E-Mobilität für schwere Nutzfahrzeuge: Batterie, Brennstoffzelle, oder was?
Alles muss sauber werden – vom Transporter bis zum Stadtbus. Und auch der Güterfernverkehr soll künftig ohne Abgase über Autobahnen und Landstraßen rollen. Deshalb widmete sich die 20. Ausgabe von “electrive.net LIVE” am 25. Mai vor 600 Gästen der „E-Mobilität für schwere Nutzfahrzeuge“. Schaltet die Brummi-Branche jetzt zügig auf Strom um? Hier ist der Konferenzbericht!
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Der Schwerlastverkehr verbindet Europa. Zugmaschinen bringen Waren von Sevilla nach Trondheim, von La Rochelle bis nach Wroclaw und weiter bis nach Kiew. Auf den Fernstrecken ist der Dieselmotor der faktische Alleinherrscher. Dekarbonisierung? Fehlanzeige. Die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen ist nahezu absolut, und Klimaschutzstrategien sind bestenfalls geplant. Wie also können die schweren Nutzfahrzeuge in der kostensensiblen Transportbranche elektrifiziert werden?
Im Verteilerverkehr und bei Linienbussen in der Metropole ist ein Trend zu Batterie-elektrischen Antrieben erkennbar. Die neuesten Zulassungszahlen bestätigen das. Die Welt der Nutzfahrzeuge aber ist äußerst vielfältig und die Anwendungen höchst unterschiedlich. Eine Universallösung, die den Dieselmotor einfach ablöst, ist nach jetzigem Stand nicht eindeutig absehbar. In der Diskussion sind vor allem Batterie- und Brennstoffzellen-elektrische Antriebe. Andere Formen wie Oberleitungen werden zumindest ausprobiert.
Auf der 20. Online-Konferenz „electrive.net LIVE“ wollten wir die Frage klären, wie die Elektromobilität für schwere Nutzfahrzeuge umgesetzt werden kann. Wir sprachen mit Vertretern von der Spedition Rhenus, dem Hersteller TRATON aus der Volkswagen Group, dem Batterie- und Komponentenzulieferer Webasto, von Siemens als Supplier der Ladeinfrastruktur, der NOW mit ihrer Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur und den Beratungsprofis von P3 Automotive.
Rhenus: Alternative Antriebe sind alternativlos
Sascha Hähnke ist Geschäftsführer bei der Rhenus Transport GmbH & Co. KG und ein Mann der Praxis. Seine Kernthese ist, dass alternative Antriebe alternativlos sind. „Wir sind sicher, dass es nicht einen bestimmten Antrieb geben wird, der sich durchsetzt, und arbeiten darum technologieoffen“, so Hähnke. So hat man lange mit Biodiesel und CNG (Compressed Natural Gas, auf Deutsch Erdgas) experimentiert. Seit 2011 testet Rhenus Fahrzeuge mit Ladestecker – seit 2019 auch in der schweren Klasse mit Zugmaschinen von DAF, E-Force und Futuricum im Containerhinterlandverkehr für kurze Strecken. Auch Batterie-elektrische Lkw von Mercedes und MAN waren im Einsatz, hier war man Teil eines Pilotprojekts. Jetzt, so Hähnke, seien endlich erste Serienfahrzeuge bestellbar.
Sogar bei dem Feldversuch mit Oberleitungs-Lkw ist Rhenus dabei. „Wir sehen das aber nicht in der Breite“, sagt Sascha Hähnke und ergänzt als generelle Aussage, dass „sämtliche Prozesse wie Genehmigungsverfahren oder Lieferzeiten zu langsam sind“.
„Brennstoffzellefahrzeuge sind auch Elektroautos“, stellt Hähnke außerdem fest. Hier wird man mit Produkten von Daimler Truck und MAN in Zukunft Pilotpartner sein – allerdings erst ab 2024. Dennoch hält man Wasserstoff für den Schwerverkehr für unverzichtbar, weil nur so große Reichweiten vernünftig realisiert werden könnten.
