Wie Sixt den Ritt auf der eMobility-Welle vorbereitet
Sixt durchlebt aktuell eine Wandlung vom Autovermieter zu einem breit aufgestellten Mobilitätsanbieter. Der Umbruch zur Elektromobilität flankiert diese Neuausrichtung. Sixt plant unter anderem, rund 50 Millionen Euro in den Ausbau von Ladeinfrastruktur zu stecken. Wir haben mit dem Pullacher Unternehmen über seine eMobility-Pläne gesprochen.
In einem Zeitungsinterview ließ Co-Chef Alexander Sixt im August fallen, dass sein Unternehmen besagte Millionensumme in Ladeanlagen investieren wolle – und zwar nicht nur für den Eigenbedarf. Die E-Mobilität verändert das Kerngeschäft – man bedenke nur, dass Automieter ihr Fahrzeug aktuell kurz vor der Abgabe volltanken. Bei einem E-Auto ist ein längerer Ladeprozess vor der Rückgabe schlecht umsetzbar. Neue Ideen und Lösungen müssen also her.
Parallel diversifiziert Sixt sein Angebot, etwa um Carsharing und Fahrdienste. Die Carsharing-Flotte („Sixt Share“) besteht bereits zu rund einem Drittel aus Elektrofahrzeugen. Nicht nur aus Pkw, sondern auch aus E-Tretrollern und E-Scootern. Für den Fahrdienst („Sixt Ride“) hat der Konzern im Oktober in einigen Großstädten eine E-Fahrzeug-Option eingeführt, sodass Reisende beim Buchen von Transfer- oder Limousinen-Services explizit Elektro- und Hybridfahrzeuge wählen können.
So viel zur Vorrede. Die Sixt-Presseabteilung stand electrive.net zu den weiteren Elektromobilitätsplänen des Unternehmens Rede und Antwort. Im Interview lesen Sie unter anderem welche Elektrifizierungsquote sich der Konzern für das noch junge Jahr setzt, wie Sixt die aktuelle Verfügbarkeit von E-Fahrzeugen einschätzt und warum ein Autovermieter sich nicht einbilden sollte, einen eigenen Markt schaffen zu können.
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Wann wurde Sixt klar, dass die Elektromobilität kein Nischenthema mehr ist, sondern große Teile des Geschäfts von Sixt touchieren wird?
Sixt handelt nach den Wünschen seiner Kunden und einhergehend mit der anziehenden Nachfrage nach Elektrofahrzeugen arbeitet Sixt daran, den Anteil elektrischer Fahrzeuge in seiner Flotte auszubauen. Entsprechend sind wir kontinuierlich dabei, elektrische Fahrzeuge einzuflotten und unseren Kunden anzubieten. Während die Nachfrage von Privatkunden aufgrund der Unsicherheit hinsichtlich der Ladeinfrastruktur noch gedämpft ist, zeigt sich eine gute Dynamik auf Seiten der Geschäftskunden. Diese sehen sich nicht zuletzt einem zunehmenden Regulierungsdruck ausgesetzt.
Zudem – das haben wir oft gesagt – bildet ein Autovermieter den Markt ab und kann keinen eigenen Markt schaffen. Die Nachfrage nach E-Fahrzeugen nimmt zweifellos zu und gewinnt deutlich an Fahrt, insbesondere im Carsharing-Bereich, dennoch entfällt der weit überwiegende Teil der Neuzulassungen weiterhin auf konventionelle Antriebe.
Wie groß ist die Elektro-Flotte von Sixt in Deutschland und international zurzeit?
Der Anteil vollelektrischer Fahrzeuge und von Hybridautos ist in den letzten Quartalen stetig gestiegen und wird in Zukunft noch stärker zunehmen. So haben wir erst kürzlich Premium Hybrid-SUVs der Marke MG sowie Teslas mit dem Model 3 eingeflottet. Unsere Investition von bis zu 50 Millionen Euro in die Ladeinfrastruktur flankiert diese Entwicklung. In unserer Carsharing-Flotte sind bereits circa ein Drittel der Fahrzeuge elektrisch, in den Niederlanden ist die Carsharing-Flotte zu 100% elektrisch unterwegs.
Wie schnell will Sixt den Bestand an E-Fahrzeugen hochskalieren? Und sieht die Elektrifizierungsstrategie nur die Anschaffung Batterie-elektrischer Fahrzeuge vor, oder gehören auch Plug-in-Hybride und Brennstoffzellen-Fahrzeuge im größeren Stil zum künftigen Portfolio?
Einhergehend mit der anziehenden Nachfrage nach Elektrofahrzeugen arbeitet Sixt daran, den Anteil elektrischer Fahrzeuge in seiner Flotte auszubauen. So streben wir für 2022 einen Anteil von 10 bis 15 Prozent an elektrifizierten Fahrzeugen in unserer weltweiten Flotte an (Elektro & Hybrid).
