Ferronordic investiert in den deutschen Verteilerverkehr
Das schwedische Unternehmen Ferronordic hat diverse mittelschwere E-Lkw für den Einsatz im deutschen Verteilerverkehr bestellt. Die Fahrzeuge von Volvo und Renault sollen nun bei Kunden im Alltagsbetrieb getestet werden. Ein Knackpunkt ist die Ladeinfrastruktur. Ferronordic selbst stellt dafür weitere Mittel bereit. Unsere Reporterin Nicole de Jong hat mit dem Unternehmen gesprochen.
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Die 2010 gegründete Ferronordic hat 32 vollelektrische mittelschwere Lkw von Renault Trucks und Volvo Trucks bestellt, die bis Ende März ausgeliefert werden. Das Unternehmen mit Sitz in Schweden hat sich auf den Service und Vertrieb von Baumaschinen und Lkw fokussiert und beschäftigt an über 100 Niederlassungen rund 1.800 Mitarbeiter. „Wir haben uns entschieden, in die Elektromobilität zu investieren, weil diese in unseren Augen die Zukunft darstellt“, sagt Martin Bauknecht, Geschäftsführer von Ferronordic in Deutschland. Er erwarte, dass in der EU aus Klimaschutzgründen die Beschränkungen für Diesel-Lkw vor allem in größeren Städten zunehmen werden und damit die Nachfrage nach Fahrzeugen mit geringeren Emissionen steigen wird.
„Gerade sind die ersten Abrollkipper-Fahrzeuge in unserer Niederlassung in Offenbach bei Frankfurt eingetroffen“, fügt er hinzu. Sie sollen dort und im näheren Gebiet zum Einsatz kommen, weitere E-Lkw werden in den Ballungszentren von Leipzig und Hannover unterwegs sein, in dessen Nähe Ferronordic derzeit ein neues Service- und Vertriebszentrum baut. In einem nächsten Schritt sollen weitere Einsatzgebiete dazukommen. Investiert hat Ferronordic in 11 Volvo FE Electric (26-Tonner) und FL Electric (16-Tonner) sowie 21 Renault D Z.E. (16-Tonner), D Wide Z.E. (26-Tonner) und 5 Renault Master Z.E. (3,5 Tonner), die alle für den städtischen Verteilerverkehr konzipiert sind.
Ein Blick auf die Fahrzeuge
Der Volvo FL Electric kann je nach Kundenwunsch und Einsatzzweck mit drei bis sechs Batterien (à 66 kWh) ausgestattet werden, die bei sechs Batterien bis zu 395 kWh leisten. Ihre Reichweite beträgt bis zu 300 Kilometer. Der Ladevorgang des Volvo FL Electric dauert bei drei Batteriepacks bei 22 kW (AC) 10,5 Stunden, bei 150 kW (DC) 1,5 Stunden. Der Volvo FE Electric verfügt über bis zu vier Batterien (insgesamt 265 kWh), die Schnellladung (DC) dauert zwei Stunden, das langsame Laden nimmt bis zu elf Stunden (AC) in Anspruch. Die Batterie ist für circa 200 Kilometer im Verteilerverkehr ausgelegt.
Die Ferronordic-Flotte der Renault-Elektrofahrzeuge beginnt in der kleinsten Kategorie mit dem leichten Nutzfahrzeug Renault Master Z.E., der eine Reichweite von 120 Kilometern bei einer Batterie von 57 kWh hat. Der Renault D Wide Z.E. (für Zero Emission), der sich besonders für den Stadtverkehr eignet, hat vier Batterien à 66 Kilowattstunden (kWh), die in der Summe auf 265 kWh kommen. Die Reichweite wird mit 180 Kilometern im Verteilerverkehr beziffert. Auch hier funktioniert die Stromversorgung über AC- oder DC-Ladung mit ähnlichen Ladezeiten wie bei den Volvos. Im Portfolio von Renault Trucks erzielt der D Z.E. die größte Reichweite: Er kommt bei den maximal möglichen sechs Batterien auf eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern.
Der Grund dafür, dass nicht von jeder Marke die gleiche Anzahl von Fahrzeugen bestellt wird, liegt laut Bauknecht darin, dass sich Renault in Deutschland im Segment der leichten und mittleren Nutzfahrzeuge als reiner Hersteller von Elektrofahrzeugen positioniert hat. Die gleichnamigen Verbrennerfahrzeuge bietet er nicht mehr an. Bei Volvo sind die Electric-Ausführungen als Ergänzung zu sehen. „Wir befinden uns in der Pionierphase und sind glücklich, dass Volvo und Renault in der Nutzfahrzeugwelt Innovationstreiber sind und die E-Lkw serienmäßig auf die Straße bringen“, betont er.