Ein Lob bekommt das Bundesverkehrsministerium für das massive Förderprogramm, das fast nirgends in der Welt so hoch ist wie in Deutschland. „Ich möchte alle Logistiker und Speditionen dazu aufrufen, die politisch Verantwortlichen zu nerven, um den Aufbau der Infrastruktur für Batterie- und Brennstoffzellen-elektrische Fahrzeuge voranzutreiben“, schließt Hähnke mit einer Ermutigung ab.
TRATON setzt auf die Batterie im Fernverkehr
Dr. Atif Askar ist Head of Business Development bei TRATON, der Lkw-Gruppe im Volkswagen-Konzern mit den Marken MAN und Scania. Zuletzt hatte sich TRATON offensiv gegen Mercedes positioniert: TRATON favorisiert in der Öffentlichkeit allein den Batterie-elektrischen Antrieb – auch und gerade im Güterfernverkehr.
Sein wichtigstes Argument für den Batterie-elektrischen Lkw sind die TCO (Total Cost of Ownership), wobei die Infrastrukturkosten für die öffentliche Ladeinfrastruktur ausgeklammert werden. „Die Energiekosten sind deutlich niedriger“, so Askar, „und die Wartungskosten auch. Es gibt keinen Ölwechsel.“ Leider koste ein Batteriefahrzeug derzeit etwa das Dreifache einer Diesel-Zugmaschine.
„Wir glauben, dass sich der Batterie-elektrische Antrieb langfristig auch auf der Langstrecke durchsetzen wird“, so Dr. Askar. Das schließe nicht aus, dass es auch ein paar Anwendungen für Brennstoffzellen-Fahrzeuge geben würde. „Auch MAN und Scania entwickeln Brennstoffzellen-elektrische Kleinserien.“ So ganz eindeutig ist man also auch bei TRATON nicht.
Die Batteriekosten selbst sinken nach Aussage von Dr. Atif Askar seit langem, auch wenn der unterste Preispunkt wegen der steigenden Rohstoffpreise durchschritten und ein Wiederanstieg feststellbar sei. Das ändere aber nichts an der Grundaussage der niedrigeren TCO.
Aber was ist mit der Reichweite? „Nach 4,5 Stunden muss ein Fahrer in Europa eine Pause von 45 Minuten einlegen.“ In dieser Zeit würden ungefähr 350 Kilometer zurückgelegt werden. Um die hierfür notwendige Energiemenge nachzuladen, wären Ladeleistungen von rund 750 Kilowatt erforderlich. Das ist mit dem kommenden Megawatt Charging System (MCS) möglich. Wettbewerber wie Daimler Truck und Volvo sind hier ebenfalls dabei.
2030 sollen die Hälfte aller Neufahrzeuge von TRATON Batterie-elektrisch fahren – ein Ziel, das erreichbar ist, so Dr. Atif Askar.
Webasto – vom Dieselmotor zu 800 Volt-Systemen
Nico Münch ist Business Line Manager Battery Systems bei der Webasto Group. Der Zulieferer macht bereits vier Prozent des Umsatzes mit Batterie- und Ladesystemen. Ein neuer Fokus liegt auf elektrischen Nutzfahrzeugen.
Münch bestätigt zu Beginn die Sinnhaftigkeit, den Versuch der Langstreckenelektrifizierung auszuprobieren. „Im Verteilerverkehr ist der Batterie-elektrische Antrieb bereits einsetzbar. Trotzdem sehen wir weiterhin auf langen Distanzen ein Potenzial auch für Wasserstoff-betriebene Brennstoffzellen“, so Münch. Motiviert durch das Konzept des Tesla Semi Trucks hätten sich viele OEMs auf den Weg gemacht.
