Ifeu-Studie: E-Lkw im Jahr 2030 bei Kosten und Klima vor Diesel-Fahrzeugen
In knapp zehn Jahren könnten in Deutschland die Neuzulassungen von E-Lkw gegenüber ihren Diesel-Pendants dominieren, prognostiziert eine Studie des ifeu. Denn durch niedrige Betriebskosten für Lkw-Betreiber werden sich Batterie- und Oberleitungsfahrzeuge trotz höherer Anschaffungskosten rechnen.
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Unter anderem zu diesem Ergebnis kommt eine vergleichende Studie, die die wirtschaftlichen Potenziale verschiedener Lkw-Antriebstechnologien für das Jahr 2030 in den Augenschein genommen hat. Die Analyse wurde vom Institut für Energie und Umweltforschung (ifeu) Heidelberg in Zusammenarbeit mit PTV Transport Consult erstellt.
Während sich im Personenverkehr Batterie-elektrische Pkw mit Förderung am Markt durchgesetzt haben, fehlen beim Straßengüterverkehr zum Teil noch marktreife technologische Lösungen. Und der ist bekanntermaßen für einen großen Teil der Emissionen im Verkehr verantwortlich. Dort wird mit knapp 50 Megatonnen CO2 pro Jahr etwa ein Drittel der verkehrsbedingten Emissionen in Deutschland verursacht – mit steigender Tendenz, heißt es in der Studie „Vergleichende Analyse der Potentiale von Antriebstechnologien für Lkw im Zeithorizont 2030“. Sie ist ein Teilbericht im Rahmen des ifeu-Forschungsprojekts „Elektrifizierungspotenzial des Güter- und Busverkehrs – My eRoads“. Gefördert wurde die Analyse durch das Bundesumweltministerium.
Im Gespräch mit electrive.net beschreibt Leiter Julius Jöhrens die ifeu-Studie als eine Momentaufnahme für den Neuwagenmarkt im Jahr 2030. Um der Frage nach der Wirtschaftlichkeit nachzugehen, legten die Studienmacher voraussichtliche technische und wirtschaftliche Entwicklungen bei Batterie-elektrischem Antrieb, dem Brennstoffzellenantrieb sowie einer Stromversorgung per Oberleitung zugrunde. „Für den Vergleich haben wir bei allen Technologien gleichermaßen einen Massenmarkt im Jahr 2030 unterstellt “, erläutert Jöhrens.
Studie soll wirtschaftliche und klimapolitische Potenziale aufzeigen
Berechnet wurde, für welche Anwendungsfälle sich welche Antriebstechnologie im Jahr 2030 für die Lkw-Betreiber im Vergleich zum Diesel-Lkw rechnet und welche der verfügbaren Technologien jeweils mit den geringsten Kosten verbunden ist. Die Studie umfasst auch eine Quantifizierung der THG-Reduktionspotentiale, bei der Betrieb, Energiebereitstellung und Herstellung der Lkw einbezogen wurden.
Die Ergebnisse setzen die wirtschaftlichen und auch klimapolitischen Potentiale der Lkw-Antriebstechnologien miteinander in Relation und sollen sinnvolle Einsatzgebiete aufzeigen. Jöhrens und sein fünfköpfiges Team wollen nicht, dass die Analyse als Markthochlaufmodellierung missverstanden wird. Dafür müsste die begrenzte Erneuerungsgeschwindigkeit der Fahrzeugflotte mit einbezogen werden, erläutert Jöhrens.
Die Grunderkenntnis: „Batterie-elektrische Lkw werden in zehn Jahren bereits bei moderaten CO2-Preisen für fast alle Anwendungen deutlich günstiger und klimafreundlicher sein als Neufahrzeuge mit Diesel-Antrieb“, sagt Jöhrens. Laut Studie kann die Kosten- und Emissionsbilanz weiter verbessert werden, wenn zudem die Stromversorgung über Oberleitungen kommt. Von Bedeutung sei dabei der dadurch mögliche Einsatz von kleinere Batterien in den Lkw.
