BMW i4 eDrive 40 im Test: Effizienter Business-Stromer
Bevor BMW mit der Neuen Klasse ab 2025 Elektroautos wieder auf reinen Elektro-Plattformen baut, kommen eine Reihe von E-Autos auf Verbrenner-Basis auf den Markt. Bisher galten sogenannte „Conversion-BEV“ in der Regel als ineffizient. Der i4 beweist im Test eindrucksvoll das Gegenteil – kann aber nicht alle Nachteile der Verbrenner-Basis ausbügeln.
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Seit dem BMW iX3 setzen alle neuen Elektroautos von BMW auf die sogenannte fünfte Generation der E-Antriebe des Herstellers. Dabei handelt es sich um stromerregte Synchronmaschinen. Bei den weit verbreiteten permanenterregten Synchronmaschinen sind im Rotor Dauermagnete verbaut, die Seltene Erden enthalten. Bei stromerregten Synchronmotoren werden kurz gesagt diese Dauermagneten durch Elektromagnete ersetzt. Als Vorteile nennt BMW unter anderem die hohe Leistungsdichte, den guten Durchzug sowie eben den Verzicht auf Seltene Erden.
Von jenem erwähnten iX3 mit einer 210 kW starken Version an der Hinterachse waren meine Kollegen Christoph M. Schwarzer und Daniel Bönnighausen in ihren Fahrberichten überzeugt. Auch bei einer ersten Ausfahrt im vergangenen Herbst konnten das große E-SUV iX und der i4 (damals als allradgetriebener M50) mit ihrem Ansprechverhalten und vor allem ihrem Verbrauch überzeugen. Für einen Alltagstest hat BMW nun die Basisversion des i4 gestellt, den eDrive 40, bei dem ein 250 kW starkes Exemplar der stromerregten Synchronmaschine an der Hinterachse verbaut ist.
Ein in alter Währung 340 PS starker Mittelklasse-BMW mit Heckantrieb – das klingt nach einer potenten Kombination und wäre vor einigen Jahrzehnten noch das gefeierte Top-Modell einer Baureihe gewesen. Natürlich fährt sich auch der i4 eDrive 40 auf Wunsch recht sportlich: Die Rückmeldung der Lenkung ist gut, im Sport-Modus wird das adaptive Fahrwerk etwas straffer, bleibt jedoch deutlich softer als jenes im i4 M50 oder der Verbrenner-Modelle von BMW M.
Mit dem Testverbrauch sind 480 Kilometer möglich
Bei der Leistungsabgabe kommt der einmotorige i4 natürlich nicht an die brachiale Beschleunigung des i4 M50 heran, dennoch fühlt man sich (außer im direkten Vergleich) nicht untermotorisiert. Die Leistung ist fein dosierbar und auch bei höheren Geschwindigkeiten lässt die Beschleunigung bei der stromerregten Synchronmaschine nicht so stark nach wie bei E-Motoren anderer Bauart. Ganz klar: Der Basis-i4 soll zwar ein dynamischer BMW sein, aber eben auch ein langstreckentauglicher Familien- oder Dienstwagen.
Und im Pendel-Alltag, auf Dienstreisen oder auf langen Urlaubsfahrten mit viel Gepäck sind eben andere Anforderungen wichtiger als auf der freien und kurvigen Landstraße. Bei Elektroautos nach wie vor das wichtigste Kriterium ist und bleibt die Reichweite.
Beide Versionen des i4 setzen auf die gleiche Batterie: Der zwischen den Achsen (Radstand: 2,85 Meter) verbaute Hochvoltspeicher kommt auf einen Energiegehalt von 83,9 kWh, wovon immerhin 80,7 kWh nutzbar sind. In der WLTP-Norm ergibt sich so eine Reichweite von bis zu 590 Kilometern.