Was bietet Webasto an? „Wir bauen zum einen Batteriesysteme – auch für Pkw – und außerdem Ladestationen“, so Nico Münch, wobei mit Ladestationen AC-Wallboxen gemeint sind. „2025 wollen wir in unserem Geschäftsfeld eine Milliarde Euro Umsatz machen“.
Webasto kann sowohl komplette individuelle Batteriesysteme für Autohersteller bieten als auch standardisierte Systeme, die von kleineren Fahrzeugproduzenten eingesetzt werden können. Und hierzu gehören Nutzfahrzeughersteller.
„Im Schwerlastverkehr sehen wir direkt den Sprung vom Dieselmotor zu 800 Volt-Systemen“, prognostiziert Münch. „Long Distance ist zwar am wenigsten weit entwickelt, wird aber aus meiner Sicht kommen.“ Man unterstütze in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen ein Batterie-elektrisches Projekt mit Oberleistungs-Pantographen: „Wir können unsere standardisierte und zertifizierte Batterie aus dem Baukasten beisteuern.“
Einen interessanten Aspekt führt Nico Münch von Webasto mit dem Angebot von Elektrifizierungskomponenten für die Trailer ein. „Wir bieten eine Plug & Play-Lösung für Trailer an“, sagt Münch. Ein Kühlanhänger zum Beispiel könnte Strom übers Rekuperieren einsammeln und so die Zugmaschine entlasten.
„Unser Ziel ist es, den Straßenverkehr zu elektrifizieren“, schließt er ab.
Bei der Paneldebatte zwischen diesen drei Teilnehmern gibt es mehr Einigkeit als Kontroverse. Sorge gibt es angesichts der steigenden Metall- und Rohstoffpreise. Eine weitere Preissenkung bei Batterien wäre erst über neue Zelltechnologien oder Materialien absehbar; mittelfristig könnten die Preise unter anderem als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ansteigen. Das ist aber nur eine von mehreren Ursachen. Ein Gamechanger im E-Lkw könnt dagegen die Festkörperbatterie sein, da ist sich die Runde einig.
Wo genau Wasserstoff in Zukunft eingesetzt wird, bleibt offen, nur dass es so sein wird. Es wird radikale Skaleneffekte auch bei der Brennstoffzelle geben, aber weil die Nachfrage nach Wasserstoff aus der chemischen Industrie oder bei der Stahlproduktion hoch sein wird, könnte der Verkehrssektor zuletzt dran sein.
„Batterie-elektrisch allein werden wir es nicht schaffen“, bleibt der Logistiker Sascha Hähnke überzeugt. Es werde die Ergänzung durch die Brennstoffzelle geben, „glauben Sie es mir“. Beide Antriebe hätten aber noch etliche Bottlenecks zu überwinden. „Wir werden auch den Wasserstoffantrieb anbieten“, bestätigt nochmals Dr. Askar und weicht damit das scheinbare Dogma von TRATON auf. Er fordert: „Wir müssen beim Aufbau der Ladeinfrastruktur für Pkw den Lkw gleich mitdenken.“
Ein wichtiges Thema für den Batterie-elektrischen Schwerlastverkehr dürfte das Lademanagement werden. Es sei keineswegs notwendig, jede Fahrerpause ausschließlich zum maximalen Schnell-Laden zu verwenden. Stattdessen würde so viel Strom gezogen, wie notwendig wäre, um das Ziel zu erreichen. So werden teure Lastspitzen vermieden. Hierfür wird es viel Software geben, die den Energieverbrauch in Abhängigkeit von Verkehrsfluss, Tageszeit, Witterung, Temperatur und Topographie berechnen kann und entsprechend bedarfsgerecht lädt.
Eine große Bedeutung, da ziehen alle Beteiligten an einem Strang, kommt dem Batterierecycling zu. Die Rohstoffe werden zurückgewonnen werden, weil sie es wegen der Knappheit einfach müssen.
