Neues, emissionsfreies Lkw-Leben: Wieso Clean Logistics das Umrüstgeschäft in den Fokus nimmt

Clean Logistics setzt auf die Konvertierung von Diesel-Trucks und -Bussen hin zum Brennstoffzellen-elektrischen Antrieb. Das Geschäftsmodell scheint sich auszuzahlen, zumindest spricht der Lkw- und Bus-Umrüster von einer großen Nachfrage nach den Produkten des Unternehmens. Die Ambitionen der Hamburger reichen jedoch weiter, wie eine Übernahme zeigt.

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Erst kürzlich hat Clean Logistics seinen ersten Wasserstoff-betriebenen Truck Fyuriant vorgestellt, das zweite auf Brennstoffzellen-Technologie umgerüstete Fahrzeug im Portfolio des 2018 gegründeten und durch die Übernahme des Mantels der SendR SE inzwischen an der Börse notierten Hamburger Unternehmens. Vor gut einem Jahr, im Sommer 2021, stellte Clean Logistics bereits den umgerüsteten Bus Pyuron mit Brennstoffzellen-Wasserstoff-Antrieb vor.

Dass das Unternehmen die Konversion zu einem Kern seines Geschäfts gemacht hat, basiert laut CTO Florian Brandau auf dem Nachhaltigkeitsansatz des Unternehmens. Man agiere im Sinne der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, erklärt er gegenüber electrive.net. „Dadurch, dass wir lediglich die Antriebskomponenten des Dieselfahrzeuges entfernen und unsere Antriebssysteme integrieren, muss das Grundfahrzeug nicht verschrottet werden, sondern kann sogar aufgewertet werden“, führt er weiter aus. „Wir verhelfen ihm zu einem neuen, emissionsfreien Leben.“

Bei der Fyuriant-Premiere im Juni war es ein Fahrzeug der Marke DAF, das ein zweites Leben erhielt. Clean Logistics nutzt aber ein modular aufgebautes System, wodurch das Unternehmen seine Antriebstechnologie in Fahrzeuge aller gängigen Hersteller integrieren könne. Angetrieben wird der Fyuriant von zwei Prisma-Brennstoffzellen mit je 120 kW Leistung, die von Shanghai Refire Technology entwickelt und hergestellt werden. Die Wasserstofftanks verfügen über ein Volumen von 43 Kilogramm, die in weniger als 15 Minuten befüllt werden können. So ist laut Unternehmen eine Reichweite von mehr als 400 Kilometer möglich. Die mit Radnabenmotoren ausgestattete Hinterachse wurde inhouse entwickelt, sie hat ein Drehmoment von maximal 17.000 Nm. Auch der Bus Pyuron des Hauses ist mit Refire-Brennstoffzellen ausgestattet.

Ein weiterer Grund dafür, bereits bestehende Fahrzeuge umzubauen, statt ganz neue Fahrzeuge zu produzieren, sei der Faktor Zeit, so Brandau weiter. Der Chief Technology Officer bezieht sich auf die Klimaziele der Bundesregierung, weswegen man jetzt schnell reagieren müsse: „Nutzt man Bestandsfahrzeuge und konvertiert diese, sind wir schlichtweg schneller als bei der Neuproduktion eines kompletten Fahrzeuges.“ Eine Rolle spielen dabei auch die derzeitigen Herausforderungen auf dem Weltmarkt. „Durch die Spannungen in den Lieferketten würde sich die Produktion nochmal mehr hinziehen“, erläutert Brandau. „Dieses Risiko umgehen wir zumindest teilweise, wenn wir nicht komplett bei Null starten.“

Den Fokus des Unternehmens auf den Brennstoffzellen-elektrischen Antrieb erklärt der CTO mit dem Anforderungsprofil in den Bereichen, in denen das Unternehmen aktiv ist. „Wir haben lange Strecken, die mit möglichst wenig Betankungszeit zurückgelegt werden sollen“, sagt er und fügt an: „Außerdem spielt auch die Nutzlast eine Rolle: Je weniger Gewicht das Antriebssystem hat, desto mehr kann der Lkw laden – für die Logistiker und Spediteure, also unsere Kunden, ein entscheidender Faktor.“

