Analyse: Elektrobusse legen europaweit weiter zu
Der Elektrobus-Boom in Europa hält an, wie ein Blick auf die Zulassungszahlen für Omnibusse im Jahr 2021 zeigt. Nach 2.210 Elektrobussen im Jahr 2020 wurden 2021 weitere 3.282 Elektrobusse (jeweils ohne Trolleybusse) neu zugelassen.
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Im Gegensatz zu den Reisebussen läuft das Geschäft mit Linien- und Überlandbussen nach wie vor gut. „Und das auf einem relativ hohen Niveau“, wie Wim Chatrou erklärt. Seit 25 Jahren recherchiert der Niederländer die Zulassungszahlen von Omnibussen. Die Dokumentation von Chatrou CME Solutions ist bei Herstellern wie Marktbeobachtern sowie Analysten gefragt, für electrive.net gab es einen exklusiven Einblick in das Zahlenwerk.
Für seine Recherche greift Wim Chatrou auf die Zulassungsdaten der offiziellen Behörden in den einzelnen Ländern zu, beispielsweise vom RAI-Datenzentrum in den Niederlanden (RDC) oder vom Kraftfahrt Bundesamt (KBA) in Deutschland. „Die jeweiligen Zulassungszahlen folgen zudem den Auslieferungen der Hersteller in jedem Land“, so Chatrou im Gespräch mit electrive.net.
Von den 14.990 im Jahr 2021 neu zugelassenen Linienbussen in den europäischen Märkten (EU27 erweitert mit UK, Island, NO, CH) sind mittlerweile schon 59,4 Prozent mit alternativen Antrieben ausgerüstet. Eine der Grafiken von Wim Chatrou, die die Entwicklung dieser Antriebe von 2012 bis 2021 visualisiert, zeigt seit 2017 einen steten Anstieg bei neu zugelassenen Elektro-, Brennstoffzellen-, CNG- und Hybridbussen.
Im letzten Jahr haben die Elektrobusse sogar die CNG-Fahrzeuge überholt. Der Anteil der Batterie-elektrischen Linienbusse stieg von 14,8 Prozent im Jahr 2020 auf 21,7 Prozent im Jahr 2021 an. Der Anteil der Erdgasbusse (überwiegend CNG, nur wenige Omnibusse von Irizar/Scania mit LNG sind gelistet) sank deutlich: Von 17,7 (2020) ging er auf 14,8 Prozent (2021) zurück. In Zahlen weist Chatrou CME Solutions für Elektrobusse 3.282 neue Fahrzeuge im Jahr 2021 aus, die CNG-Fahrzeuge kommen auf nur 3.088 Einheiten.
Bei Hybridbussen, meist Mildhybride, geht es nur noch langsam voran: Die Zulassungen kletterten von 19,7 auf 21,8 Prozent oder 3.285 Fahrzeuge. Einen deutlichen Sprung nach vorn legten die Busse mit Brennstoffzelle hin, nach 47 Fahrzeugen im Jahr 2020 meldet die Statistik für 2021 in Summe stolze 158 Neuzugänge in diesem Segment. Nach nur 0,3 Prozent Marktanteil im Vorjahr erreichten die „hydrogen city buses“ 2021 mit Blick auf 14.990 Linienbusse dann schon einen Anteil von 1,1 Prozent im Bereich der alternativen Antriebe.
Der Markt der Anbieter ist so überschaubar wie deren Anteil. Mit Caetano, Safra, Solaris, Van Hool und Wrightbus bedienen nur wenige Hersteller von Omnibussen dieses Segment. In der Statistik für 2021 tauchen auch zwei Elec City FuelCell von Hyundai auf. Diese sind als Kundenfahrerprober von den Koreanern zugelassen worden und europaweit bei Verkehrsbetrieben im Testeinsatz.
Vor anderthalb Jahren hat die Bundesregierung ihre milliardenschwere Wasserstoff-Offensive verkündet. Die Erfolge sind bisher überschaubar, das Geschäft mit „hydrogen city buses“ kommt nicht so richtig in Fahrt. Da auch die benötigte Ladeinfrastruktur und -peripherie gefördert wird, gab es für dieses Segment in Deutschland 2021 schon 33 Einheiten, wie Chatrou CME Solutions ermittelt hat.