Siemens plädiert für Netzausbau und clevere Depotplanung
Den zweiten Teil der Jubiläumskonferenz von electrive.net eröffnet Uwe Augustat, Vice President bei Grid Connect & Systems bei der Siemens AG. Er erklärt das Depotladen, also die Ladeinfrastruktur für Fuhrparks von Speditionen oder ÖPNV-Betrieben.
Zum Aufbau des Depotladens ist zuerst eine detaillierte Analyse notwendig. Ein Depotkonzept muss entwickelt werden, und es muss geprüft werden, welchen Netzanschluss es gibt. Wie groß ist der Energieverbrauch der Fahrzeuge? In welchem Zeitraum muss nachgeladen werden? Wie verhält sich der Strombedarf im Jahresverlauf? Diese und andere Fragen müssen geklärt werden, um die Investitionen planen zu können. Selbst der Platzbedarf muss berücksichtigt werden, dazu kommen Wartungskonzepte und noch mehr.
Ein Ladekonzept kann sich zum Beispiel aus dem Fahrplan eines ÖPNV-Betriebs ergeben. Aus all diesen Parametern ergibt sich die Dimensionierung des Trafos für den Mittelspannungsanschluss. Hierbei helfen Vorab-Simulationen, die immer wieder auch die Verfügbarkeit der notwendigen Leistung einbeziehen. Eine One-fits-all-Lösung gibt es praktisch nicht. Siemens Grid Connect & Systems liefert alle Hard- und Softwarekomponenten, die gebraucht werden. Unter anderem ist zum Beispiel ein stationärer Speicher lieferbar, der Spitzenlasten abpuffert: „Kleine leistungsstarke Batteriepuffer könnten unerlässlich werden.“
Ein wichtiger Aspekt der Depotplanung ist laut Augustat die Softwarekommunikation zwischen den Fahrzeugen, den Ladestationen und dem Backend. So können zum Beispiel Linienbusse vorkonditioniert, also geheizt oder gekühlt werden. „Diese Systeme müssen perfekt funktionieren“, sagt Uwe Augustat. So sei die stabilste Verbindung eine Glasfaser, aber technisch wäre auch eine SIM-Card machbar.
Für die gesamte Prozessplanung ist rund ein Jahr erforderlich, um den störungsfreien Betrieb zu ermöglichen. Die Optimierung der Abläufe ist elementar für die spätere Funktion. Eine besondere Herausforderung wären die individuellen Anforderungen der Depots.
NOW und Leitstelle planen das nationale Lkw-Ladenetz
Marc Weider, Programm Manager Klimafreundliche Nutzfahrzeuge bei der NOW GmbH, und Felix Steck, Teamleiter Planen bei der zur NOW gehörigen Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, gehen gemeinsam in einen Vortrag.
Weider bringt als erster Vortragender den Klimaschutzaspekt ein. Der Verkehrssektor trägt rund 150 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr bei. Um künftige Reduktionsziele zu erreichen, müssen die Nutzfahrzeuge einen großen Beitrag leisten, weil sie trotz der geringen absoluten Zahl für ein Drittel dieser Emissionen verantwortlich sind. Die schweren Nutzfahrzeuge tragen entscheidend dazu bei, so Marc Weider von der NOW.
Bis 2030 soll ein Drittel der Verkehrsleistung elektrisch oder mit strombasierten Kraftstoffen, also e-Diesel, abdeckt werden. Aus Sicht des Bundesverkehrsministeriums, dem juristischen Inhaber der NOW, sollen Batterie- und Brennstoffzellen-elektrische Lkw ebenso getestet werden wie Oberleitungen.
Ab 2023 solle eine nationale CO2-basierte Lkw-Maut eingeführt werden, erklärt Marc Weider von der NOW. Den äußeren politischen Rahmen bildet das „Fit for 55“-Programm der Europäischen Union, das zurzeit verhandelt und verschärft wird.
Und wie von Sascha Hähnke bereits erwähnt: Die staatlichen Förderungen sowohl der Fahrzeuge als auch der Infrastruktur sind sehr großzügig. So werden zum Beispiel 80 Prozent der Mehrkosten eines elektrischen Lkw durch Steuergeld bezahlt.
