in diesem Punkt immer noch Probleme haben.

Der e-tron verfügt auch über ein gutes Kalt-Ladeverhalten, vermutlich da in der Zellchemie genügend Kobalt enthalten ist. Bei sieben Grad Außentemperatur konnte sich der Akku auf der Anfahrt von gerade einmal zehn Kilometern zu einem HPC nicht wirklich erwärmen. Dennoch lag bereits kurz nach Ladestart die Leistung bei 140 kW und stieg innerhalb weniger Minuten auf 150 kW. Hierbei muss aber erwähnt sein, dass unser Testwagen über die Option „Erhöhte Heizleistung“ verfügte: Für 380 Euro wird dann ein weiterer PTC-Heizer verbaut – das kostet zwar etwas Strom, das Batteriemanagement kann den Akku aber schneller erwärmen.

Ein weiteres Lade-Extra: Der Testwagen war auch mit dem optionalen 22-kW-Onboard-Charger ausgerüstet (genau genommen verbaut Audi dann einen zweiten 11-kW-Onboard-Charger). Für Nutzer, die keinen zuverlässigen Zugang zu einer Wallbox zu Hause oder einem Ladepunkt beim Arbeitgeber haben, kann das ein sinnvolles Extra sein: Der e-tron kann dann die volle Ladeleistung öffentlicher AC-Ladepunkte nutzen und ist in vier Stunden komplett geladen. In unserem Test konnten wir während eines etwas über einstündigen Spaziergangs über 27 Prozent SoC nachladen. Nur: der 22-kW-Lader ist teuer – er steht mit 1.665 Euro in der Liste und kann nur mit dem zweiten AC-Port auf der Beifahrerseite kombiniert werden. Macht nochmals 450 Euro oder 2.115 Euro insgesamt.

Ladeports nicht immer ideal positioniert

Während die Ladeports für das AC-Laden auf beiden Seiten des Fahrzeugs hilfreich sind – jener auf der Fahrerseite ist optimal, damit der Fahrer nach dem Aussteigen mit nur einem Handgriff das Auto an die heimische Wallbox anschließen kann, der Ladeport auf der Beifahrerseite ist bei vielen öffentlichen AC-Ladern besser erreichbar –, ist der CCS-Anschluss zwischen Fahrertüre und Vorderrad nicht optimal. Ist die HPC-Säule vor Kopf des Stellplatzes platziert, wird es je nach Länge des Kabels knapp, den Ladeport zu erreichen – oder man muss das Auto so parken, dass ein zweiter Stellplatz teilweise belegt wird. Oder wie im Bild berührt das HPC-Kabel den Stoßfänger und kann so den Lack zerkratzen.

Wie hier bei der Ionity-Station kratzt das schwere Ladekabel über den Lack.

Zudem hatten wir in unserem Test zweimal Glück, als das Navi uns an einen Standort leitete, an dem jeweils nur ein Hypercharger steht. Beide Male war der linke Stellplatz durch ein Tesla Model 3 belegt, wir konnten auf dem rechten Stellplatz laden. Hätte auf dem rechten Stellplatz bereits ein MEB-Modell, ein BMW i3 oder ein e-Golf geladen, hätten wir weiter fahren müssen – das Kabel wäre nicht lang genug, um auf dem linken Stellplatz um die große Front des e-tron bis hin zum CCS-Port auf der Fahrerseite zu reichen. Mit einem Mercedes EQV – der Testbericht folgt Anfang 2022 – haben wir genau das noch geschafft, da der Ladeport hier vorne links angebracht ist. Beim Facelift des e-tron wird hier wohl keine Änderung drin sein, als PPE-Stromer dürfte der Nachfolger Q8 e-tron die Ladeports ohnehin wieder über dem Hinterrad tragen.

Am Fahrwerk mit der Luftfederung gibt es aus unserer Sicht nur einen Kritikpunkt: Im „Efficiency“-Modus senkt sich die Luftfederung auf ein niedrigeres Niveau ab, um den Luftwiderstand zu verringern. Dabei werden aber die Dämpfer deutlich straffer – vermutlich, um den geringeren Federweg auszugleichen. Darunter leidet aber der Fahrkomfort deutlich, sodass sich der Fahrer fragen muss, ob die Verbrauchsersparnis durch die minimal bessere Aerodynamik diese Komforteinbuße wert ist – oder ob er doch gleich im „Comfort“-Modus bleibt. Dieser überzeugt mit souveränem Abroll- und Federungskomfort, den Winterreifen auf 20-Zoll-Felgen zum Trotz. Im „Dynamic“-Modus wird das Gewicht des Autos erstaunlich gut kaschiert, hier passt auch die straffere Auslegung.

