Wie China bis 2025 ein vollständiges Batterierecycling-System aufbauen will
Infolge der stetig steigenden Nachfrage nach Elektro-Fahrzeugen sieht sich China mit einer enormen Welle an Alt-Batterien konfrontiert. Diese sollen nach Möglichkeit recycelt und wiederverwendet werden. In den vergangenen sechs Monaten hat die chinesische Regierung eine Reihe neuer Richtlinien erlassen, um sicherzustellen, dass die Recyclingindustrie effektiv expandieren kann. Carrie Hampel hat sich die Entwicklung genauer angeschaut.
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Der Absatz von NEV (New Energy Vehicles) in China war zwischen 2015 bis 2017 explosionsartig angestiegen, und dessen Batterien fluten nun auf die Märkte für die Wiederverwendung und das Recycling. Um eine Vorstellung von der Anzahl an Akkus zu bekommen, die in den Jahren zwischen 2025 bis 2027 wiederverwendet und recycelt werden können, hilft der Blick auf das vergangene Jahr: 2021 wurden 3,3 Millionen NEV verkauft. Dabei handelt es sich ausschließlich um Elektroautos und nicht um andere Elektrofahrzeuge – darunter beispielsweise mehr als 400.000 Elektrobusse, Millionen von Elektrofahrrädern und -mopeds (von denen viele, aber nicht alle die Batterien von Elektroautos wiederverwenden) sowie eine wachsende Zahl von Elektro-Nutzfahrzeugen.
Die Kategorie der NEV umfasst rein Batterie-elektrische, hybridelektrische und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge sowie Wasserstoff-Brennstoffzellen-Fahrzeuge, die alle eine Reihe unterschiedlicher Batteriegrößen und -typen verwenden. Das Recycling und die Zweitverwertung ausgedienter Fahrzeugbatterien haben sich also zu einem wichtigen Teil in der chinesischen NEV-Industrie entwickelt.
Die neuen Richtlinien sollen laut dem Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT), das für die industrielle Planung in der Volksrepublik zuständig ist, einen besseren Umweltschutz, eine bessere Ressourcennutzung und eine gesunde Entwicklung der NEV-Industrie gewährleisten. Sinnvoll ist dies nicht nur aus geopolitischen und ökologischen Gründen, sondern auch aus ökonomischer Sicht: Denn die Wiederverwendung und das Recycling von Batterien ist Big Business, ein lukratives Geschäft.
200 GWh Second-Life-Batterien in 2030?
Einige chinesischen Medien schätzen, dass der Batterierecyclingmarkt in China bis 2025 ein Volumen von 26 Milliarden Yuan (etwa 3,59 Milliarden Euro) erreichen wird. Doch die Zahlen für den Marktwert und das Volumen der in China recycelten Batteriematerialien schwanken stark. Nicht immer werden die Zahlen für die Wiederverwendungsindustrie, also das zweite Leben einer Batterie, in den Berechnungen berücksichtig. Laut einer Studie von McKinsey Research könnte das Angebot an Second-Life-Batterien für stationäre Anwendungen bis zum Jahr 2030 weltweit 200 Gigawattstunden pro Jahr übersteigen und bis dahin „einen Markt mit einem globalen Wert von mehr als 30 Milliarden Dollar darstellen“.
In China werden für wiederverwertete Batterien (Second-Life) die Begriffe „Kadenz“, „Gradient“ oder „Leiter“ genutzt, die sich auch auf eine nach Prioritäten gestaffelte chinesische Politik der „dringendsten Nutzung zuerst“ beziehen. Elektrofahrzeugbatterien verfügen über eine Nutzungsdauer von vier bis sechs Jahren, nach der sie weniger als 70 bis 80 Prozent Kapazität aufweisen. Das bedeutet, dass sie in der Regel weitere zwei bis vier Jahre in Zweitnutzungsanwendungen eingesetzt werden können, bevor sie schließlich dem Recycling zugeführt werden. Die „Second-Life-Leiter“ in China sieht in erster Linie die Verwendungen in beispielsweise langsameren leichten Elektrofahrzeugen oder auch in zahlreichen stationären Energiespeicheranwendungen vor. Obwohl der Begriff „Second Life“ außerhalb Chinas weit verbreitet ist, verwendet bisher noch kein anderes Land eine solche Prioritätenskala. Klar, Batterien werden auch außerhalb von China zweitverwertet und es existieren Pilotprojekt in diesem Bereich, doch müssen andere Länder erst noch die Erfahrungen machen, dass Batterien in dieser Größenordnung auf die Wiederverwendungs- und Recyclingmärkte treffen.
