Umweltfreundlich mit Demeter-Produkten durchs Berchtesgadener Land
Die Bäcker-Brüder Alfons und Franz Neumeier setzen bei der Belieferung ihrer Filialen und Kunden auf einen Transporter mit Fahrgestell von GAZ und Elektromotor von EFA-S sowie einen Nissan e-NV200. Dabei geht es nicht durchs Flachland, sondern die Fahrzeuge werden richtig gefordert – nicht nur durch Kälte und Schnee, sondern auch mit mehreren Tausend Höhenmetern pro Tag.
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Die Bäcker-Brüder Alfons und Franz Neumeier mit Sitz in Bischofswiesen bei Berchtesgaden betreiben in ihrer Umgebung sechs Filialen. Die Familienbäckerei, die sich auf Bio- und Demeter-Produkte spezialisiert hat, liegt auf 500 Meter Höhe und beliefert täglich seine Filialen sowie Hotels, Pensionen und Kliniken in einer anspruchsvollen Topografie. Auf ihren etwa 100 bis 150 Kilometer langen Touren mit circa 30 bis 50 Stopps legen die Lieferfahrzeuge täglich mehrere Tausend Höhenmeter zurück, nicht immer auf geteerten Straßen, sondern auch auf Schotterwegen mit Steigungen von bis zu 24 Prozent. Vor allem im Winter fordern Kälte und Schnee Fahrer und Fahrzeuge heraus.
Zunächst waren die Bäcker-Brüder mit zwei Allrad-Lieferwagen und zwei herkömmlichen Diesel-Kastenwagen unterwegs, inzwischen haben sie sich zwei elektrisch angetriebene Lieferfahrzeuge angeschafft: einen e-NV200 von Nissan sowie eine Gazelle des russischen Herstellers GAZ mit E-Motor aus dem Hause EFA-S. Das schwäbische Unternehmen hat sich auf den Umbau von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zu umweltfreundlichen Fahrzeugen mit Elektroantrieb spezialisiert.
„Das Thema Elektromotoren fasziniert mich schon lange“, erzählt Alfons Neumeier. Neumeier ist seit seiner Jugend leidenschaftlicher Modellflugzeugbauer. Er habe sich also schon sehr früh mit Elektromotoren beschäftigt. Schon vor rund 20 Jahren haben Modellflugzeugbauer angefangen, statt der Verbrenner Elektromotoren zu verbauen, die den Ruf hatten, viel besser und effektiver zu sein. Neumeier: „Die Flieger sind leise, sollte der Motor ausgehen, lässt er sich problemlos neu starten, das war bei den Benzinmotoren nicht möglich.“
Im Modellbau wurden anfangs sogenannte Bürstenmotoren verwendet, später setzte man auf brushless (bürstenlose) Motoren, die eine wesentlich höhere Leistung haben und deutlich verschleißärmer sein sollen. Zunächst dienten schwere Nickel-Cadmium-Akkus zur Stromversorgung. „Heute fliegt man fast nur noch mit Lithium-Polymer-Akkus, die viel leichter sind und deutlich mehr Kapazität aufweisen“, erzählt er. Das habe Neumeier begeistert, der Modellflugzeuge mit einer Flügelspannweite von bis zu fünf Metern fliegt.
Und so wundert es nicht, dass ihn das Thema Elektromobilität auch im geschäftlichen Alltag beschäftigt hat. Er habe eine ganze Weile mit dem i3 von BMW sympathisiert. Der hohe Kaufpreis jedoch hielt ihn zunächst ab, sich einen anzuschaffen. Als er dann einen ein Jahr alten Gebrauchten angeboten bekam mit mittelgroßer Batterie, die 36 Kilowattstunden (kWh) leistet, griff er zu. „Die Batteriekapazität reicht im Sommer für rund 250 Kilometer, das genügt mir“, sagt er. Nachdem er den i3 rund ein Jahr gefahren ist, war für ihn klar, der E-Antrieb ist praktisch, „man fährt immer vollgetankt los“.