E-Lkw in 98 Prozent der Fälle günstiger als ein Diesel
In Zahlen ausgedrückt: 98 Prozent der innerdeutschen Lkw-Kilometer werden im Jahr 2030 laut der ifeu-Studie günstiger mit einem Batterie-elektrischen Lkw zurückzulegen sein als mit einem Diesel-Fahrzeug. Würden dort überall Batterie-Lkw eingesetzt, könnten die CO2-Emissionen im Lkw-Verkehr um 52 Prozent gesenkt werden. Die Emissionen, die bei der Stromerzeugung sowie der Herstellung der Lkw erzeugt werden, wurden in die Analyse mit eingerechnet.
Selbst im Fernverkehr sei der Einsatz Batterie-elektrischer Lkw mit Reichweiten von 500 Kilometern möglich, sofern öffentliche Hochleistungsschnelllader aufgebaut werden. Allerdings werden die Kosten in diesem Anwendungsfall voraussichtlich eng beieinander liegen, da die Stromkosten für die schnellen Zwischenladungen laut der Studie „eine wichtige Variable“ sind.
In anderen Anwendungsfällen werden Batterie-Lkw „zukünftig das Rückgrat eines kosteneffizienten Straßengüterverkehrs bilden; die Ergebnisse der Studie sind diesbezüglich sehr robust“, heißt es in der Studie. Die Studienautoren empfehlen, die betriebliche Ladeinfrastruktur entscheidend voranzutreiben.
Bei der Betrachtung der Oberleitungstechnologie geht die Studie von einem bereits bestehenden festen Netz in zwei Szenarien entlang der Strecken aus. Wenn bis 2030 schon 3.050 Kilometer (bzw. 1.500 Kilometer) der deutschen Autobahnen mit Oberleitungen ausgerüstet sind, dann sind Oberleitungs-Lkw auf 42 Prozent (bzw. 24 Prozent) aller Strecken im Betrieb günstiger als Diesel-Lkw. Würden in all diesen Fällen Oberleitungs-Lkw eingesetzt, könnten die CO2-Emissionen im Lkw-Verkehr um 27 Prozent (bzw. 15 Prozent) gesenkt werden. Die Kosten könnten vor allem in dem Bereich sinken, in dem die reinen Batterie-Lkw wegen der Schnelllade-Kosten noch schwer kalkulierbar sind.
Aber: In die Gesamtfahrleistung fließt etwa auch der regionale Verteilverkehr mit ein. Betrachtet man nur die für die Autobahn-Oberleitung geeigneten Fahrzeugklassen, könnten 57 Prozent der Fahrleistung so abgedeckt werden. Legt man diese Fahrzeugklassen bei dem 3.000-Kilometer-Netz zugrunde, könnten die Oberleitungen sogar 77 Prozent der Fahrleistung abdecken. Daher gehen die Autoren auch davon aus, dass im Jahr 2030 rein Batterie-elektrische Oberleitungs-Lkw (O-BEV) günstiger sein werden als Diesel-Hybride (O-HEV).
Wasserstoff-Lkw laut ifeu nur eine Nische
Mit Blick auf Brennstoffzellen-Lkw rechnen die Studienmacher damit, dass die Antriebstechnologie künftig nur noch dort zum Einsatz kommen dürfte, wo die Wahl für ein Batterie-Lkw an praktischen Gesichtspunkten scheitert – gerade im Fernverkehr. Der Einsatz von Brennstoffzellen-Lkw werde mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Nischendasein führen, ist Jöhrens überzeugt. Für Betreiber werde es in Einzelfällen möglicherweise Gründe geben, sich für ein Brennstoffzellen-Fahrzeug zu entscheiden. In diesem Fall werden sie jedoch „deutlich höhere Vollkosten pro Kilometer in Kauf nehmen müssen“. Er erläutert: „Die Kosten für Wasserstoff werden mittelfristig deutlich höher sein als die für Strom, ebenso die CO2-Emissionen unter Berücksichtigung der H2-Herstellung.“ Aufgabe des Staates sei es sicherzustellen, dass eine unzureichende Infrastruktur für elektrische Lkw die Lkw-Betreiber nicht zum Einsatz wirtschaftlich und klimapolitisch nachteiliger Technologien zwinge. Zudem sollten Steuern und Abgaben auf die neuen Energieträger konsequent am klimapolitischen Nutzen ausgerichtet werden – die Fehler der Förderung von LNG-Lkw dürften nicht wiederholt werden.
