Cizaris 12 EV: Quantron steigt mit eigenem E-Bus in den Stadtbusmarkt ein
Auf dem Weg zum Full-Range-Anbieter elektrifizierter Systemlösungen hat Quantron nun seinen ersten eigenen vollelektrischen Stadtbus vorgestellt. Den Marktstart des Cizaris 12 EV unter anderem in Deutschland setzen die Augsburger für die zweite Jahreshälfte 2022 an. Im kommenden Jahr soll eine Brennstoffzellen-Version folgen.
Auf einem Stativ ist ein roter Knopf befestigt, nach einer kurzen Einführung laufen Quantron-Vorstandsvorsitzender Andreas Haller, CEO Michael Perschke zusammen mit Moderator Roger Atkins von einer kleinen Bühne ab und darauf zu. Perschke zählt runter: „three, two, one“. Eine Hand über der anderen betätigen sie gemeinsam den Knopf. Musik sorgt für den dramatischen Effekt, über dem Bildschirm läuft ein weiterer Countdown, von zehn rückwärts. Bis auf einem tonalen Höhepunkt dann der Vorhang fällt und der zwölf Meter lange E-Bus enthüllt wird, der dann vor dunklen Wänden in einer Halle in Augsburg steht.
Quantron hat während einer Online-Veranstaltung seinen ersten eigenen vollelektrischen Stadtbus, den Cizaris 12 EV, präsentiert. Der E-Bus stellt den Einstieg des 2019 aus der Haller GmbH hervorgegangenen Unternehmens in den nachhaltigen Stadtbusmarkt dar. „Der Bus, den wir heute vorstellen, ist das erste Produkt unserer Q-Mobility“, erläutert Perschke. „Und Q-Mobility sind unsere eigenen Fahrzeuge – hier in Augsburg entworfen und konstruiert.“
Der Cizaris wird zunächst als reine Elektro-Version (Cizaris 12 EV) starten und laut Haller als europäischer Standard-Citybus positioniert. Die Konstrukteure von Quantron haben das Fahrzeug auf der Basis eines Fahrgestells aufgebaut, das sich in Tausenden von Bussen in Asien bewährt habe. Durch die unternehmerische Verbindung mit dem asiatischen Hersteller EV Dynamics genießt das Unternehmen eine besondere Stellung als „Preferred Partner“. Mit dem Cizaris werde die Preislücke zwischen Diesel und BEV-Busse reduziert, so Haller weiter. Im kommenden Jahr soll es das Modell auch als Brennstoffzellen-Version geben, dann mit dem Namen Cizaris 12 H.
Der Cizaris wird in der Firmenzentrale in Augsburg „europäisiert“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Dort werden markentypische Designmerkmale und kundenspezifische Anpassungen vorgenommen, unter vielem anderen zum Beispiel Sitze von Kiel und die Fahrtzielanzeige eingebaut. „Europäisiert“ heißt aber auch, dass die eigentliche Fertigung nicht in Europa erfolgt – das stand aber bereits seit dem vergangenen Jahr fest. Im August 2021 hatte Quantron eine Partnerschaft mit Ev Dynamics geschlossen, inklusive gegenseitiger Aktien-Beteiligungen – gleich mehr dazu. Bereits damals kündigte Haller an: „Quantron und Ev Dynamics werden gemeinsam BEV- und FCEV- Fahrzeuge auf den Markt bringen. Quantron entwickelt die Produkte auf Basis unserer langjährigen Expertise in Deutschland und Europa. Die Produktion erfolgt durch Ev Dynamics.“ Ev Dynamics verfügt über ein Bus-Werk im chinesischen Wulong.
Zur Markteinführung liegt der Vertriebsfokus vorerst auf den Märkten Osteuropa, dem Nahen Osten, Skandinavien und Südeuropa. Aufgrund der besonderen Anforderungen des deutschen Marktes wird der Marktstart in Deutschland, Österreich und der Schweiz erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 erfolgen.
Bei der Batterie- und Traktionstechnik setzt Quantron auf eine Kombination aus Lithium-Eisenphosphat-Batterien und Synchron-Zentralmotor. Diese Kombination, so das Unternehmen, sei in Europa bisher eher selten anzutreffen, und stelle aus Quantron-Sicht „das optimale Zweierteam dar, um die Energie an Bord so sicher und effizient wie möglich in Vortrieb umzuwandeln“.