Von 2012 bis 2021 wurden in Europa 259 „hydrogen city buses“ zugelassen, die größten Lieferanten waren in diesem Zeitraum der belgische Hersteller Van Hool mit 96 Bussen gefolgt von Wrightbus aus Nordirland mit 71. Solaris aus Polen lieferte 38 Einheiten aus, der portugiesische Bushersteller Caetano kommt auf 24 Busse sowie Safra auf 19. Dazu gesellen sich je vier von Mercedes-Benz sowie VDL, zwei Hyundai-Fahrzeuge und eins von Solbus.
Im Wasserstoff-High-Tech-Land Deutschland fehlen die heimischen Anbieter, Daimler Truck dürfte sich bis 2024 für flüssig- oder gasförmigen Wasserstoff für die Bussparte entschieden haben und dann entsprechende Omnibusse anbieten. Weil die Batterie-elektrische Citaro-Baureihe aktuell ein Bestseller ist, wurde der eCitaro mit H2-Range-Extender dem Vernehmen nach vorerst auf Eis gelegt. Er soll frühestens 2024 auf den Markt kommen. Die Volkswagen AG hält sich im Nutzfahrzeugbereich mit der deutschen Marke MAN im Stadtbusbereich mit Wasserstoff völlig zurück. Das gilt auch für die hauseigenen H2-Verbrennermotoren, die weiterentwickelt werden.
Mercedes-Benz eCitaro mit den meisten Neuzulassungen in Deutschland
Das Geschäft mit alternativen Antrieben in Europa machen derzeit nicht die deutschen Marken. Mercedes-Benz glänzt aber zumindest hierzulande bei den Neuzulassungen: Von 555 neu zugelassen Elektrobussen in Deutschland im Jahr 2021 entfallen 251 auf den eCitaro. Der Elektrobusmarkt stieg von 350 neuen Fahrzeugen im Jahr 2020 weit über die 500er Marke im Jahr 2021. Satte 45 Prozent aller neuen Elektrobusse in Deutschland im vergangenen Jahr trugen den Stern in der Frontmaske.
Nachdem Solaris das Ranking der Elektrobusse 2020 in Deutschland noch anführte, hat es der polnische Hersteller 2021 nicht mehr auf das Siegertreppchen der Zulassungsstatistik geschafft. VDL aus den Niederlanden holte sich den zweiten Platz mit 123 neu zugelassenen Elektrobussen der Citea-Baureihe in Deutschland. Und MAN fuhr bei der Platzierung immerhin auf den dritten Platz des Siegertreppchens vor, ganze 68 Lion’s City E wurden im letzten Jahr hierzulande neu zugelassen.
Das Volumen der Linienbusse (und hier insbesondere die mit alternativen Antrieben) scheint nicht unter der Pandemie zu leiden, seit 2019 liegt die Zahl auf einem relativ hohen Niveau. Alternativen sind schon längst über die Nische hinausgewachsen, Linienbusse mit alternativen Antrieben sind europaweit bei den Herstellern fester Bestandteil des Portfolios. 2020 wurden bei den Linienbussen (Stadt- und Überlandsegment) mit alternativen Antrieben (Hybrid-, CNG-, Elektro- und Brennstoffzellen-Busse) 8.338 Fahrzeuge neu zugelassen, 2021 waren es in Summe 9.813 Fahrzeuge.
Der Elektrobus-Boom hält an, wie ein Blick auf die Zulassungszahlen für Omnibusse im Jahr 2021 zeigt. 390 der insgesamt 3.282 neuen Elektrobusse weist Niederländer Chatrou für Solaris aus, die polnische Marke unter dem Dach des spanischen Herstellers Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles (CAF) kommt damit im letzten Jahr europaweit auf 11,9 Prozent. Schaut man auf die Statistik von 2012 bis 2021 führt auch Solaris, 1.132 oder 13,3 Prozent sind es in Summe.
Mitunter ist auch zu lesen, dass die chinesische Marke BYD den ersten Platz in Europa innehabe. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn man zu den eigenen Elektrobussen der Chinesen noch die auf einem Elektrobuschassis von BYD aufgebauten Elektrobusse anderer Marken addiert. Im Vereinigten Königreich kooperiert BYD mit Alexander Dennis. Im Jahr 2021 entfallen auf die Kombination 375 Elektrobusse oder 11,4 Prozent. Eigene Elektrobusse der Marke BYD kamen 2021 auf einen Anteil von 7,8 Prozent oder 257 Einheiten.
