„Die Kosten für die Batterieproduktion werden wohl eher steigen als sinken“
Was bedeutet der Krieg in der Ukraine für die Batterieproduktion? Wir haben mit Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer von der RWTH Aachen darüber gesprochen. Er erwartet Engpässe bei Nickel, steigende Rohstoff-Preise und ein Ausweichen auf Lithium-Eisen-Phosphat. Dennoch sieht er die heimische Batteriewirtschaft endlich im Aufwind – auch dank der Ansiedlung von Tesla in Brandenburg.
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Wenn ab dem 28. März in Münster die Top-Experten der Batterieforschung zum vierzehnten Batterietag NRW und der Fachkonferenz Advanced Battery Power zusammenkommen, wird auch Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer dabei sein. Als wissenschaftlicher Leiter betreut er zusammen mit Prof. Dr. Martin Winter vom Batterieforschungszentrum Meet das Programm. Sauer leitet den Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen. Mit der Forschung rund um innovative Batterietechnologien und deren Produktion ist er bestens vertraut.
Herr Sauer, die Elektromobilität erlebt gerade ihren Durchbruch im Pkw. Auch schwere Nutzfahrzeuge sollen künftig Batterie-elektrisch fahren. Was bedeutet das für die Batterieproduktion in Europa?
Der Batterieproduktion in Europa und auch weltweit wird weiter auf steilen Wachstumskurven hochgefahren werden. Dabei werden bei den asiatischen Herstellern vor allem die Rohmaterialbereitstellung und die Vorketten in der Zulieferindustrie für die Batteriezellfertigung der limitierende Faktor sein und bei den europäischen Herstellern wird auch das Erlernen und Einfahren der Produktionsanlagen noch erheblich Zeit und Ressourcen kosten. Der Vorteil für alle, die sich hier jetzt engagieren, ist aber sicher, dass der Bedarf derzeit so schnell wächst, dass die Produktionskapazitäten aller Werke benötigt werden. Das macht es auch für die Neulinge in dem Bereich wirtschaftlich deutlich einfacher.
In Asien, Europa und Nord-Amerika wird eine Batteriezellfabrik nach der anderen angekündigt. Sind diese drei Regionen als Treiber inzwischen auch beim Know-how gleichauf?
Die Produktionserfahrung ist als wesentliches Know-how überhaupt nicht zu unterschätzen. Eine Lithium-Ionen-Batterie zu bauen, ist als solches kein Hexenwerk, aber Millionen von Batteriezellen mit nur kleinsten Qualitätsschwankungen zu produzieren, die auch gleichzeitig Lebensdauern von 10 bis 15 Jahren ohne Sicherheitsprobleme erreichen und bei denen der Ausschuss in den verschiedenen Schritten der Produktion sehr klein ist, ist die eigentliche Herausforderung. Da sind sowohl die amerikanischen (vielleicht mit Ausnahme von Tesla) als auch die europäischen Unternehmen noch weit zurück.
Wo verorten Sie Deutschland aktuell im Wettbewerb? Haben wir den Rückstand auf die asiatischen Hersteller und Forscher inzwischen aufgeholt?
Nein, von aufgeholt können wir wohl kaum sprechen. In Deutschland werden weiterhin keine Lithium-Ionen-Batterien von deutschen oder europäischen Unternehmen hergestellt. Was sich aber sicher geändert hat, ist der Wille, in diesen Bereich mit Investitionen sowohl in die Entwicklungskapazitäten der Unternehmen als auch die Fertigungskapazitäten rein zu gehen, die dem Anspruch gerecht werden, in einigen Jahren mit den bisherigen Marktführern aus Asien auf Augenhöhe zu kommen. Noch vor vielleicht drei Jahren wurde die Batterie als Zukaufteil gesehen. Das ist vorbei. Von daher könnte man vielleicht sagen, dass wir jetzt an einem Punkt angekommen sind, an dem wir den Vorsprung nicht mehr größer werden lassen. Aber bis Qualität und Kosten der Batteriezellen aus deutscher Herstellung ebenbürtig mit dem asiatischen Wettbewerb sein werden, werden noch viel Zeit und auch finanzielle Aufwendungen notwendig sein.
Der Batterietag NRW steht vor der Tür. Wo sehen Sie das bevölkerungsreichste Bundesland im nationalen Wettbewerb? Immerhin entsteht in meiner Heimat Brandenburg gerade ein Batterie-Mekka.