Die Batteriepacks stammen vom Partner CATL. Kunden können zwischen 242 bis 424 Kilowattstunden Batteriekapazität auswählen. Montiert werden sie auf dem Dach – je nach Wunsch maximal sechs vorne und sechs hinten. Mit 65 bis 150 kW Gleichstrom (DC) können sie in zwei bis fünf Stunden schnellgeladen werden, gibt Quantron an. Ein CCS-Combo-Stecker kann rechts oder links am Fahrzeug oder im Heck verbaut werden, auch hier ist der Kundenwunsch ausschlaggebend. Im mittelschweren eSORT 2-Zyklus reicht diese Energie bei einem Ladehub (DoD) von 10 Prozent für Umläufe von 220 bis 370 Kilometer, so Quantron. Die Reichweite sei für die meisten Verkehrsbetriebe ausreichend, für höhere Reichweiten verweist das Unternehmen auf die Wasserstoff-Version im kommenden Jahr.
Der fahrzeugfest montierte und wassergekühlte Zentralmotor stammt von Dana/TM4 und leistet (nominal/maximal) 145/245 Kilowatt. Der Motor besitzt ein maximales Drehmoment von 1.055/3.329 Newtonmeter. Mit der Einführung der Brennstoffzellenversion soll ein nochmals leistungsfähigerer Antriebsstrang zur Anwendung kommen.
Der Cizaris trägt den weiterentwickelten Quantron-Schriftzug sowie das neue Logo – das Ergebnis einer aktualisierten Corporate Identity, die das Unternehmen auf dem Weg zum OEM (Original Equipment Manufacturer) vollzogen hat. Das Fahrzeug erscheint denn auch in gezielt gesetzten Farbanteilen, die Quantron „Absolute Zero Blue“ nennt. Für das Rebranding unter dem Motto Quantron Vision 2025 holte sich das Design- und Strategieteam von Quantron die Hilfe des italienischen Designers Fabio Filippini sowie einem Team von der Agentur Mormedi an die Seite. In Arbeit ist zudem ein eigenständiges Fahrzeugdesign für das gesamte Fahrzeugprogramm. Der Cizaris gibt einen Einblick in das neue Konzept, Quantron hebt dabei die dreigeteilten, intermittierenden „Lauflicht-Blinker“ im Bug hervor.
Die Windschutzscheibe beim Cizaris ist weit nach unten gezogen. Die vorderen und auch hinteren Dachkanten sind abgerundet, wodurch das Fahrzeug in Verbindung mit der Seitengrafik einen dreidimensionalen Eindruck vermittelt. Durch die Konstruktion als reiner Elektrobus verzichtet der Hersteller auf einen herkömmlichen „Aggregate-Turm“ im Heck. Am Heck befinden sich großen Rückleuchten, die teilweise in Milchglas oder in Lichtlauftechnik ausgeführt sind.
Gäste steigen durch zwei bzw. drei 1,2 Meter breite Türen, die optionale dritte Tür befindet sich am Heck. Zur Serienausstattung gehören pneumatische Innenschwenktüren, auf Wunsch können auch elektrische Außen-Schwenk-Schiebetüren verbaut werden. Die Stehhöhe gibt Quantron mit 2,45 Meter an. Der vordere Bereich bis zur zweiten Tür ist niederflurig ausgelegt.
Beim Zweitürer sind vier Sitzkonfigurationen lieferbar, beim Dreitürer gibt es fünf. Der Bus bietet 24 bis 35 Sitzplätze und hat – je nach Batteriepaket – inklusive Stehplätze Platz für insgesamt 81 bis 95 Personen. Die hinteren Sitzplätze sind auf einem Podest befestigt.
Für das Klima an Bord sorgt eine Valeo-Wärmepumpe/Klimaanlageneinheit mit einer Kälteleistung von 33 kW. Durch das Prinzip der „Positive Temperature Coefficient Heating (PTC)“ kann die Gesamtheizleistung bei Bedarf auf insgesamt 50 kW erhöht werden. Das Verfahren ermögliche eine effektive, dem Batteriebetrieb angepasste Heizleistung mit niedrigerem Energieeinsatz. Von den Coronazeiten geprägt stattet Quantron den Bus auch mit antiviralen Filtern und einer geschlossenen Fahrerkabine aus.