Mit Blick auf die von Chatrou CME Solutions dokumentierte Dekade sind für BYD von 2012 bis 2021 insgesamt 1.088 eigene Elektrobusse erfasst, für ADL mit BYD weitere 803. Reine Ansichtssache, aber zukünftig wird man sich auch fragen müssen, wie die von Mercedes-Benz oder Volvo Buses angebotenen Elektrobuschassis in der Statistik zu berücksichtigen sind. Wenn BYD im Vereinigten Königreich auf die Kooperation mit ADL pocht, dann müssen auch diese Fahrzeuge in der Statistik als eigenständig ausgewiesen werden.
Yutong liegt noch vor BYD
Nicht zu unterschätzen ist aber, dass die Chinesen als BYD im Jahr 2021 immerhin 7,8 Prozent Marktanteil erobert haben. Noch erstaunlicher ist, dass sie damit nur auf Platz 6 kommen und hinter Yutong liegen. Still und leise hat Yutong mit 303 Elektrobussen den 4. Platz in Europa im Jahr 2021 erobert. Jeweils über 100 Fahrzeuge in Dänemark und im Vereinigten Königreich zeigen, dass das Geschäft gerne über Volumen gemacht wird.
Die Zhengzhou Yutong Group ist als Aktiengesellschaft 1993 gegründet worden und Anfang der 2000er-Jahre gelang es den Chinesen mithilfe eines Kooperationsvertrages mit MAN, die Omnibusse an internationale Standards anzupassen. Schnell verbesserten sich globale Absatzmöglichkeiten, 2005 wurde Yutong Europe in Island gegründet, seit 2013 ist Yutong in Großbritannien und Irland am Markt.
Und spätestens seit 2019 ist Yutong in ganz Europa angekommen, nicht nur auf der Busworld in Brüssel als Aussteller, sondern auch als Hersteller von Omnibussen für europäische Kunden. Was jahrelang nicht selbstverständlich war, haben die Chinesen nun gelernt: Eine eigene Formensprache muss her. Mit dem Elektrobus U12 zeigte Yutong in Brüssel, dass man verstanden hat, dass in Europa mehr auf geometrische Linien, die mit dem Stift gezeichnet sind, als auf etwas mit dem Pinsel gemaltes Freies setzt.
Auch wenn es noch nicht primär Fahrzeuge der U12-Baureihe sind, Yutong verkauft sich in Frankreich, Italien und Portugal genauso gut wie in Finnland und Norwegen oder eben auch Polen. In Deutschland ist Yutong bisher noch nicht aktiv, BYD hat mit der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG einen ersten deutschen Kunden gefunden, der 22 Elektrobusse aus chinesischer Produktion seit 2020 im Fuhrpark hat.
Wie gut man das Geschäft mit Elektrobussen im Reich der Mitte beherrscht, zeigt ein Blick auf den chinesischen Markt: Dort wurden im Jahr 2020 von Yutong 15.940 Elektrobusse neu zugelassen. BYD kommt auf 9.125 Elektrobusse, Platz 3 geht an CRRC mit 5.503 Elektrobussen. BYD musste in der Heimat einen herben Rückschlag erleiden und hat im letzten Jahr ein deutliches Minus in der Produktion eingefahren: 2021 wurden nur noch 5.772 Elektrobusse in China abgesetzt.
Gründe sind einerseits in der veränderten Subventionspolitik der chinesischen Regierung für den heimischen E-Fahrzeugmarkt und in der Covid-19-Pandemie und den damit mitunter zurückgehaltenen Bestellungen zu sehen, wie BYD erklärt. Gleichzeitig kann BYD aber auch einen echten Meilenstein vermelden: 2012 wurde der erste Elektrobus vorgestellt. Im Januar 2022, zehn Jahre später, ist nach eigenen Angaben des chinesischen Herstellers der 70.000. Elektrobus produziert worden.