Aufgrund der aktuell hohen Nachfrage nach Elektrofahrzeugen, wesentlich beschleunigt durch öffentliche finanzielle Anreize einerseits und Lieferschwierigkeiten bei Computer-Chips andererseits, kommt es derzeit zu spürbaren Engpässen. Es sind momentan nicht so viele Elektroautos auf dem Markt verfügbar wie nachgefragt werden und wie Sixt seinen Kunden gerne anbieten würde.
Fakt ist aber auch, dass insbesondere die deutschen Automobilhersteller hier in den vergangenen Jahren beachtliche Fortschritte gemacht haben. Noch vor zwei bis drei Jahren gab es kaum Elektroautos in nennenswerten Stückzahlen. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass sich die eingeschränkte Verfügbarkeit von Elektrofahrzeugen kurz- bis mittelfristig entspannen wird.
Wie viele Ladepunkte hat Sixt aktuell in Deutschland und international in Betrieb?
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir dazu aus strategischen Gründen im Detail keine Angaben machen. Mit unserer aktuellen Infrastruktur können wir alle Kunden bedienen, die unsere Elektrofahrzeuge nutzen möchten.
Im Juli haben Sie einem Zeitungsinterview zufolge beschlossen, etwa 50 Millionen Euro in den Ausbau von Ladeinfrastruktur zu investieren – und zwar nicht nur für den Eigenbedarf. Können Sie uns den Ansatz dahinter näher erläutern? Also auch öffentliche Stationen, die für Dritte zugänglich sind? Wollen Sie mit Ladeinfrastruktur-Anbietern konkurrieren?
Diese Investition haben wir nicht nur beschlossen, sie wird bereits ausgerollt. Das heißt wir haben bereits an diversen Stationen eine Ladeinfrastruktur installiert. Denn Sixt, obwohl nur Dienstleister und kein Hersteller, tut viel, um die E-Mobilität voranzubringen. Dabei sehen wir den Hebel zu mehr Nachhaltigkeit nicht nur in der Antriebsform, sondern vor allem auch in der optimalen Auslastung bereits vorhandener Fahrzeuge. Zu dieser Optimierung der Auslastung tragen wir mit allen Angeboten auf unserer digitalen Mobilitätsplattform ONE ganz entschieden bei. Wir ersetzen individuelle Mobilität durch geteilte Mobilität und sind Teil der „Sharing Economy“.
Der Aufbau einer zuverlässigen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge ist eine der wesentlichen Herausforderungen der nächsten Jahre, insbesondere vor dem Hintergrund der Förderung von Elektroautos seitens der Politik. Sixt wird in den nächsten Jahren bis zu 50 Millionen Euro in die eigene Ladeinfrastruktur investieren. Dabei bauen wir auf die enge Zusammenarbeit mit Infrastrukturanbietern, wie Flughäfen und Bahnhöfen, welche als Partner eine wichtige Rolle spielen. Darüber hinaus spielt aber auch die öffentliche Hand eine Schlüsselrolle beim konsequenten Ausbau von (Schnell-)Ladestationen.
In einem ersten Schritt geht es bei diesem Investment darum, unseren internen Bedarf zu decken. Unsere Kunden werden E-Fahrzeuge nicht vollständig geladen zurückgeben und die aktuelle Anzahl an öffentlichen Ladestationen reicht dazu ohnehin nicht aus. Wir werden die zurückgegebenen Fahrzeuge also nach Rückgabe der Kunden für diese bei uns laden. Unsere Ladestationen öffnen werden wir erst in einem nächsten Schritt: Falls wir Überkapazitäten haben, wollen wir diese wirtschaftlich bestmöglich vertreiben.
Also müssen Sie Ihren Kunden vor der Fahrzeug-Rückgabe auch keinen freien Ladeplatz organisieren?
Richtig. An unseren Stationen müssen wir unseren Kunden keine freien Ladeplätze garantieren. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen dafür Sorge, dass unsere elektrischen Fahrzeuge zum Zeitpunkt der Abholung durch den Kunden entsprechend geladen sind.
Im öffentlichen Raum können wir keine freien Ladeplätze garantieren, tragen aber mit unserer Investition maßgeblich dazu bei, dass die Anzahl an Ladeplätzen deutlich steigt.
Wird Sixt die eigenen Ladestationen selbst betreiben oder wird dies in Kooperation mit Partnern geschehen?
Wir haben einen vielversprechenden Businessplan dazu ausgearbeitet. Wir bitten aber um Verständnis, dass wir aus strategischen Gründen nicht zu sehr ins Detail gehen können. Wir prüfen von Station zu Station mit einem Partner, welche Ladeinfrastruktur unter Berücksichtigung des Bedarfs sinnvoll bzw. notwendig ist.