Im direkten Vergleich mit den E- und O-Lkw werden Brennstoffzellen-Fahrzeuge laut der ifeu-Studie nur bei extrem niedrigen Wasserstoffpreisen wirtschaftlich konkurrenzfähig sein. Niedrige Preise prognostizieren die Studienmacher allerdings nur in optimistischen Szenarien für den Import aus dem Ausland. Und das dürfte angesichts der Tatsache, dass auch andere Sektoren Wasserstoff nutzen, kaum zu erfüllen sein. Außerdem: Selbst wenn von einer positiven Entwicklung der Preise ausgegangen wird, liegen die CO2-Emissionen laut Studie nur dann niedriger als bei Oberleitungs-Lkw, wenn der Wasserstoff für die Lkw fast ausschließlich regenerativ erzeugt wird.
Die Studie kommt auf diesem Feld zu einem klaren Schluss: Mit Wasserstoff aus Deutschland können Brennstoffzellen-Lkw nicht mit den E- und O-Lkw mithalten – weder bei den Kosten noch bei der CO2-Bilanz. „Der Einsatz von Brennstoffzellen-Lkw stellt also mittelfristig eine Wette auf die zukünftige Verfügbarkeit günstigen und vollständig erneuerbaren Import-Wasserstoffs dar“, fasst die Studie zusammen.
Zwei Drittel BEV-Lkw, ein Drittel O-BEV und ein paar H2-Lkw
„Technik und Kosten entwickeln sich eindeutig Richtung Elektro-Lkw“, sagt Jöhrens. Auf Basis der Annahmen prognostiziert die Studie für das Jahr 2030 einen Technologie-Mix von etwa zwei Drittel reine Batterietechnologie und etwa einem Drittel Oberleitungstechnologie als kostenoptimale Lösung. Wasserstoff wird laut Jöhrens keine bedeutende Rolle mehr spielen. Aufgabe des Staates sei es nun, die stationäre Ladeinfrastruktur auf den Hauptstrecken weiter auszubauen. Außerdem müsse geprüft werden, an welchen Punkten sie durch ein Oberleitungsnetz sinnvoll ergänzt werden kann. „Dann kann der Schwerlastverkehr einen erheblichen Beitrag zu den Klimazielen im Verkehrssektor leisten.“
Die Maßnahmen, die Jöhrens der öffentlichen Hand zuschreibt, reichen allerdings nicht aus. Auch die Umstellung auf elektrisch betriebene Fahrzeuge ist seines Erachtens nicht genug, um die Klimaziele zu erreichen. „Auch Elektro-Lkw können die CO2-Emissionen eines Lkw im Jahr 2030 in einer Lebenswegbetrachtung höchstens halbieren“, sagt er. Zudem werde die Umstellung der Lkw-Flotte Zeit benötigen. „Um die gesteckten Klimaziele tatsächlich zu erreichen, müssen wir also weiterhin unnötige Lkw-Transporte vermeiden und langfristig deutlich mehr Transporte auf die Schiene verlagern.“
Für den Sommer ist im Rahmen des ifeu-Projekts My eRoads eine abschließende Studie geplant, verrät Jöhrens noch. Darin soll der Einsatz der Technologien in Szenarien mit begrenzter Infrastruktur beleuchtet werden. Auch grenzüberschreitende Szenarien könnten dort Eingang finden.
ifeu.de (Studie als PDF)
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