Im Innenraum gibt es aus unserer Sicht relativ wenig Handlungsbedarf. Der Prozessor des Infotainments könnte etwas schneller sein, hier gibt es zwischen Eingabe und Reaktion eine kleine Verzögerung. Gerüchten zufolge sollen die beiden Bildschirme – Navi und Infotainment oben, Klimaanlage unten – zu einer großen Einheit zusammengefasst werden. Das bricht womöglich etwas den konventionelleren Innenraum auf. Ein großer Monitor ist aber kein Selbstzweck, hier müssen die Inhalte logisch kombiniert und dargestellt werden, um einen echten Mehrwert zu bieten. Materialien und Verarbeitung überzeugen aber auch schon im aktuellen Modell.

Sportback ist aerodynamischer, das SUV praktischer

Selbiges gilt – in Grenzen – für die Platzverhältnisse. Der e-tron basiert bekanntlich auf der Verbrenner-Plattform MLB Evo und ist so eng mit dem Q5 verwandt. Das merkt man unter anderem an der sehr langen Front, unter der Haube hat Audi immerhin einen Frunk für die Ladekabel platziert. Trotz seiner Länge von 4,90 Metern geht es im e-tron ordentlich, aber nicht üppig zu – 30 Zentimeter kürzere E-Autos auf einer reinen BEV-Plattform bieten hier ein großzügigeres Raumgefühl. Im von uns getesteten Sportback kommt der Kofferraum zwar auf eine große Grundfläche, ist mit seiner abfallenden Dachlinie aber auf die Höhe einer Getränkekiste beschränkt. Nimmt man die Hutablage heraus, entsteht bis zur Scheibe etwas mehr Luft nach oben. Wer Wert auf den Nutzwert legt, sollte dennoch auf die bessere Aerodynamik des Sportback-Hecks verzichten und zum e-tron greifen.

Erwähnens- und lobenswert sind auch die Scheinwerfer: Das digitale Matrix-LED-Licht kostet zwar stolze 4.500 Euro Aufpreis und einige mögen die beim Fahrzeugstart auf den Boden projizierten Audi-Logos und e-tron-Schriftzüge als technische Spielerei abtun. In der kalten Jahreszeit finden aber viele Fahrten, etwa die morgendliche und abendliche Pendelstrecke, in der Dunkelheit statt. Hier sind die Matrix-Leuchten mit ihrer sehr genauen adaptiven Ausleuchtung der Umgebung und vor allem des Verkehrsgeschehens ein echter Zugewinn bei der Sicherheit!

Mit all seinen Extras kommt unser Testwagen – bei einem Grundpreis von 96.050 Euro für den e-tron S Sportback – auf über 126.000 Euro. Dafür gibt es zwar ein Premium-SUV mit hervorragender Verarbeitung und hohem Komfort. Aber eben auch ein Elektroauto, das bereits bei seiner Entwicklung einige Kompromisse mit der Verbrenner-Plattform eingehen musste. Dafür hat Audi viel investiert und gerade beim Thermomanagement des Antriebs und der Batterie eine Lösung entwickelt, die sich heute noch mehr als sehen lassen kann. Ist das Thermomanagement für einen Kunden ein Kaufgrund? Eher nicht. Sollte es das sein? Unbedingt!

3 Kommentare

zu „Audi e-tron S Sportback: Noch gut genug für das Jahr 2021?“
Matthias
17.12.2021 um 12:35
Seit wann kann der e-tron Vorkonditionieren? Gibt es hierfür Belege?
Sebastian Schaal
17.12.2021 um 12:58
Hallo Matthias,die Aussage stimmt tatsächlich nicht, vielen Dank für den Hinweis! Ich habe die Passage korrigiert.Viele Grüße Sebastian Schaal
Sascha
17.12.2021 um 19:05
Sehr schöner Artikel. Vielen Dank.

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