EU-Ministerrat beschließt Verbrenner-Verbot ab 2035 – mit E-Fuels-Hintertür
Der EU-Ministerrat hat für den Vorschlag der EU-Kommission gestimmt, ab dem Jahr 2035 nur noch emissionsfreie Pkw und leichte Nutzfahrzeuge neu zuzulassen. Damit haben auch die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten das Verbrenner-Aus beschlossen. Dem historischen Entscheid ist allerdings eine Hängepartie um die deutsche Position vorausgegangen.
Die entscheidende Sitzung der EU-Umweltminister in Luxemburg dauerte mehr als 16 Stunden und wurde mehrmals unterbrochen, am Ende kam es doch zu einer Einigung: Die 27 EU-Staaten sprechen sich dafür aus, die Flottengrenzwerte für Autos bis 2035 auf null zu senken – damit dürfen neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge keine Auspuffemissionen mehr haben, was de facto einem Verbot von Verbrennungsmotoren entspricht.
Ganz wie von der EU-Kommission in ihrem „Fit for 55“-Programm vorgeschlagen fiel die Abstimmung der Umweltminister aber nicht aus. Denn die Vereinbarung lässt auf Drängen Deutschlands und anderer EU-Staaten doch noch die Möglichkeit offen, dass Verbrenner, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden, auch nach 2035 zugelassen werden können – die EU-Kommission soll demnach Vorschläge unterbreiten, wie eine solche Ausnahme aussehen könnte.
Beschlossen ist eine solche Hintertüre für E-Fuels also noch nicht final und in den Verhandlungen konnte der Streit um die synthetischen Kraftstoffe die grundsätzliche Einigung nicht verhindern. Im nächsten Schritt müssen die EU-Länder ihre Position noch mit dem EU-Parlament verhandeln – dieses hatte sich anders als die Länder für ein „hartes“ Verbrenner-Aus ohne E-Fuels ausgesprochen. Es sind also noch Änderungen möglich.
Bundesregierung einigte sich erst im Laufe des Dienstags
„Die EU-Mitgliedstaaten haben mit überdeutlicher Mehrheit dafür gestimmt, dass ab 2035 nur noch Autos und leichte Nutzfahrzeuge zugelassen werden, die kein CO2 ausstoßen. Wir setzen damit das klare Signal, dass wir die Klimaziele erreichen müssen. Sie geben der Autoindustrie die Planungssicherheit, die sie braucht“, twitterte die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke kurz nach der Abstimmung. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach von einem „fetten Ausrufezeichen für den Klimaschutz in Europa“.
Da die Bundesregierung sich dann doch auf eine gemeinsame Position geeinigt und Umweltministerin Lemke in Luxemburg für das Verbrenner-Aus gestimmt hat, hatte auch der Vorstoß einiger EU-Staaten aus der vergangenen Woche keine Mehrheit. Italiens Regierung hatte mit Unterstützung von Portugal, Bulgarien, Rumänien und der Slowakei ein Positionspapier verschickt, in dem gefordert wurde, den CO2-Ausstoß von Neuwagen bis 2035 nur um 90 statt um 100 Prozent zu senken. Die 100 Prozent sollten nach Vorstellung dieser Länder erst 2040 gelten. Hätte sich Deutschland ohne gemeinsame Position der Regierung im Ministerrat enthalten, wäre Deutschland im Nein-Lager gezählt worden – und hätte so das Verbrenner-Aus blockieren können.
Dass sich die Haltung Deutschlands erst kurz vor der Abstimmung gefestigt hat, zeigt die Entwicklung der Aussagen im Laufe des Dienstags. Am Morgen vor dem Treffen sagte Umweltministerin Steffi Lemke noch in einem Interview mit dem ZDF-Morgenmagazin, dass die Bundesregierung „heute hier in Luxemburg die Kommission unterstützen wird in dem Ziel, dass ab 2035 keine Pkw mehr zugelassen werden, die CO₂ ausstoßen“.