Viel entscheidender ist aber die Praxisreichweite: Am Ende des Tests lag der Verbrauch laut Bordcomputer bei 16,8 kWh/100km, was rechnerisch 480 Kilometer Reichweite ergibt. Ein sehr guter Praxis-Wert in dieser Klasse! Zu dem Testverbrauch sei ergänzend erwähnt, dass die Fahrten meist bei 18 bis 23 Grad Außentemperatur stattfanden – es war also kein allzu größer Energiebedarf für Heizung oder Klimaanlage nötig. Wichtiger ist aber das Fahrprofil: Über 80 Prozent der Strecke war auf der Autobahn (ans Tempolimit gehalten, sonst 130-140 km/h), der Rest innerstädtisch und auf Landstraßen. Zudem war der Testwagen nicht mit den Basis-18-Zoll-Felgen ausgestattet, sondern mit den 19 Zoll großen Aerodynamikrädern. Diese tragen vermutlich auch einen gewissen Teil bei, sind mit 2.690 Euro Aufpreis aber auch nicht gerade günstig.
Bei der betont gemütlich gefahrenen Landstraßen-Runde im Eco-Modus durch das Bergische Land lag der Bordcomputer-Verbrauch sogar bei nur 13,7 kWh/100km, was rechnerisch beinahe die WLTP-Reichweite von 590 Kilometern ergibt. Auf der Autobahn variiert der Verbrauch natürlich je nach Topografie, Tempolimit und bei freier Geschwindigkeitswahl dem selbst gewählten Reisetempo. In Bereichen um die Richtgeschwindigkeit lag der i4 in unserem Test zwischen 18 und 19 kWh/100km. Das ergibt immer noch rechnerisch 436 Kilometer mit einer Akkuladung.
30 Minuten am Schnelllader realistisch
Je nachdem, wie voll die Batterie zu Fahrtbeginn war und mit welchem Ladestand man an die Ladestation rollen will, sind 350 Kilometer bis zum ersten Ladestopp auf der Langstrecke sehr gut möglich, bei sparsamer Fahrweise und kleinerem Puffer nach unten eher mehr. Lädt man dann auf 80 Prozent, sind immer noch 300 Kilometer bis zum zweiten Ladestopp möglich (mit 10 Prozent SoC bei Ankunft). Ein solcher Ladevorgang dauert laut BMW rund 30 Minuten – diesen Wert konnten wir bei unserem Test gut nachvollziehen.
Dabei hat es übrigens keinen großen Unterschied gemacht, ob der Ladestopp vom Navi eingeplant war oder nicht. Allerdings waren wir auch wie erwähnt bei idealen Temperaturen um die 20 Grad unterwegs – die Vorkonditionierung hatte also nicht viel zu tun, um die Batterie in den optimalen Bereich zu bringen. Wie gut die Vorkonditionierung bei -10 Grad Außentemperatur funktioniert, können wir nach unserem Test also nicht sagen.
Vorkonditionierung oder entsprechende Außentemperaturen vorausgesetzt, konnten wir die von BMW veröffentlichte Ladekurve des i4 recht zuverlässig treffen. Bei ungefähr 15 Prozent Ladestand hat der i4 an einer Tritium-Säule von Ionity innerhalb kürzester Zeit mit über 200 kW geladen – in der Spitze waren es 208 kW. Für die ersten zehn Kilowattstunden sind nur drei Minuten vergangen, in rund sechs Minuten ist Strom für 100 Kilometer im Akku. Aber: Den 200-kW-Peak hält der i4 nur kurz, danach fällt die Ladekurve langsam ab. Nach 20 Minuten Ladedauer war in diesem Fall der Akku voll genug für die Strecke bis zum Ziel – bei 67 Prozent SoC lag die Ladeleistung noch bei 88 kW. 42,5 kWh in 20 Minuten entspricht im Schnitt 128 kW.
Bei der Fahrvorstellung des i4 M50 hatte der für die gesamte 4er-Reihe zuständige Baureihenleiter David Alfredo Ferrufino im Gespräch mit electrive.net noch erklärt, dass man überlegt, die Ladekurve in eine Anzeige im Auto zu integrieren – und so dem Kunden genau das Rätsel zu nehmen, wie schnell das Auto bei welchem Ladestand laden wird oder ab wann es sich auf der Langstreckenfahrt nicht mehr lohnt weiter zu laden. Das Ergebnis ist – wie wir finden – ausbaufähig: Im Fahrer-Display wird während des DC-Ladevorgangs eine kleine Balkengrafik angezeigt mit der Skala von 0 bis 210 kW. Der Balken zeigt als nur grob die Ladeleistung an, die man auch an der Ladesäule ablesen kann. Eine echte Einordnung, ob diese Leistung für den aktuellen Ladestand gut ist oder eine klar verständliche Aussage, ab wann sich bei zu hohem SoC das weitere Laden nicht mehr lohnt, gibt diese Balkengrafik nicht.