Alltagsbetrieb bei Kunden im Test
Ferronordic will die Fahrzeuge zunächst seinen Kunden aus Kommunen oder Verteilerbranche vorführen und ihnen ein Fahrerlebnis ermöglichen. „Wir sehen sie als Müllsammelfahrzeuge, Kehrmaschinen oder auf Betriebshöfen als Kipperversion – also in Einsatzgebieten, wo täglich nicht allzu viele Fahrkilometer zusammenkommen“, sagt Bauknecht. Gerade im Rhein-Main-Gebiet könnten die E-Lkw mit Kofferaufbau und Ladebordwand auch im Verteilerverkehr unterwegs sein, wo über den Frachtflughafen oder per Binnenschiff viele Waren ankommen. Auch für Getränkehändler, die Gastronomie und Hotellerie beliefern, könnten sich E-Lkw eignen.
Kunden sollen die Möglichkeit bekommen, die Fahrzeuge im Alltagsbetrieb zu testen, herausfinden, wie sie mit Reichweiten von bis zu 400 Kilometern zurechtkommen und wo sich die Lkw aufladen lassen. Nicht jeder Kunde habe an jedem seiner Standorte die entsprechende Ladeinfrastruktur aufgebaut. Auch Ferronordic ist noch nicht so weit. „Wir möchten jeden unserer Standorte zunächst mit Wallboxen ausstatten und stellen dafür für dieses Jahr ein Budget von 500.000 Euro bereit“, erzählt Bauknecht. Die seien nicht nur für Lkw, sondern auch für Pkw ausgelegt, denn Ferronordic will auch seine Dienstwagenflotte nach und nach elektrifizieren.
Das Unternehmen stimme sich beispielsweise am Standort Offenbach mit dem örtlichen Netzversorger ab. „Wir haben nun erfahren, dass die Infrastruktur für die Stromversorgung gar nicht ausreicht, um zwölf Hochvoltladestationen aufzubauen“, sagt der Geschäftsführer. Dennoch sollen dort Lkw-Schnellladesäulen mit 250 oder 350 kW installiert werden. Ferronordic will das mit einem renommierten Hersteller realisieren, den er namentlich nicht nennen möchte.
Während Ferronordic sein eigenes Ladenetzwerk aufbaut, müssen auch die Kunden in ihre eigenen Lademöglichkeiten investieren. Um beim Beispiel des Getränkelieferanten zu bleiben, müsste der Kunde an seinem Lagerstandort die Möglichkeit schaffen, E-Lkw beispielsweise über Nacht aufzuladen. Die Ausliefertour müsste er auch mit Blick auf die öffentliche Ladeinfrastruktur koordinieren. „Alle sind gefordert, umzudenken“, betont Bauknecht.
Ferronordic bezieht Stromversorgung in Wachstumsplanungen ein
Die große Frage, wo der ganze Strom herkommen soll, bleibe. Ferronordic wachse und wolle dieses Jahr neue Betriebe bauen, wie der bereits genannte in Wunstorf bei Hannover, der rund sechs Millionen Euro kosten wird und im dritten Quartal 2022 fertig sein soll. Dort – und das gelte für alle neuen Standorte – werde eine Photovoltaikanlage auf das 2.300 Quadratmeter große Dach moniert, um einiges an Strom selbst produzieren zu können. Auch werden alle neuen Niederlassungen die nötige Infrastruktur zum Aufladen und Betanken von Elektro- und LNG-Lkw erhalten.
Für seine E-Trucks hat Ferronordic noch keinen Förderantrag gestellt. Im März soll Bauknechts Informationen zufolge ein neues Förderprogramm aufgelegt werden. „Wir wollen dann einen Antrag für unsere eigenen Elektrofahrzeuge in unserer Mietflotte stellen“, sagt er, schließlich würden die bislang im Vergleich zu herkömmlich angetriebenen Fahrzeugen noch mit dem 4,5-fachen Kaufpreis zu Buche schlagen. Ferronordic wolle jedoch als Händler die E-Lkw zu einem reellen Marktpreis verkaufen oder vermieten und den Service für die Kunden erledigen.
Weiterhin investiert Ferronordic in die Ausbildung und Schulung seiner Werkstattmitarbeiter, die künftig in der Lage sein sollen, Wartung und Reparatur der E-Trucks mit Hochvolt-Technologie zu erledigen. Die Werkstätten sollen alle mit den entsprechenden Werkzeugen ausgestattet werden, auch in Ersatzteile will das Unternehmen investieren, um jederzeit lieferfähig zu sein. An seinen derzeit 15 deutschen Standorten sollen dafür fünf- bis sechsstellige Euro-Beträge fließen. Aber auch Verkäufer sollen entsprechende Fortbildungen zum Thema E-Fahrzeuge erhalten, um Kunden adäquat beraten zu können, mit dem Ziel, dass sechs Prozent der verkauften Lkw einen E-Antrieb haben sollen.
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