Kurze Zeit später bei einem Medien-Statement zum Auftakt des Ministertreffens im Luxemburger Ratsgebäude klang es schon wieder anders. „Wir werden hier auf der Linie des Koalitionsvertrags und der Linie, die die Bundesregierung miteinander geeint hat, Gespräche und Verhandlungen führen, damit die Kommission hier noch einen Mechanismus entwickelt, wie auch in Zukunft einerseits CO2-Reduktion passieren kann, aber auch Technologieoffenheit gewährleistet wird“, sagte Lemke dann. Die Technologieoffenheit ist eine der zentralen Forderungen der FDP – mit dem von den Grünen bevorzugten Verbrenner-Aus würde eine Technologie aber benachteiligt. Es klang also so, als ob Lemke eine Weisung aus Berlin erhalten habe.
Per Twitter hatte in der Zwischenzeit FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner seine Position bekräftigt. „Die Äußerungen der Umweltministerin zum #VerbrennerAus sind überraschend. Sie entsprechen nicht den Verabredungen. Verbrennungsmotoren mit CO2-freien Kraftstoffen sollen als Technologie auch nach 2035 in allen Fahrzeugen möglich sein. Daran ist unsere Zustimmung gebunden“, so Lindner.
Am frühen Nachmittag berichtete dann zunächst die „Welt“ über einen Kompromissvorschlag der Bundesregierung, der genau beides vereinen soll: Zum einen sollen Lemke und Wirtschaftsminister Robert Habeck in Luxemburg für das Verbrenner-Aus in der EU bei Neuzulassungen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen ab 2035 stimmen. Zugleich würde Deutschland sich dafür einsetzen, mit anderen EU-Staaten die Europäische Kommission zu beauftragen, Vorschläge zu unterbreiten, wie auch nach 2035 noch Autos und leichte Nutzfahrzeuge zugelassen werden könnten, die mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden.
Sprich: Die Grünen bekommen das Verbrenner-Verbot, die FDP die Ausnahme für mit E-Fuels betriebene Verbrenner – oder zumindest die Aussicht auf Vorschläge, wie eine solche Ausnahme aussehen könnte.
Allerdings bietet auch der Kompromissvorschlag wohl etwas Interpretationsspielraum. „Nach Beratungen mit Stakeholdern wird die Kommission einen Vorschlag dazu machen, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden können, die ausschließlich mit CO₂-neutralen Kraftstoffen betrieben werden, außerhalb des Geltungsbereichs der Flottengrenzwerte und in Konformität mit den Zielen der Union für die Klimaneutralität“, zitiert die „Welt“ aus dem Schreiben. FPD und Grüne haben bereits in den vergangenen Monaten bewiesen, dass sie eine ganz ähnlich lautende Passage im Koalitionsvertrag sehr unterschiedlich verstehen. Bedeutet „außerhalb des Geltungsbereichs der Flottengrenzwerte“, dass E-Fuels nur in Fahrzeugen eingesetzt werden sollen, die nicht Teil des Systems sind (z.B. Lkw, Einsatzfahrzeuge und Traktoren) oder werden mit E-Fuels betriebene Verbrenner-Pkw aus dem Flottengrenzwerte-System ausgenommen?
Zumindest derzeit heißt es seitens des Regierungssprechers, dass sich der Kompromiss nach „dem gemeinsamen Verständnis der Bundesregierung auch auf Pkw und leichte Nutzfahrzeuge“ bezieht. Wie lange dieses gemeinsame Verständnis Bestand hat, ist aber unklar – die Ampelparteien haben in den vergangenen Wochen und Monaten bewiesen, dass das nicht lange sein muss.
europa.eu, tagesschau.de, handelsblatt.com, spiegel.de (Lemke-Zitat I), faz.net (Lemke Zitat II), welt.de (Kompromissvorschlag)
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