Felix Steck von der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur fokussiert auf den Aufbau eines ersten öffentlichen (Backcasting) und nicht-öffentlichen (Depotladen) Ladenetzes. Er berichtet unter anderem von 30 Handlungsempfehlungen, die von einer Taskforce identifiziert wurden.
Ein nationales Lkw-Ladenetz, so Steck, sollte Säulen im Abstand von höchstens 60 km bereitstellen. Es soll kleinere und größere Standorte geben, und die wichtigsten Achsen („Hauptmagistralen“) müssen gut versorgt sein. Entscheidend bleibt die Verfügbarkeit von Standorten.
Nach dem Initialnetz müsse eine Nachverdichtung erfolgen, sagt Felix Steck, und im Weiteren muss an den jeweiligen Standorten eine Hochskalierung stattfinden. „Wir müssen die Skalierung schon zu Beginn berücksichtigen, etwa bei der Anschlussplanung“, erklärt Steck.
Neu am Megawatt Charging System (MCS) ist der immense Leistungsbedarf. Hatte bisher noch die Mittelspannung ausgereicht, um einen Pkw-Ladepark zu bauen, muss es beim MCS für schwere Nutzfahrzeuge das Hochspannungsnetz sein. „Der Vorlauf beträgt hier rund zehn Jahre. Wir müssen also 2025 mit der Planung fertig sein, um 2035 unsere Ziele zu erreichen“, sagt Steck.
P3: Batterie schlägt Brennstoffzelle bei den Kosten
Jana Kirchen, Team Lead e-Powertrain beim Beratungsunternehmen P3 Automotive, nutzte ihren Vortrag, um die Klammer der Konferenz zu schließen und nochmal auf die alternativen Lkw-Antriebe selbst und die Entwicklungen bei der Zellchemie von Batterien einzugehen.
Ab 2025, so Kirchen, könne bei den mittelschweren Nutzfahrzeugen ein Gleichstand bei den TCO gegenüber dem Diesel erreicht werden und bis 2030 auch bei den schweren Lkw; alles auf Basis von Batterie-elektrischen Antrieben.
Ein relevanter weltweiter Player bei den schweren Nutzfahrzeugen ist aus Sicht von P3 neben TRATON oder Daimler Truck der chinesische Hersteller FAW. Dieser will bis 2035 bereits 70 Prozent der Neufahrzeuge mit Elektromotor verkaufen. Auch BYD aus China sei ein wichtiger Konkurrent.
Neben Batterie-elektrischen Trucks sind nach der Prognose von Jana Kirchen auch Brennstoffzellen-elektrische Fahrzeuge eine selbstverständliche Ergänzung, besonders bei den schweren Lkw. Auch hybride Konzepte sind sinnvoll und denkbar, die beides sinnvoll kombinieren.
„Es gibt bei beiden Antriebstechnologien noch Entwicklungsbedarf etwa bei der Dauerhaltbarkeit von Batterien oder dem Thermomanagement“, sagt Kirchen mit Blick auf Batterie- und Brennstoffzellen-elektrische Lkw. Nach Berechnungen von P3 liegen die Kosten für den Antriebsstrang bei gut 100.000 Euro beim Batterie-elektrischen Nutzfahrzeug und 130.000 Euro beim Brennstoffzellen-elektrischen. Beide Zahlen können durch Skaleneffekte noch sinken.
P3 Automotive macht die gleichen Abwägungen auf, wie sie zuvor gehört worden sind: Wie weit können die Lade- bzw. Tankzeiten reduziert werden? Wie weit können die Fahrzeugkosten sinken? „Geringere Kosten bei guten Energiedichten sind weiterhin das Ziel bei der Batterieentwicklung“, so Kirchen.
