T&E-Studie: Netzanschluss von Lkw-Schnellladern ist günstiger als gedacht
Der Netzanschluss zukünftiger Lkw-Hochleistungsladestationen ist nicht nur technisch umsetzbar, sondern auch mit überschaubaren Kosten verbunden. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die von der in Brüssel ansässigen Nichtregierungsorganisation Transport & Enviroment (T&E) in Auftrag gegeben wurde. Darin wurde untersucht, inwiefern der Aufbau von Ladestationen für Fernverkehrs-Lkw machbar ist und wie deren Anbindung an das Stromnetz umgesetzt werden kann.
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In einem Policy Briefing fasst Transport & Enviroment die Ergebnisse der technischen Studie zusammen und äußert auch konkrete Empfehlungen für politische Entscheidungsträger auf EU- und nationaler Ebene, um den Ausbau der Lkw-Ladeinfrastruktur kosteneffizient zu planen und den Planungs- und Genehmigungsprozess zu vereinfachen. Den Auftrag zur Studie erhielten RE-xpertise und ef.Ruhr. Das Briefing formuliert zunächst ein grundlegendes Ziel: Bis spätestens 2025, so heißt es darin, müsse angesichts der in den kommenden Jahren zu erwartenden Zunahme an Batterie-betriebenen Lkw auf europäischen Straßen ein Netz von öffentlichen Hochleistungs- und Nachtladestationen in ganz Europa aufgebaut werden.
RE-xpertise und ef.Ruhr entwickelten das sogenannte e.Mission-Modell, das den Strombedarf der Lkw-Ladestationen errechnet und auf Basis von Verkehrsströmen, der BET-Marktauslastung, das Ladeverhalten sowie das Lademanagement zeigt, wie diese an das Stromnetz angebunden werden können.
Dabei konzentrierten sich die mit der Studien beauftragten Unternehmen auf das öffentliche und halböffentliche Laden und analysierten drei Prototypen von Ladeinfrastruktur: eine öffentliche Ladestation entlang des Autobahnnetzes mit starkem Fernverkehr, eine mit geringem Fernverkehr sowie ein mittelgroßer Logistikknotenpunkt mit mehreren Transportunternehmen, die Lang- und Kurzstrecken-Lkw kombinieren.
Konkret wurden drei Arten von Ladestationen untersucht, die alle über einen 1,5-MVA-Netzanschluss an die Mittelspannung angeschlossen werden: Für die kürzesten Ladevorgänge einen Megawatt-Schnelllader (MCS) mit 1,2 MW Ladeleistung, drei HPC mit jeweils 450 kW oder acht Über-Nacht-Lader (Overnight Charging System, NCS) mit 8x 150 kW. „Die drei prototypischen Ladestationen decken einen großen Teil der Ladeinfrastruktur ab, die für die zukünftige Umstellung auf Batterie-elektrische Langstrecken-Lkw benötigt wird. Sie sind technisch machbar und die angebotenen Service Levels passen zu den aktuellen betrieblichen Prozessen von Logistikunternehmen“, heißt es dazu in der Studie.
Mit mehr als 22.000 Lkw pro Tag repräsentieret die verkehrsstarke Autobahnstation nach Angaben von T&E im Briefing die höchsten Verkehrsströme in Deutschland. Die zweite Autobahnstation weise eine Frequenz von 5.000 Trucks pro Tag auf, vergleichbar mit der oberen durchschnittlichen Verkehrsintensität auf EU-Ebene. Das Logistikzentrum ist den Angaben nach ein gemischtes Gewerbegebiet mit rund 1.250.000 Quadratmeter (125 Hektar).
Ein Megawatt-Lader pro 60 Kunden
So viel zu den Annahmen. Doch was ergibt sich aus der Simulation? Als Daumenregel haben die Autoren aus den Ergebnissen abgeleitet, dass pro 50 bis 60 Kunden – also Lkw – am Tag ein MCS-Lader installiert werden muss. Da der MCS mit seinen 1,2 MW Ladeleistung die Leistung seines Netzanschlusses beinahe ausschöpft, benötigt er einen so starken Netzanschluss quasi alleine – ein Lastmanagement kann bei einem Ladepunkt nichts managen und das Netz so nicht entlasten. Dennoch ist das Lastmanagement sehr wichtig, um die verfügbare Leistung zwischen den MCS und NCS zu verteilen.
Wie groß muss der Netzanschluss dann aber ausfallen? „Bei der Durchführung der Simulationen wurden verschiedene Ladestrategien angewendet, die es ermöglichen, die Spitzenlast am Netzanschlusspunkt zu reduzieren, ohne die Kundenzufriedenheit zu beeinträchtigen“, so die Studie. „Die Ergebnisse zeigen, dass – für das gegebene Verhältnis zwischen MCS und NCS – die gesamte Netzanschlusskapazität die installierte Leistung der MCS-Ladegeräte nicht überschreiten muss.“
Für 2027 wird im Szenario mit der hohen Frequenz ein Bedarf von drei bis fünf MCS-Ladern festgestellt, also 4,5 bis 7,5 MW Anschlussleistung, 2040 dann 13 MCS mit rund 20 MW. Bei Standorten mit geringerer Auslastung sind es zwei MCS (2027) und drei MCS (2040) – also nicht mehr als 4,5 MW.