Die anderen Assistenten im i4 sind dabei deutlich hilfreicher. Dazu zählt etwa die im Bericht zum i4 M50 ausführlicher beschriebene adaptive Rekuperation, bei der das Fahrzeug je nach Situation die passende Rekuperationsstärke wählt. Diese Funktion ist auch einer der Punkte, die neben der Effizienz des gesamten Antriebs zu dem niedrigen Verbrauch beiträgt: Die Software muss nicht wie der menschliche Fahrer schätzen, ob nun gefühlt die Rekuperation oder das Segeln effizienter ist. Sie berechnet es einfach.
Auf Autobahn und Landstraßen haben die Systeme des „Driving Assistant Professional“ (2.000 Euro Aufpreis) einen guten Job gemacht. Zu sehr ins Detail gehen wollen wir an dieser Stelle nicht – da die Einstellungen der „Geschwindigkeitsassistenz“, wie es im Infotainment bezeichnet wird, stark individualisiert werden können, können sich die Assistenten je nach Kundenwunsch sehr unterschiedlich verhalten. Dabei geht es zum Beispiel um die automatische Übernahme von Tempolimits beim Tempomaten, um wie viele km/h das System von diesem Tempolimit abweichen soll, ob die Geschwindigkeit an den Streckenverlauf (also etwa Kurven, Kreuzungen und Kreisverkehre) angepasst werden soll und ob eine Geschwindigkeitsüberschreitung nur angezeigt, oder auch davor gewarnt werden soll. Die Erkenntnis nach mehreren hundert Kilometern ist, dass das System zuverlässig und für den Fahrer vorhersehbar agiert – welche Einstellungen er oder sie nun auch immer getroffen hat.
Effizienter Antrieb, gute Leistungsabgabe, eine ordentliche Ladeleistung mit den 200 kW Peak, die bei einem 400-Volt-System maximal möglich sind und zuverlässige Assistenten – das klingt nach einem überzeugenden Auto und einer klaren Kaufempfehlung. Könnte man meinen, denn am Ende steht ein klares „Kommt darauf an“.
Die Karosserie wird polarisieren
Und zwar darauf, ob man sich in dieser Preisklasse – inklusive Sonderausstattung schlägt unser Testwagen mit 74.630 Euro zu Buche (59.200 Euro Basispreis) – mit dem Karosseriekonzept des i4 zufrieden geben will. Der i4 basiert im Kern (mit einigen kleineren Anpassungen) auf dem 4er Gran Coupé. Die Plattform ist also nicht nur auf Elektroantriebe ausgelegt, sondern auch auf einen drei Liter großen Reihensechszylinder.
Das prägt die Proportionen des Autos: Für die längs eingebauten Reihenmotoren ist die Fronthaube entsprechend lang. Der Radstand ist mit 2,85 Metern kürzer als bei Elektroautos, die auf eine geringere Gesamtlänge als die 4,78 Meter des i4 kommen. Der verhältnismäßig kurze Radstand sorgt zwar für ein handlicheres Fahrverhalten, aber auch für weniger Platz im Innenraum. BMW hat einst selbst gezeigt, was für ein luftiges Raumgefühl auf einer reinen E-Plattform bei nur vier Metern Fahrzeuglänge möglich ist – mit dem i3. Im i4 hingegen wirkt alles deutlich enger – etwa der Fußraum für Mitfahrer auf der Rückbank. Und das in einem nicht gerade kleinen Auto.