Solid State Batterien, sagt Jana Kirchen, sind eine mögliche Perspektive – aber frühestens ab 2030. Lebensdauer und Schnellladefähigkeit solcher Zellen wären heute noch nicht ausreichend. Zeitnäher und realistischer sind konventionelle Zellchemien, die immer besser gepackt werden, wie zum Beispiel beim Cell-to-Pack-Verfahren in Verbindung mit LMFP- oder LFP-Zellen. „Der Preis von Batteriezellen ist sehr stark rohstoffgetrieben. Ein Nachteil, den Brennstoffzellen nicht haben.“
Einerseits, andererseits? Ja. Beide Systeme haben Vor- und Nachteile, sie könnten klug kombiniert werden. Insgesamt sieht Jana Kirchen von P3 einen positiven Ausblick für elektrische Nutzfahrzeuge an sich, betont aber weiterhin einen hohen Nachholbedarf: „Beide Technologien sind noch nicht ausgereift.“
Im anschließenden Diskussionsteil weist Jana Kirchen nochmals auf die Vorteile des Batterie-elektrischen Antriebs hin und bleibt bei der Erwartung eines kontinuierlichen Hochlaufs. Eine duale Strategie sei trotzdem sinnvoll, weil nicht klar wäre, wie sich Energie- und Rohstoffkosten entwickeln.
Beim Lkw könnte das bidirektionale Laden eine größere Bedeutung als beim Pkw bekommen, weil das Gesamtsystem aus Ökostrom, Speicherfähigkeit und Stromaustausch im Depot betriebswirtschaftlich günstig sein kann. Das sieht auch Uwe Augustat von Siemens so. Bidirektionales Laden kann die Leistungsanforderung beim Stromnetz reduzieren und damit die Kosten. Wie so oft im Schwerlastverkehr: Es geht um jeden Cent.
Was aber dauert bei der Realisierung aller Elektro-Lkw-Projekte wie etwa dem HoLa-Projekt zum Hochleistungsladen von Lkw entlang der A2 so lange?
Hier weist Marc Weider auf die üblichen Abläufe in der Ministerialbürokratie hin. Förderprogramme müssen geprüft werden, unter anderem von der Europäischen Union. Immerhin laufe es in Deutschland so gut, dass uns Beobachter aus anderen EU-Ländern eine Spitzenposition bescheinigen.
Die Probleme bei den Lkw wären im Grundsatz ähnlich gelagert wie beim Pkw, sagt Felix Steck von der Nationalen Leitstelle, und dennoch würde es weitere Schwierigkeiten geben. „Schauen Sie nur darauf, wie voll Lkw-Parkplätze längst sind“, so Steck und ergänzt: „Es ist eine sehr große Herausforderung, die Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge schnell genug aufzubauen.“
Fazit
Angesichts der Klimaschutzziele im Verkehrssektor müssen die CO2-Emissionen schnell reduziert werden. Und weil der Anteil des Schwerlastverkehrs in diesem Sektor hoch ist, muss der Fortschritt radikal sein. Vor diesem Hintergrund ist es zweitrangig, ob Lkw Batterie- oder Brennstoffzellen-elektrisch fahren. Hauptsache, die Energiequelle ist emissionsfrei. Das ist beim Wasserstoff noch nicht ausreichend der Fall. Und die Batterie-elektrischen Fernlaster können zwar absehbar immer mehr grünen Strom laden. Der Aufbau der notwendigen Infrastruktur aber wird dem Bedarf nicht gerecht, wenn bereits die Standortsuche für Ladeparks zur Geduldsprobe wird. Wenn Hunderte von Lkws auf einer Route fahren, nützt es nichts, dass alle 4,5 Stunden eine Rast vorgeschrieben ist – es muss dann auch eine Vielzahl von Ladeplätzen am Haltpunkt vorhanden sein. Viel hilft viel? Ja. Aber davon sind wir noch weit entfernt, und somit dürfte die geplante CO2-Reduktion eher Wunsch und Ziel als kurzfristige Wirklichkeit werden.
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