Im Detail kommt die Studie zu dem Schluss, dass für die hochfrequentierte Autobahn ein Anschluss an das Mittelspannungsnetz noch in den 2020er-Jahren notwendig ist. Das sei bis 2030 ausreichend, ab 2040 – es wird angenommen, dass dann fast 90 Prozent der lokalen Fernverkehrsflotte elektrisch betrieben werden – müsse die Station an das Hochspannungsnetz angeschlossen werden.
Für die Autobahnstation mit geringerem Verkehrsaufkommen sei ein Anschluss an das Mittelspannungsnetz voraussichtlich bis 2040 ausreichend. Bei den oben genannten 90 Prozent elektrischer Flotten wird der Logistikknotenpunkt bis 2040 eine Kapazität von rund 60 MW und ein eigener Anschluss an das Hochspannungsnetz erforderlich sein.
Die Studie geht von den in Deutschland gebräuchlichen Spannungsebenen für Mittelspannungs- (10 und 20 kV) und Hochspannungsleitungen (typischerweise 110 kV) aus. Elektrizitätsleitungen mit solchen oder ähnlichen Spannungsebenen seien in der gesamten EU verbreitet und würden sich oft in der Nähe des Autobahnnetzes für größere Industrieunternehmen und gewerblichen Einrichtungen befinden, so T&E. Der Anschluss an Mittel- und Hochspannungsleitungen sei gängige Praxis und stelle keine technischen Herausforderungen dar. Auch wenn der Strombedarf einer Lkw-Ladestation höher liege als der für Elektro-Pkw, sei das Stromnetz bereits so ausgelegt, dass es den Anforderungen gerecht werde.
Ladegeräte sind teurer als der Anschluss an das Stromnetz
Auch einen Blick auf die Kosten für Installation und Betrieb für die Ladegeräte sowie den Netzanschluss wirft die Studie. Der finanzielle Aufwand für die Stromerzeugung sowie Steuern, Abgaben und Netztarife wurden dabei nicht berücksichtigt. Das Thema Batteriespeicher wurde bewusst ausgeklammert. „Wir haben kurz die Realisierbarkeit und Vorteile von stationären Batteriespeichern vor Ort und der Kombination mit PV-Erzeugung vor Ort an Logistikzentren bewertet. Generell ist die Einbindung stationärer Batteriespeicher bei der analysierten Kombination von MCS- und NCS-Ladegeräten nicht zielführend und steht in Konkurrenz zum (deutlich günstigeren) Lademanagement. Ladestationen mit MCS-Fokus könnten hingegen von Speichersystemen profitieren.“
Bei allen untersuchten Szenarien liegen die Kosten für die Ladegeräte deutlich höher als die Kosten für die Ladeinfrastruktur. In den meisten Szenarien, so die Studie, machen sie etwa 90 Prozent der gesamten Infrastrukturkosten aus. Die mit dem Netzanschluss assoziierten Kosten liegen demnach bei etwa zehn Prozent der gesamten Infrastrukturkosten. Es könne also die Ladeinfrastruktur schrittweise ausgebaut werden, ohne dass erhebliche zusätzliche Kosten entstünden.
Je nach Szenario beziffern die Studienmacher die Kosten für die Refinanzierung der Infrastruktur auf vier bis sechs Eurocent pro abgerechnete Kilowattstunde geladener Strom für die hochfrequentierte Station und den Logistik-Hub. Die Kosten für die Infrastruktur der verkehrsarmen Ladestation liegen bei zehn bis 14 Eurocent pro kWh. Den Unterschied wird mit den unterschiedlichen Auslastungen der jeweiligen Station erklärt.
In einer E-Mail schreibt T&E: „In absoluten Zahlen ausgedrückt heißt das: Die zusätzlichen Kosten durch den Netzanschluss betragen in den untersuchten Szenarien lediglich 0,2 – 0,9 Eurocent pro Kilowattstunde geladener Strom.“
Politik und Industrie haben Herausforderung erkannt
Um die Kosten des Netzanschlusses zu reduzieren, ist laut der Studie ein aktives Lademanagement ein entscheidender Faktor. Dieses könne integriert werden, ohne den Servicegrad der Ladestationen zu beeinträchtigen.
Insgesamt werde sich der Platzbedarf an Autobahnstationen leicht erhöhen. Im Falle von Logistikzentren müssten die Struktur der Fläche und die Betriebsabläufe angepasst werden. Ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts seien zugewiesene und zugängliche Flächen für das öffentliche Laden an diesen Knotenpunkten, auch über Nacht.
Dass es sich bei der T&E-Studie um keine akademischen Überlegungen handelt, sondern die Erkenntnisse längst in Politik und Industrie angekommen sind, hat auf die jüngste Ausgabe unserer Online-Konferenz electrive.net LIVE gezeigt. Johannes Pallasch, Sprecher des Leitungsteams der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur gab mit Blick auf die kommenden E-Lkw an: „Die Produktionslinien laufen an, 2023/2024 kommen die Modelle in größeren Stückzahlen. Dafür brauchen wir ein initiales Ladenetz.“ Und das eben nicht nur mit Mittelspannungs-Anschlüssen: „Wenn man hier ernst macht, muss man viele Hochspannungs-Anschlüsse an die Autobahn-Standorte legen.“
Auch VDA-Präsidentin Hildegard Müller forderte ein „Deutschlandnetz für E-Lkw“. Anders als bei den Elektroautos ist Politik und Industrie beim Lkw klar, dass die Antriebswende mehr umfasst als nur den Antrieb im Fahrzeug.
transportenvironment.org (PDFs zum Download), Infos per E-Mail
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