Die ersten bedeutenden NEV-Batterie-Recyclingvorschriften wurden im Jahr 2018 bekannt gegeben. Die chinesische Regierung erstellte eine White-List, auf die sie zunächst fünf Recyclingunternehmen freigab und die fortan als „reguläre Armee“ unter den Recyclingunternehmen galten. Die Liste ist inzwischen auf insgesamt 47 Unternehmen herangewachsen. Dennoch: Derzeit entfallen rund 50 Prozent aller offiziellen Batterierecyclinggeschäfte in China auf zwei große Unternehmen – Brunp und GEM. Brunp ist ein Partner von CATL, dem weltweit größten Hersteller von Batterien, der im Oktober des vergangenen Jahres den Bau einer eigenen Recyclinganlage bekannt gegeben hat.
Vor dem Hintergrund des enormen Bedarfs sind in China etliche inoffizielle, kleinere Recyclingunternehmen entstanden. Die sind für Unternehmen zwar oft billiger als die offiziell zugelassenen Recyclingbetriebe. Doch stellt die Qualität ihrer Arbeit ein Problem dar, denn nicht immer sind sie in der Lage, die wertvollen Ressourcen, wie Kobalt und Nickel, aus der Batterie zurückzugewinnen. Zudem entsorgen sie die Materialien oft unsachgemäß.
Nach Schätzungen aus chinesischen Medien werden derzeit nur etwa 30 bis 40 Prozent der Batteriematerialien recycelt. Dabei können mit der in China vorhandenen Technologie, in der Theorie, rund 80 Prozent der Bestandteile verschiedener Batterietypen zurückgewonnen werden. Doch die sich im Wachstum befindliche Industrie leidet unter verschiedenen Wachstumsschwierigkeiten: wie dem Fehlen von Standards bei der Batterie- und bei der Recyclingtechnologie sowie verzögerten Wiederverwendungsprozessen, wodurch sich jeder Recyclingprozess, auch hinsichtlich der Kosten, anders gestaltet.
Neue Richtlinien sollen bekannte Probleme angehen
Trotz der guten Ausgangsposition werden diese Materialien, wenn sie nicht angemessen recycelt werden, am Ende eher zu giftigem Abfall als zu wertvollem Batteriematerial für neue Batterien. Dieser Herausforderung steht China derzeit in großem Maße gegenüber.
Obwohl die Regulierung der Batteriewiederverwendungs- und -recyclingindustrie mit den ersten Verordnungen im Jahr 2018 ernsthaft begonnen hat, hat Peking erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 Richtlinien erlassen, die alle Aspekte der Kreislaufwirtschaft rund um NEV-Batterien umfassend berücksichtigen.
Mit den Richtlinien von 2018 verlangte die Regierung eine aktivere Rolle der Automobilhersteller und legte damit die Verantwortung für das Recycling der Batterien in ihren Fahrzeugen in deren Hände. Es wurde eine Plattform ins Leben gerufen, über die der Prozess verfolgt und organisiert werden konnte. Im Juli desselben Jahres wählte die Regierung 17 Städte und Regionen aus, um ein Pilotprogramm für das Batterierecycling von alten Elektrofahrzeugen zu starten. Zudem wurden wie bereits erwähnt die ersten fünf Batterierecyclingunternehmen („reguläre Armee“) in die White-List aufgenommen.
Im Rahmen dieser ersten Runde an Richtlinien rief die Regierung außerdem zu sogenannten „Internet + Recycling“-Geschäftsmodellen auf, die die Nutzung unter anderem von Software sowie den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und großen Datenmengen umfassen. Die Systeme und Unternehmen sollten die Effizienz des Materialflusses zwischen Herstellern, Kommunen, Verbrauchern und Unternehmen bestimmen, die mit Second-Life- und Recyclingmaterialien handeln. In ihrer jüngsten Richtlinienrunde im vergangenen Dezember hat die Regierung die Bedeutung von Innovation und der Entwicklung von Geschäftsmodellen für „Internet + Recycling“ noch einmal deutlich hervorgehoben.
