Einige EU-Staaten stellen Forderungen zu Verbrenner-Aus
Die unsichere Position Deutschlands zum Verbrenner-Aus in der EU ab 2035 ermuntert offenbar andere Regierungen dazu, eigene Forderungen geltend zu machen. Sollte sich Deutschland im EU-Ministerrat enthalten, könnten die Länder mit ihren Forderungen sogar Erfolg haben.
Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, könnten sechs EU-Staaten das Verbrenner-Aus für 2035 noch stoppen. Nachdem in Deutschland die FDP verlangt hat, dass die Bundesregierung dem Vorhaben nicht zustimmt, habe Italiens Regierung mit Unterstützung von Portugal, Bulgarien, Rumänien und der Slowakei ein Positionspapier verschickt, in dem gefordert wird, den CO2-Ausstoß von Neuwagen bis 2035 nur um 90 statt um 100 Prozent zu senken. Die 100 Prozent sollen nach Vorstellung dieser Länder erst 2040 gelten. Zudem solle es besondere Regeln für synthetische Kraftstoffe geben.
Der Ministerrat entscheidet in der Sache mit sogenannter qualifizierter Mehrheit. Dabei können Staaten einen Gesetzentwurf blockieren, wenn sie zusammen für mehr als 35 Prozent der EU-Bevölkerung stehen. Einigt sich die Ampel-Koalition nicht auf eine Zustimmung (eventuell mit Kompromissen für die FDP), müsste sich Deutschland im Ministerrat enthalten. Und bei einer Enthaltung würde Deutschland im Nein-Lager mitgerechnet, was große Auswirkungen hätte: Deutschland, Italien, Portugal, Bulgarien, Rumänien und die Slowakei kommen zusammen auf mehr als 40 Prozent der Bevölkerung.
Die Forderung Italiens geht wohl auch auf die italienischen Sportwagenbauer zurück – mit einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 90 Prozent bis 2035 müsste zwar der Großteil der Flotte rein elektrisch sein, es könnten aber weiterhin einige Verbrenner-Modelle verkauft werden. Der Vorschlag Italiens zu den E-Fuels ähnelt jenem der FDP: Neuwagen sollen auch nach 2035 noch einen Verbrennungsmotor haben dürfen, solange sichergestellt sei, dass sie mit sauberen, synthetischen Kraftstoffen betrieben werden – wie eine solche Regelung in der Praxis umgesetzt werden könnte, geben die Italiener in dem Schreiben wohl nicht an.
Auch der Streit in der Bundesregierung dreht sich vor allem um das Thema E-Fuels – und um die Deutung des Koalitionsvertrags. Dort heißt es: „Gemäß den Vorschlägen der Europäischen Kommission werden im Verkehrsbereich in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen – entsprechend früher wirkt sich dies in Deutschland aus. Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können.“
Für die Grünen ist das Schlüsselwort „Außerhalb“: Sie interpretieren die Passage so, dass für Fahrzeuge im derzeitigen System der Flottengrenzwerte das Verbrenner-Aus beschlossen ist. Lediglich für Fahrzeuge, die nicht Teil des Systems sind (also außerhalb), sollen E-Fuels verwendet werden können – etwa Traktoren, Lkw oder Einsatzfahrzeuge. Die FDP besteht hingegen darauf, dass beide Sätze nicht getrennt werden können – und wollen die E-Fuel-Passage auch auf Pkw und leichte Nutzfahrzeuge anwenden.
Am Montag tritt in Brüssel der Ministerrat zusammen, bis dahin muss sich die Regierung auf eine Position geeinigt haben. Laut dem „Spiegel“ wird derzeit ein Kompromissvorschlag aus einem grünen Ministerium geprüft, wonach ab 20235 keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden, für den Kraftstoff von Bestandsfahrzeugen aber eine Beimischung von E-Fuels geprüft wird.
Auf EU-Ebene könnte Frankreich den Staaten eine Kompromisslösung anbieten. Die Franzosen haben noch bis Ende Juni die EU-Ratspräsidentschaft inne und leiten somit die Geschäfte unter anderem im Ministerrat.
sueddeutsche.de, spiegel.de
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