Sein nächster Gedanke war, ob das nicht auch für die Demeter-Bäckerei gut wäre. „Wir fahren jeden Tag die gleiche Tour, brauchen also lediglich genügend Akkukapazität“, fügt er hinzu. Vor allem auch für den Betrieb im Winter, wenn mehr Energie fürs Heizen, Licht und Gebläse benötigt wird. „Das sind Stromfresser, die die Reichweite einschränken.“ Die Wahl fiel auf einen Nissan e-NV200, der sich allerdings nur für Nachlieferungen und Kleinkunden einsetzen lässt, sowie eine Gazelle mit 4,6 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht des russischen Herstellers GAZ mit E-Umbau aus dem Hause EFA-S. Der Transporter ist nunmehr seit November 2020 täglich zuverlässig für die Bäcker-Brüder unterwegs und liefert rund 90 Prozent der Waren aus.
„Unsere Fahrer waren zwar zunächst skeptisch, weil die Gazelle auf 80 km/h abgeriegelt ist, sie haben sich aber inzwischen dran gewöhnt und schätzen ansonsten das nahezu geräuschlose Fahren.“ Dadurch, dass die E-Autos sehr leise unterwegs sind, stören sie bei den frühmorgendlichen Runden niemanden mehr. „Nur das Öffnen und Schließen der Türen ist noch zu hören“, freut sich Alfons Neumeier. Außerdem spare das Unternehmen enorm viel Sprit. Die Lieferfahrzeuge spulen jährlich im Schnitt 25.000 Kilometer ab, die alten Mercedes-Sprinter haben durch Stop-and-go zehn Liter geschluckt. Die Verbrauchskosten sind also um mehrere Tausend Euro im Jahr gesunken.
Wegen der mitunter 24-prozentigen Steigungen, die unsere Fahrzeuge zurücklegen, hat Neumeier eine Hinterachse mit kleinerer Übersetzung und Differenzialsperre einbauen lassen. „Das hat EFA-S für uns ausgetüftelt. Damit ist die Gazelle nun in der Lage, auch steile Wegstrecken zu meistern – aus dem Stand heraus“, lobt er die Idee der Schwaben. Grund: Üblicherweise treibt der E-Motor die Hinterachse direkt an. Außerdem hat EFA-S die Gazelle mit kleineren Reifen vorne und Zwillingsreifen hinten ausgestattet, die ebenfalls kleiner sind als üblicherweise. Sie sorgen, dass die Ladekante etwa zehn Zentimeter niedriger ist als bei den vorherigen Lieferfahrzeugen. „Die Fahrer können die Waren somit mühelos ein- und ausladen“, sagt der Firmenchef.
Die Batterien mit 80 Kilowattstunden (kWh) sind zwischen den Tragrahmen eingebaut und balancieren das Fahrzeug gut aus. Sie verbrauchen im Sommer auf den täglichen Touren etwa 40 Prozent ihrer Kapazität, im Winter etwa die Hälfte. Aufgeladen wird die Gazelle mit 6,5 und der Nissan mit 3 Kilowatt (kW) über mehrere Stunden an der hauseigenen 22-kW-Wallbox von Shark. „Das langsame Laden schont die Batterien und sorgt dafür, dass wir Stromspitzen vermeiden“, erläutert Neumeier. Mit der eigenen Photovoltaikanlage auf dem Dach der Bäckerei, die 40 Kilowatt-Peak leistet, und einem Blockheizkraftwerk mit 20 kW, können die Bäcker-Brüder mit einem ausgeklügeltes Energiemanagement ihre E-Fahrzeuge zum größten Teil mit dem eigenen Strom laden. Mit dem überschüssigen Strom wird auch die Backstube versorgt. Geplant ist weiterhin, für Stromspitzen einen Pufferspeicher einzubauen. Wie groß der sinnvollerweise sein sollte, ist aber noch unklar.
Rund 20.000 Euro Förderung haben die Bäcker-Brüder für ihre Fahrzeuge bekommen. Weniger als gedacht, weil die Gazelle nicht auf der Liste der förderfähigen Fahrzeuge des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) steht. „Ursprünglich hatten wir uns daher für einen StreetScooter interessiert“, erzählt Neumeier. Der konnte jedoch die anspruchsvollen Anforderungen der Bäcker-Brüder nicht erfüllen. Über die IHK in München sei der Bäcker auf das schwäbische Unternehmen EFA-S aufmerksam geworden. Firmengründer Reinhardt Ritter hatte ebenfalls zunächst abgewunken, „hat aber am Ende alle unsere Wünsche erfüllt“, lobt Neumeier. Das Fahrzeug sei robust und mit 110 kW Motorleistung stark genug für die anspruchsvolle Topografie im Berchtesgadener Land.
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