Natürlich schauen wir da etwas eifersüchtig nach Brandenburg, freuen uns aber auch sehr darüber, dass Deutschland der Standort von Tesla für Fahrzeug- und Batterieproduktion in Europa ist. Wir hoffen auch in NRW weiter auf einen Produktionsstandort und ich weiß, dass es gerade im Zusammenhang mit dem Braunkohleausstieg weiter Diskussionen und Bemühungen dazu gibt. Aber NRW ist mit Sicherheit ein hochattraktiver und kompetitiver Standort für Batterieforschung und Entwicklung nicht nur in Deutschland, sondern auch für Europa. Zuvorderst ist da sicher der Aufbau der Batterieforschungsfabrik in Münster zu nennen, aber auch die etablierten Batterieforschungszentren an der Uni Münster, dem Forschungszentrum Jülich und der RWTH Aachen. Aber auch an vielen anderen Universitäten und Fachhochschulen werden wichtige Arbeiten entlang der gesamten Wertschöpfungskette geleistet, was auch als besonderen Schwerpunkt das Recycling umfasst. Damit werden wohl in keinem anderen Bundesland auch nur annähernd so viele junge Menschen hochqualifiziert ausgebildet, was die notwendige Voraussetzung für alle Ausbaupläne zur Batterietechnik sind.
Welche Themen treiben Sie derzeit in NRW um?
Die aktuellste Großinvestition in die F&E-Kapazität in NRW geht im Sommer mit dem „Center for Ageing, Reliability and Lifetime Prediction for Electrochemical and Power Electronic Systems (CARL)“ an der RWTH in Betrieb. CARL wird eine lückenlose Analytik und Testinfrastruktur für die Untersuchung von Alterungs- und sicherheitskritischen Prozessen von der Nanometerskala bis hin zu ganzen Batteriepacks in Fahrzeugen sowohl in Bezug auf die Batterien selbst als auch die gesamte umgebende Leistungselektronik bereitstellen. Das Kernziel ist dabei, Materialforschung und Aufbau der Produktionslinien durch eine sehr schnelle Analyse und Rückmeldung der Qualität und der zu erwartenden Lebensdauer zu unterstützen und damit die Innovationsgeschwindigkeit und die Time-to-market neuer Produkte erheblich zu verkürzen.
Der russische Überfall auf die Ukraine hat uns die Abhängigkeit von fossilen Energien so dramatisch wie nie vor Augen geführt. Wird die Batterie als universelles Speichermedien dadurch noch wichtiger?
Im öffentlichen Bewusstsein wird das sicher so sein, aber die Rolle der Batterie ist durch den Pfad zur Klimaneutralität vorgezeichnet gewesen. In einigen Bereichen wird sicher versucht werden, die Transformation weiter zu beschleunigen, aber dem sind durch den Ausbau der Produktionskapazitäten inkl. aller Vorketten bis hin in den Bergbau auch Grenzen gesetzt. Es ist aber ganz klar, dass Strom eine noch wesentlich wichtigere Rolle in unserem Energiesystem übernehmen wird und damit auch die Speicherung von Strom für mobile Anwendungen „zum Mitnehmen“ und in stationären Anwendungen für die zeitliche Unabhängigkeit der Versorgung und die Stabilität und bessere Ausnutzung der Stromnetze eine zentrale Herausforderung sein wird.
Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine steigen zugleich die Preise für Nickel, Lithium, Palladium und andere Metalle teils massiv. Welche Folgen erwarten Sie dadurch?
Durch die Verunsicherung der Märkte und durch die Erwartung einer massiven Beschleunigung des Ausbaus insbesondere im Bereich der Elektrofahrzeuge, sind die Rohmaterialpreise tatsächlich teilweise erheblich gesteigert worden. Die Erwartungen einer höheren Nachfrage trifft auf die Materialien, für die Russland oder die Ukraine gar keine wesentlichen Anteile liefern, zu. Aus Sicht der Batteriefertigung ist aber vor allem Nickel direkt betroffen. Russland hat einen Weltmarktanteil von etwa 11% an der Nickelförderung (2018). In wieweit die Sanktionen, die ja nicht von allen Ländern in der Welt mitgetragen werden, zu einer echten Verknappung auf dem Markt führen, ist noch nicht absehbar. Russland hat aber auch nur etwa 8% der weltweiten Nickelreserven. Entsprechend ist davon auszugehen, dass auch ein dauerhafter Ausfall der Nickelproduktion aus Russland in wenigen Jahren kompensiert werden kann.
Was bedeutet das für die Preise?
Im Moment werden insgesamt die Kosten für die Batterieproduktion wohl eher steigen als sinken. Das wird gerade im stationären Bereich auch weiter Ausweichbewegungen Richtung Lithium-Eisen-Phosphat hervorrufen. Aber da ja gleichzeitig die Preise für Benzin und Diesel so sichtbar ansteigen und die Zuschüsse für den Kauf von Elektrofahrzeugen weiterhin hoch sind, kann es gut sein, dass sich der Ausbau der Elektromobilität noch weiter beschleunigen wird. Allerdings waren die Produktionskapazitäten auch vor dem Krieg in der Ukraine schon begrenzt, so dass viele sehr lange auf ein Elektroauto werden warten müssen.
Herr Sauer, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
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