Zwar kann sich der Kofferraum mit 470 Litern durchaus sehen lassen, entnimmt man die Hutablage, passen noch ein paar Liter mehr hinein. Nur insgesamt sind große Ablagen im i4 Mangelware. In dem Fach unter dem Kofferraumboden waren bei unserem Testwagen etwa Komponenten der Harman-Kardon-Soundanlage verbaut – mehr als die Erste-Hilfe-Tasche und das Tirefit-Kit passt dort nicht hinein. Die Ladekabel müssen also in die Seitentaschen hinter die Radläufe gezwängt werden. Wird der ganze Kofferraum benötigt – sei es wegen Urlaubsgepäck, einer Hundebox oder einem Kinderwagen, der zusammengefaltet nur quer im Kofferraum verstaut werden kann, landen die Ladekabel hinten im Fußraum. Denn obwohl der Basis-i4 nur einen Motor an der Hinterachse hat, ist unter der enorm langen Front kein Frunk verbaut – nicht einmal eine kleine Ablage für die Ladekabel, sondern nur eine schwarze Kunststoff-Abdeckung.
Das setzt sich auch im Innenraum fort. Um in die Verbrenner-Plattform die gewünschten 80 kWh netto an Batteriekapazität zu verbauen, musste BMW nicht nur den Unterboden mit Modulen bestücken, sondern noch zusätzlich kleinere Module unter der Rückbank und im Kardantunnel verbauen. Letzteres trägt nicht nur zu dem etwas engeren Raumgefühl bei, sondern kostet vorne auch große Ablagen – voluminöse Fächer wie im Tesla Model 3/Model Y oder offene Ablagen wie in den E-GMP-Modellen von Hyundai und Kia gibt es im BMW nicht. Ein kleines Fach unter der Mittelarmlehne wird lediglich durch einen Cupholder und die flache Ablage mit der induktiven Ladeschale für das Smartphone ergänzt. In das Ablagefach in der Türe passt zwar eine Wasserflasche, diese ist während der Fahrt aber nicht gut zu erreichen. Wenn das Smartphone in der Ladeschale liegt und die Wasserflasche im Cupholder steht, fehlt eine zugängliche und dauerhafte Ablage für eine Sonnenbrille, die je nach Sonneneinstrahlung sehr sinnvoll sein kann. Das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau, aber es geht um ein Premium-Auto für 75.000 Euro (oder je nach Motorisierung und Ausstattung mehr) und nicht über einen Kleinwagen.
Das größte Problem am i4 ist aber seine Lieferzeit. Bereits kurz nach Auslieferungsbeginn lag die Wartezeit auf ein neues Fahrzeug bei zehn Monaten. Inzwischen hat electrive.net aus Händlerkreisen erfahren, dass ein heute bestellter i4 erst 2024 ausgeliefert wird. Daher machen wir bei den Preisen die Rechnung mit dem Umweltbonus für den eigentlich förderfähigen i4 eDrive 40 gar nicht auf – falls wie geplant ab 2023 auf den Bruttofahrzeugpreis als Bemessungsgrundlage umgestellt wird, wäre unser Testwagen mit seinen 74.630 Euro etwa nicht mehr förderfähig.
Fazit
Der Antrieb des i4 ist top, mit der fünften Generation der E-Antriebe ist BMW ein guter Wurf gelungen. Auch die Ladeleistung (und die inzwischen schon getätigten Verbesserungen der Ladekurve bei den neueren Modellen i7 und iX1) sowie die lade-optimierte Routenplanung samt Vorkonditionierung zeigen, dass BMW verstanden hat, welche Eigenschaften bei Elektroautos wichtig sind. Die Karosserie (ganz abgesehen vom polarisierenden Design mit der riesigen Doppel-Niere) wird bei der Entscheidung pro oder contra i4 eine wichtige Rolle spielen. Wer etwa von einem BMW-Verbrenner umstiegt, fühlt sich schnell zu Hause in dem weitgehend bekannten Cockpit und wird vermutlich auch die „klassischen“ Proportionen mit den langen Überhängen mögen. Wer aber in einem 4,78 Meter langen Auto Wert auf ein luftiges Raumgefühl, ein modernes Interieurkonzept und zusätzliche Staufächer unter dem Kofferraumboden und der Fronthaube legt, sollte zu einem anderen Modell greifen – guter E-Antrieb hin oder her.
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