Auch der Fahrerarbeitsplatz ist auf einem Podest montiert. Die Ausstattung des Cockpits beschreibt der Hersteller mit „Weniger ist mehr“, das Panel sei sehr funktional gehalten und mit einem Monitor für zum Beispiel die Rückfahrkamera ausgestattet. Rechts am Lenkrad befindet sich ein Rekuperationshebel, mit dem der Busfahrer in drei Stufen die Leistung der Bremsenergierückgewinnung auswählen kann. Ein volldigitaler Instrumentencluster von Actia informiert ihn über Vorgänge und Statusmeldungen.
Der Name des neuen Fahrzeugs ist natürlich nicht zufällig gewählt. Das „CI“ steht für City, also Stadt, der Einsatzbereich des neuen Fahrzeugs. „Z“ ist aus Zero Emission (Null Emissionen) abgeleitet und das Suffix „ARIS“ stammt nach Angaben des Unternehmens aus dem Griechischen und stehe für „das Edelste/das Beste“. Doch das ist nicht alles: Quantron schafft bei der Namensgebung auch eine Verbindung zur Heimatstadt Augsburg. Denn Ciza oder Cisa(ris) sei der Name der Fruchtbarkeitsgöttin des germanischen Volkes der Vindeliker gewesen, die zwischen der Wertach und dem Lech ansässig waren.
Im Kaufprozess wird Quantron seinen Kunden bei der Konfiguration des Fahrzeugs unterstützen, dessen Strecken und die notwendige Ausstattung analysieren. Auf das Gesamtfahrzeug gibt Quantron eine Garantie von zwei Jahren, bei den Batterien sind es acht Jahre oder 3.000 Lade-Zyklen (oder 80 Prozent Ladekapazität – je nachdem was zuerst erreicht wird). Wer will, der kann die Serviceverträge an seine Wünsche anpassen. Quantron gibt an, über ein Netzwerk von 700 Servicepartnern in Europa zu verfügen, von denen viele auch Elektrobusse warten könnten.
Quantron ist zwar als Umrüster von Nutzfahrzeugen gestartet, hat sich aber schnell als Systemanbieter für Batterie- und wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeuge einen Namen gemacht. Bei dem Partner Ev Dynamics handelt es sich um ein europäisch-asiatisches Konsortium von Unternehmen mit Spezialisierung auf Elektro- und wasserstoffbasierter Mobilität. Im August 2021 sind Ev Dynamics und Quantron gegenseitige Aktionäre geworden, mit dem Ziel, dass Ev Dynamics Quantron bei Umrüstungen und technischen Entwicklungen unterstützen. Nach Abschluss des Aktientauschs soll den Informationen von damals zufolge Ev Dynamics etwa 14 Prozent des Aktienkapitals der Quantron AG halten. Mehrheitseigner blieb Andreas Haller. Welchen Anteil Quantron im Gegenzug an Ev Dynamics erworben hat, wurde nicht genannt.
Zur Entwicklung bei Quantron und der Produktion bei Ev Dynamics sagte Haller damals: „Damit wird Ev Dynamics eine wichtige Rolle bei unserer globalen Wachstumsstrategie spielen. Beide Unternehmen werden zudem strategische Partnerschaften mit Brennstoffzellen-Unternehmen evaluieren. Der Aktientausch ist ein weiterer Meilenstein für das strategische Wachstum beider Unternehmen.“
2020 machte die Quantron AG bekannt, sich von einem Nutzfahrzeug-Umrüster zu einem Full-Range-Anbieter elektrifizierter Systemlösungen weiterentwickeln zu wollen. Gegründet wurde Quantron 2019, die Idee für das Unternehmen wurde in dem Gersthofener Iveco-Vertragspartner und Nutzfahrzeugspezialisten Haller geboren. Am Anfang bot das Startup auf Hybrid- oder E-Antriebe umgerüstete Varianten des Iveco Daily an. Das Geschäft wuchs aber schnell über die Umrüstungen (auch von Lkw und Bussen) hinaus: Bereits im November 2019 wurde mit dem türkischen Bus-Hersteller Karsan eine exklusive Vereinbarung zum Vertrieb der E-Busse Jest Electric und Atak Electric in Deutschland abgeschlossen. Im April 2020 wurde Quantron – keine zwölf Monate nach seiner Gründung – zum Vertriebs- und Aftersales-Partner für Nutzfahrzeuge und Industrieanwendungen für CATL in Europa.
quantron.net
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