70.000 BYD-Elektrobusse innerhalb von 10 Jahren produziert
Immerhin 2,5 Prozent davon seien in Europa auf die Straße gekommen, so BYD. Trotz rückläufiger Produktionszahlen im Jahr 2021 ist BYD fest entschlossen, im Bereich der Elektrobusse weiter zu expandieren, denn der Markt boomt nicht nur in Europa. Die Chinesen setzen dabei auf unterschiedliche Strategien, es werde immer lokal agiert, wie beispielsweise die Kooperation in Großbritannien mit Alexander Dennis oder das jetzt wieder geschlossene Montagewerk in Frankreich zeigt.
Es bleibt spannend, denn mit dem politisch gewollten Wasserstoff als Energielieferanten und neuen Batteriegenerationen werden nach den Linienbussen nun auch die Segmente des Überland- und Reiseverkehrs elektrifiziert werden. Europa folgt einem Trend, der nicht nur in China, sondern auch in den USA zu erkennen ist.
Was ist mit den deutschen Herstellern? Mercedes-Benz ist im Ranking der Chatrou CME Solutions-Statistik für Europa im letzten Jahr auf Platz 3 vorgefahren, mit Blick auf die Jahre 2012 bis 2021 liegt das Unternehmen auf Platz 7 mit einem Marktanteil von 6,8 Prozent in Europa. Und MAN? Platz 10 im letzten Jahr, Platz 12 und ein Marktanteil von zwei Prozent in den erfassten zehn Jahren. Beide Hersteller bieten aktuell nur Batterie-elektrische Linienbusse an.
MAN hat im vergangenen Jahr eine neue Überland-Generation vorgestellt, ganz konventionell mit Dieselmotor. Ab 2023 sollen dann auch ein Efficient-Hybrid-System mit Start-Stopp-Automatik folgen, eine E-Variante wurde bisher nicht angekündigt. Anders sieht es bei Daimler Truck aus: Das Überlandsegment überlasst man der Marke Setra. Hier ist für 2023 eine spannende neue Baureihe angekündigt.
Neben den Herstellern lohnt noch ein Blick auf die einzelnen Märkte: Über den Zeitraum 2012 bis 2021 beherrschen die Niederlande den Elektrobusmarkt mit 1.319 Fahrzeugen oder 15,5 Prozent von bisher insgesamt 8.513 zugelassenen Elektrobussen. Deutschland erreicht mittlerweile mit 1.228 E-Bussen und 14,4 Prozent den 2. Platz, dicht gefolgt vom Vereinigten Königreich mit 1.150 E-Bussen und 13,5 Prozent. Es folgen Frankreich (11,9 Prozent), Schweden (7,4 Prozent), Polen (7,1 Prozent), Norwegen (5,5 Prozent), Italien (4,7 Prozent), Spanien (3,7 Prozent) und Finnland (3,6 Prozent).
Dass hier Bewegung im Spiel ist, hat das letzte Jahr gezeigt: Der europäische Elektrobus-Primus Niederlande fällt auf nur 152 neuen Elektrobussen auf Platz 9 zurück, Deutschland erobert den ersten Platz mit 555 neuen Elektrobussen oder 16,9 Prozent. Den zweiten Platz im Jahr 2021 holte das Vereinigte Königreich mit 540 Fahrzeugen bzw. 16,5 Prozent, Frankreich folgt mit 512 Elektrobussen und 15,6 Prozent auf Platz drei. Im 2021er-Ranking folgen dann Dänemark (217/6,6 Prozent), Polen (215/6,6 Prozent), Finnland (5,8 Prozent), Schweden (5,8 Prozent), Italien (5,4 Prozent), Niederlande (4,6 Prozent) und Spanien (3,9 Prozent).
Nach zehn Jahren der intensiven Marktbeobachtung und -analyse ist für Wim Chatrou klar, dass das Geschäft mit Elektrobussen ein ganz spanendes bleibe: „Die Hersteller wechseln die Plätze in den einzelnen Ländern immer wieder, die Spitzenplätze in Europa sind hart umkämpft.“ Und weiter betont der Niederländer: „Die Zahlen des Jahres 2021 sagen nichts über den Auftragsbestand oder über das, was im Jahr 2022 oder später noch geliefert werden muss, aus.“ Hier sind es dann die Hersteller selbst, die im laufenden Jahr ihre Auftragseingänge darstellen und zeigen, wie gut sie im wachsenden Elektrobusmarkt mit ihrem Produkt angenommen werden, wenn Aufträge und Optionen entsprechend kommuniziert werden.
Autor: Rüdiger Schreiber
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