Vollständiges Batterie-Recyclingsystem bis 2025
Der bedeutendste Wandel setzte Mitte 2021 mit dem 14. Fünfjahresplan (2021-25) des Landes ein. Dieser konzentrierte sich in erster Linie auf die Transportwirtschaft und formulierte das Ziel, bis 2025 ein vollständigeres Batterierecycling-System aufzubauen. In den folgenden sechs Monaten bis zu den jüngsten Richtlinien im vergangenen Monat hat die chinesische Regierung Leitlinien für die angestrebte Umstellung festgelegt.
Auch die lokalen Behörden haben damit begonnen, den NEV-Batterierecyclingsektor zu fördern. So hat zum Beispiel die Provinz Jiangsu 907 NEV-Batterie-Recyclingzentren eingerichtet. Shanghai hat ein System zur Verfolgung und Regulierung des gesamten Lebenszyklus von NEV-Batterien eingeführt. Derzeit gibt es in China landesweit über 10.000 Batterierecyclingzentren.
Die Zweitverwertung von Batterien für Elektrofahrzeuge rückte im August 2021 in den Fokus. Das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) erließ unter anderem eine Richtlinie, die im Rahmen der oben genannten „Leiter“-Politik eine Rechenschaftspflicht sowie Bestimmungen für die Rückverfolgung in der Zweitverwendungsindustrie beinhaltet. Dazu gehören die Wiederverwendung in langsamen Elektrofahrzeugen, die Notstromversorgung von Basisstationen, die Energiespeicherung sowie das Laden und Ersetzen von Batterien. In diesem Zuge befürwortete die chinesische Regierung auch „die Einführung von Leasing, die Nutzung großer Mengen und andere Geschäftsmodelle, die das Recycling von Leiterprodukten erleichtern“.
China will Synergien schaffen
Anfang Dezember 2021 veröffentlichte das MIIT in Zusammenarbeit mit anderen zuständigen Behörden den Plan „Interim Measures for the Management of New Energy Vehicle Power Battery Recycling“. Dazu gehören die Umsetzung eines Managementsystems zur Rückverfolgung von Batterien über den gesamten Lebenszyklus, Pilotprojekte in Peking, Tianjin, Hebei und 17 weiteren Regionen, die Einbeziehung der China Tower Company (mit Sitz in Peking, das Unternehmen, das sich selbst als „weltgrößter Anbieter von Telekommunikationsinfrastrukturen“ bezeichnet) sowie vorrangige Richtlinien für die Nutzung der „Leiter“-Vorgaben zur Förderung der überregionalen Zusammenarbeit und der Synergie in der Industriekette.
Weitere Richtlinien, die noch im Dezember verabschiedet wurden, zielen darauf ab, die praktischen Rahmenbedingungen vor Ort zu regeln und zu unterstützen – von den Verbrauchern über die Kommunen bis hin zu Unternehmen und Industrie. Neben der Verbesserung der Recyclingnetze und der Stärkung des Rückverfolgbarkeitsmanagements setzt die Regierung auch verstärkt auf die Recyclingtechnologie. Die neuesten Verordnungen sehen auch die Einrichtung einer Reihe von Recycling- und Zweitverwertungs-Unternehmen vor. Zudem soll sichergestellt werden, dass Finanzinstitute das Kapital freisetzen können, das für die Umsetzung der Ziele in erforderlich ist. Andere Richtlinien zielen darauf ab, die enorme regulatorische Aufgabe zu bewältigen, um Standards und Praktiken zu gewährleisten, die die Rentabilität sicherstellen.
China ist weltweit Vorreiter bei der Einführung von Elektrofahrzeugen. Dort werden viele Herausforderungen zu beobachten sein, mit denen Länder, die derzeit einen Boom beim Verkauf von Elektrofahrzeugen erleben, bald konfrontiert sein werden.
Die Fähigkeit dieser Länder, die eigenen und importierten Ressourcen zu bewahren, wird von der Gesundheit und Stärke ihrer Wiederverwendungs- und Recyclingindustrien abhängen. Ein Blick auf China in den kommenden Monaten und Jahren wird zeigen, wie wirksam – oder nicht – diese jüngsten Regierungsrichtlinien bei der Verbesserung der Effizienz seiner Wiederverwendungs- und Recyclingmärkte gewesen sind.
Dieser Artikel von Carrie Hampel ist zuerst auf unserer englischsprachigen Plattform electrive.com erschienen. Die Übersetzung stammt von Domenico Sciurti.
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