Wie stark wandelt sich das Geschäft von Sixt aktuell? Stichwort: virtuelle Stationen und kontaktfreie Übergabe von Mietfahrzeugen.
Wir sehen eine Entwicklung hin zu einer neuen Aufgabenverteilung im Sinne des Kunden. Fastlane, die Möglichkeit, Fahrzeuge komplett digital anzumieten, haben wir bereits vor Jahren eingeführt. Aber die Anzahl unserer Stationen und Niederlassungen hat sich dadurch nicht nennenswert verändert. Wir wollen die digitalen und physischen Abwicklungsprozesse bei der Autovermietung im Sinne des Kunden optimal kombinieren.
Wir wollen bestimmte Aufgaben wie Kundenregistrierung, Aktivierung, Validierung und die Fahrzeugauswahl automatisieren, um einen noch besseren Premium-Service in unseren physischen Stationen anbieten zu können. Um es klar zu sagen: Wir wollen nicht, dass weniger Menschen in unsere Stationen kommen. Wir wollen dort noch besseren Service bieten.
Nicht zuletzt sind die Kundenerwartungen und -bedürfnisse recht heterogen: Ein Tourist aus den USA, der in Deutschland eine Rundreise mit dem Auto macht, legt deutlich mehr Wert auf die persönliche Beratung durch unsere Mitarbeiter als beispielsweise der typische deutsche Geschäftsreisende, der jede Woche sein Auto an einer Sixt-Station abholt. Wir wollen hier die jeweils richtigen Prozesse für unsere Kundengruppen abbilden und fokussieren uns vor allem darauf, individuelle Mehrwerte in die Prozesse zu implementieren. Unsere obersten Ziele hierbei sind einfache Prozesse und kurze Wartezeiten für den Kunden. Daher ja auch die eigene Ladeinfrastruktur.
Welche Bedeutung hat die Transformation der Automobilbranche auf andere Geschäftsfelder von Sixt, etwa die Fahrdienst- und die Sharing-Sparte?
In den Bereichen Ride-Hailing und Carsharing ist die Nachfrage nach E-Fahrzeugen ebenso hoch und Sixt begegnet dieser Nachfrage entsprechend: Vor einigen Wochen haben wir eine Neuerung bei unserem Ride-Hailing-Produkt „Sixt Ride“ eingeführt: Reisende können nun beim Buchen von Transfer- oder Limousinen-Services Hybrid- oder vollelektrische Fahrzeuge wählen. So sind „Sixt Ride“-Kunden auf Geschäftsreisen, im Urlaub oder im Alltag nicht nur komfortabel, sondern auch umweltfreundlich unterwegs. Neben Berlin, Dresden und München stehen die Hybrid- oder vollelektrischen Modelle in zahlreichen weiteren europäischen Städten in Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz, Spanien sowie der Türkei zur Verfügung.
Im Bereich Carsharing ist rund ein Drittel unserer Flotte in Deutschland bereits elektrisch. Hier ist die Anmietdauer kürzer, man bleibt meist innerhalb der Stadt und legt kurze Strecken zurück. Anfang Juni 2020 sind wir in den Niederlanden mit „Sixt Share“ erstmalig mit einer 100-prozentigen elektrischen Flotte gestartet. Weitere Städte sind in Vorbereitung.
Zusammen mit Siemens hat Sixt dieses Jahr ein neues, digitales Dienstwagen-Flottenmodell mit Anreizen für Elektrofahrzeuge aufgelegt. Wie sehr beschäftigt Ihre B2B-Kunden das Thema Elektromobilität?
Das Thema beschäftigt unsere B2B-Kunden sehr. Viele Unternehmen haben das Ziel, bis 2030 Co2-neutral zu sein, manche wollen dies sogar bis 2025 schaffen und bis dahin eine zu 100% elektrische Flotte vorweisen können. Bis dato gibt es jedoch kaum eine holistische Lösung. Wir arbeiten daran, auch zukünftig die Mobilitätsanforderungen unserer Geschäftskunden zu erfüllen.
Über Sixt
Die Sixt SE mit Sitz in Pullach bei München gehört zu den großen Mobilitätsdienstleistern aus Deutschland. Zum Geschäft gehören unter anderem die Auto- und Nutzfahrzeugvermietung, Carsharing, Fahrdienste und Auto-Abos. Alle Angebote können über eine App gebucht werden, die zudem Services von Mobilitätspartnern integriert. Kunden haben laut dem Unternehmen dadurch mittlerweile Zugriff auf mehr als 200.000 Fahrzeuge und Mobilitätsangebote von 1.500 Partnern in mehr als 250 Städten weltweit.
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