Marke Volkswagen richtet Technische Entwicklung neu aus
Vor dem Hintergrund des Wandels zur Elektromobilität und vor allem zur Digitalisierung hat Volkswagen angekündigt, den Fokus und die Arbeitsweise der TE neu auszurichten. Laut Entwicklungsvorstand Thomas Ulbrich wird das auch massiven Einfluss auf die künftigen E-Autos wie den Trinity haben.
Dafür hat Ulbrich der von ihm geleiteten TE das Motto „Software first“ anstelle des lange Zeit in Wolfsburg verankerten „Hardware first“ verpasst. „Software ist der Kern und Antrieb für unsere Transformation“, sagte Ulbrich bei einem Pressegespräch. „Früher war die Welt noch einfach, ein Käfer war nur Hardware. Unsere ID.-Modelle sind mehr Soft- als Hardware.“ Und diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren rasant fortsetzen: Laut Ulbrich wird der Trinity nochmals zwei bis zweieinhalb Mal so viel Code enthalten wie der aktuelle ID.3.
In der Software, der konsequenten Vernetzung und der damit verbundenen Transformation vom Autobauer zum Tech-Unternehmen sieht Volkswagen enormes Potenzial. „Wir sorgen für zusätzlichen Schub bei der Elektromobilität, dem Geschäft mit der Software – und langfristig – dem autonomen Fahren,“ sagt der Manager, der lange Zeit als eMobility-Vorstand die Markteinführung der ID.-Modelle verantwortet hat.
Bisher hat die Entwicklung mit dem Bauteil selbst begonnen. „Jedes Bauteil wurde relativ isoliert konstruiert und später optimiert“, so Ulbrich. „Eine Orientierung am Bauteil funktioniert nicht mehr, wir müssen die Entwicklung an der Funktion aufhängen.“ Sein Beispiel: Wenn ein Kunde künftig in einem autonom fahrenden Auto einen Film schauen möchte, müssen zahlreiche Bauteile miteinander harmonieren: Man benötigt ein großes Display, das entsprechende Klangerlebnis, eine Lichtstimmung, eine angenehme Sitzposition, die aber immer noch die Sicherheit gewährleistet. „Wir müssen früh die Anforderungen in den gegenseitigen Abhängigkeiten klären“, sagte der Entwicklungsvorstand.
Bei solchen Projekten soll der Campus Sandkamp helfen, dessen Bau noch in diesem Jahr beginnen soll. Das Entwicklungszentrum soll agile Arbeitsstrukturen ermöglichen. Laut Ulbrich hat das Einzelbüro des Fachmanns, der in Ruhe sein Bauteil optimiert hat, ausgedient und soll durch einen kommunikativen Open-Space-Bereich ersetzt werden. Dabei geht es aber nicht nur um die Entwicklungsingenieure selbst: Auf dem Campus wird es auch ein Integrationszentrum geben, in dem neben den Entwicklern auch Mitarbeiter der anderen Geschäftsbereiche tätig sein werden – etwa aus dem Einkauf, der Produktion, Qualitätssicherung und so weiter. Davon erhofft sich Ulbrich kurze und effiziente Abstimmungswege.
Für diese Aufgaben und den Wandel im Mindset braucht es aber auch das passende Personal. In der TE sind 11.500 Mitarbeitende beschäftigt, von denen ein großer Teil nun über „umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen“ auf die neuen Aufgaben und Arbeitsweisen vorbereitet werden sollen. Laut Ulbrich ist das bei den ersten 100 Mitarbeitenden bereits der Fall, bis zu 4.000 weitere würden folgen. Die größten Herausforderungen seien dabei das Zusammenführen der komplexen Arbeitsbereiche und der Wandel des Mindsets auf die schnellzyklige Software-Entwicklung, so Ulbrich.
Im Ergebnis soll ein neues Fahrzeugprojekt in 40 statt 54 Monaten abgeschlossen werden, also 25 Prozent schneller. Da die Entwicklung und Produktion besser vernetzt wird, soll auch die Fertigungszeit pro Fahrzeug sinken. Als Ziel gibt VW in der Mitteilung zehn Stunden pro Fahrzeug aus – ein Wert, den Tesla bereits heute erreicht und daher in der Vergangenheit von VW-Konzernchef Herbert Diess regelmäßig zitiert wurde. Im MEB-Werk Zwickau dauert es rund dreimal so lange, bis ein Auto fertig ist.
Zu der kürzeren Entwicklungszeit soll auch die Hardware beitragen. Die neue E-Plattform SSP wird 2026 im Trinity debütieren. Diese Plattform, die perspektivisch den MEB und die größere PPE zusammenführen soll, bringt laut Ulbrich auch eine weitere Vereinheitlichung der Hardware. Wenn die Varianz der verbauten E-Motoren, dem Infotainment oder der Sensoren für die Fahrassistenzsysteme sinkt, macht das die Produktion einfacher und günstiger. „Die Varianz für die Fertigung und die Lieferanten kann durchaus sehr gering sein“, sagte Ulbrich. „Ich kann dennoch mit der gleichen Hardware sehr unterschiedliche Funktionen im Fahrzeug anbieten, weil die Software die Hardware je nach Modell anders nutzt – und das kann ich noch im Nachhinein per Update ändern.“
Laut dem Entwicklungsvorstand wird die SSP wie schon der MEB für Drittkunden offen sein. Während mit dem Trinity eine Limousine im Passat-Format kommen wird, will sich Ulbrich noch nicht festlegen, wie klein ein SSP-Einstiegsmodell werden würde. „Langfristig wollen wir eine ähnliche Bandbreite wie beim MQB anbieten“, so der Manager. „Ob das allerdings ein Fahrzeug wie beim MQB-A0 werden wird, kann ich heute noch nicht sagen. Autos sind in den vergangenen Jahren immer größer geworden.“
Aber auch zu kurzfristigeren Themen äußerte sich Ulbrich bei dem Gespräch: Bidirektionales Laden werde mit der Software-Version 3.1 kommen, aktuell wird die 3.0 ausgerollt. „Damit kann es das Fahrzeug. Ab dann kommt es auf die Infrastruktur an“, so der Manager. „Wir als Volkswagen haben uns diesem Zukunftsfeld verschrieben. Wir sind uns aber auch bewusst: Wenn wir mit dem Fahrzeug in den Markt gehen, werden wir in dem weiteren Prozess Pionierarbeit im Gesamtsystem bis hin zur Gesetzgebung leisten müssen.“
volkswagen-newsroom.com
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