Batterieforscher Jeff Dahn: Warum die Millionen-Meilen-Batterie sinnvoll ist
Das Batterie-Forscherteam um Jeff Dahn arbeitet weiter an der Millionen-Meilen-Batterie. Wie der Tesla-Batterieforscher bei einer Online-Konferenz erklärte, ist das eigentliche Ziel aber nicht, ein Elektroauto damit wirklich 1,6 Millionen Kilometer fahren zu lassen.
Im Kern sind die Arbeiten bereits bekannt: Schon im Oktober 2020 stellte Dahn mit seinem Team eine Zelle vor, die rund 10.000 Zyklen halten soll und dabei Fahrstrom für über drei Millionen Kilometer bieten würde. Auf diese Ergebnisse verweist Dahn auch bei seinem Auftritt bei der Batterie-Software-Konferenz „Twaice Vision“, die von dem Münchner Batterie-Analytik-Spezialisten Twaice organisiert wurde.
In einigen Schlussfolgerungen wich Dahn, der direkt aus seinem Büro in der Dalhousie-Universität zugeschaltet war, aber von den bisherigen Angaben ab. 2020 hatte Dahn etwa den Einsatz in Robo-Taxis mit extrem hohen Laufleistungen als mögliches Einsatzgebiet für derartige Zellen genannt.
Bei der aus München übertragenen Online-Konferenz von Twaice gab der Batterieforscher an, dass der Einsatz derart langlebiger Zellen in Privatautos nicht nur möglich, sondern künftig sogar notwendig sei. Aber nicht, um damit tatsächlich weit über eine Million Meilen in einem Elektroauto zu fahren.
„Wir müssen auf fossile Kraftstoffe verzichten“, sagte Dahn bei seinem Auftritt. „Die Installation von Solaranlagen und Windkraft ist günstiger als die von Kohle. Allerdings ist die Energieerzeugung nicht so konstant, weshalb wir Energiespeicher im großen Maßstab benötigen.“
V2G löst Energiespeicher-Knappheit
Gut sei, dass sich die Batterieproduktion weltweit ausgehend von 2020 bis 2030 mehr als verfünffachen werde. Aber: Die überwiegende Mehrheit der angekündigten und geplanten Produktionskapazitäten für Batteriezellen wird für alle Arten von E-Fahrzeugen geplant. Von E-Bikes über E-Autos bis hin zu Batterie-elektrischen Bussen und Lkw. „Das Wachstum wird von eMobility-Anwendungen getrieben, weniger von Energiespeichern“, so Dahn.
Um dennoch entsprechende Energiemengen in Grid Energy Storages speichern zu können, ist laut Dahn die Entwicklung von Vehicle-2-Grid-Anwendungen (V2G) unumgänglich. Mit bidirektionalem Laden kann die im Elektroauto verbaute Speicherkapazität für Netzaufgaben genutzt werden: Die Überlegung an und für sich ist nicht neu – die meisten Autos stehen den Großteil des Tages.
Für diese Aufgabe müssen laut dem Batterieforscher die Zellen geeignet sein. „Wenn eine EV-Batterie auf 800 Zyklen ausgelegt ist, reicht das zwar für die meisten Anwendungen im Auto, sie kann aber nicht gut für V2G genutzt werden“, sagt Dahn. Er rechnet für einen Grid Energy Storage mit 400 Zyklen pro Jahr. „Bei 10.000 Zyklen hält eine solche Batteriezelle 25 Jahre, was auch zur Lebensdauer von Solarpaneelen und Windrädern passt“, sagt der Forscher.
Um eine solche Zyklenfestigkeit zu erreichen, arbeitet das Forscherteam um Dahn mit Additiven für das Elektrolyt. In der Zelle reagiert das Elektrolyt mit der Zeit mit den Elektrodenmaterialien, weshalb sich auf der Oberfläche von Anode und Kathode eine dünne Schicht aus Reaktionsprodukten ablagert. Da viele dieser Reaktionsprodukte Lithium enthalten, ermöglichen sie weiterhin den Transport von Lithium-Ionen – dennoch sorgt der „Solid Electrolyte Interphase“-Film für eine verminderten Ionen-Transport. Die Zelle altert, die nutzbare Kapazität sinkt.
Mit reaktiven Additiven im Elektrolyt soll die Reaktion mit dem Elektrodenmaterial und damit die Ausbildung dieses Films verringert werden. „Über diese Additive, nur mit wenigen Gewichtsprozenten Beimischung, kann man die Lebensdauer von Lithium-Ionen-Batterien beträchtlich verlängern“, sagt Dahn.
Zelle für stationären Speicher hat andere Anforderungen als ein Elektroauto
Sein Team arbeitet dabei mit einer NMC532-Zelle mit Grafit-Anode. Diese Zellen werden trocken, also ohne Elektrolyt, von einem chinesischen Zulieferer bezogen. Im Labor wird dann der Elektrolyt mit den Additiven angemischt. „Die ideale Mischung der Additive zu finden, ist eine riesige Herausforderung, auf die wir im Labor sehr viel Zeit aufwenden“, berichtet der Forscher. Über mehrere Jahre wurde so eine Material-Kombination entwickelt, die bei Raumtemperatur nach 12.000 Zyklen noch auf 90 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität kommt.
Sehr wichtig: Eine derartige Haltbarkeit ist derzeit nur im Labor möglich, und auch das nur mit geringen Lade- und Entladeleistungen. Konkret wurde diese Zelle mit 1C geladen und entladen. Mit bis zu 3C ist die Lebensdauer immer noch überdurchschnittlich, aber bei Weitem nicht mehr so gut. Der Betrieb mit 1C ist aber wichtig für die Vehicle-to-Grid-Anwendungen, wenn das Auto mit geringer Leistung ge- oder entladen wird. Schnellladen schadet auf Dauer aber auch dieser haltbaren Batterie.
Am Ende seines Vortrags bei „Twaice Vision“ berichtet Dahn noch über ganz andere Herausforderungen: Wenn die Zellchemie so lange hält, versagen andere Komponenten wie das Gehäuse, die Modul-Hardware oder das Batteriemanagementsystem zuerst. „Wir hatten in unserem Labor bereits einen solchen Fall, dass das Lade-Equipment versagt hat und wir die Zelle in ein neues Umfeld bringen mussten“, so Dahn.
Die im Januar 2021 verlängerte Forschungs-Partnerschaft der Dalhousie University mit Tesla ist exklusiv. Der kalifornische Elektroautobauer ist somit mehr als nur ein einfacher Drittmittelgeber für die Universität. Die erste Vereinbarung wurde im Juni 2015 geschlossen, offiziell war die 2016 begonnene Vereinbarung bis 2021 angesetzt. Die aktuelle Vereinbarung läuft bis „mindestens 2026“.
Quelle: Webcast der Konferenz
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