Brandau betont aber, dass der Fokus auf die Brennstoffzelle nicht bedeute, dass das Unternehmen nicht offen für Batterie-elektrisch betriebene Fahrzeuge ist. So sei das kürzlich erworbene Tochterunternehmen E-Cap Mobility für die Entwicklung der Prototypen wie auch für Individualkonvertierungen zuständig. „Die zuständigen Mitarbeiter prüfen hier vorab, welche Anforderungen an dem jeweiligen umzurüstenden Fahrzeug gestellt werden und welches Antriebssystem aus dem Hause Clean Logistics sich dafür am besten eignet“, sagt er. „Bei Fahrzeugen, die kurze innerstädtische Strecken zurücklegen und einen festen Start- und Endpunkt haben, wie beispielsweise ein Depot eines kommunalen Abfallentsorgers, kann ein Batterie-elektrischer Antrieb mit Ladesäulen am Hof durchaus die bessere Variante sein.“ Clean Logistics sei offen für „die beste technische Lösung“. Jederzeit könne das Unternehmen Batterie-elektrische Fahrzeuge anbieten, „da auch beim Brennstoffzellen-elektrischen Fahrzeug die Basis immer ein elektrischer Antrieb ist“.

Das Fahrstreckenprofil der am Fyuriant interessierten Kunden beschreibt Brandau als vielfältig. „Im Grunde können wir sagen, dass wir eine sehr starke Nachfrage im Bereich Hub-to-Hub-Verkehr und regionalen- bis überregionalen Flotten sehen.“ Vielfältig sei dabei auch die spezifische Anwendung der Lkw: „Vom Müllfahrzeug bis zum Lebensmitteldiscounter ist alles dabei.“

Brandau verweist auf die Bestellung von GP Joule über 40 Zero-Emission-Trucks, die das Unternehmen kürzlich bekannt gegeben hat, und die Zusammenarbeit mit Hylane. Die DEVK-Tochter setzt auf ein nutzerbasierten Mietkonzept für Brennstoffzellen-Lkw, Clean Logistics wird zwei Lkw liefern. Zu weiteren Geschäftsanbahnungen will sich der CTO nicht äußern, „da wir als Aktiengesellschaft an bestimmte Vorgaben innerhalb der Kommunikation gebunden sind“.

Mit Blick auf die Arbeit bei den Kunden betont Brandau die Bedeutung der Infrastruktur vor Ort. „Jeder Kunde, der sich für einen Zero-Emission-Truck oder -Bus interessiert, wird von uns umfänglich hinsichtlich der Möglichkeiten beraten“, sagt er. Für viele komme eine eigene Tankstelle auf dem Betriebshof infrage. „Solche Dinge klären wir individuell ab.“ Doch sei klar, dass noch eine Menge passieren müsse. „Je mehr wir gemeinsam als Branche fordern, den Ausbau der Ladeinfrastruktur voranzubringen, desto höher wird der Druck an die jeweiligen Akteure, aktiv zu werden. Nur so können wir unser gemeinsames Ziel der Klimaneutralität erreichen.“

Für die Entwicklung der Fyuriant-Prototypen erhält Clean Logistics Unterstützung vom Bund. Das Projekt wird im Rahmen der Umsetzung der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung (MKS) mit insgesamt rund 3,3 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert. Die Fördermaßnahme wird von der NOW GmbH koordiniert.

Nach der Vorstellung des Fyuriant am Flugplatz Stande in Niedersachsen steht für Clean Logistics nun die Produktion der Vorserienfahrzeuge an. CEO Dirk Graszt setzte diese in einem Interview mit „Focus Online“ für das kommende Jahr an. 2024 sollen die ersten Serienfahrzeuge ausgeliefert werden.

Hinsichtlich der angepeilten Produktion sieht CTO Brandau vor allem noch eine Herausforderung für das Unternehmen: „das Finden von Fachkräften“. In den vergangenen Monaten sei die Zahl der Mitarbeit bereits erheblich erhöht worden, sagt er, eine genau Zahl nennt er indes nicht. „Wir sind zuversichtlich, dass wir durch unsere Vision einer Welt frei von Emissionen, den Nerv vieler Menschen treffen und Jobsuchende auf uns aufmerksam werden“, blickt er optimistisch in die Zukunft.

In der Zwischenzeit baut Clean Logistics am Produktionsstandort in Winsen (Luhe) seine Kapazitäten derzeit aus. Eine neue Produktionshalle mit einer Nutzfläche von mehr als 10.000 Quadratmetern soll das Unternehmen in die Lage versetzen, die Zahl der ausgelieferten Fahrzeuge ab Ende 2023 jährlich auf bis zu 450 zu steigern.

Beim Fokus auf das Umrüstgeschäft wird es wohl nicht bleiben: Erst vor einigen Tagen machte das Unternehmen bekannt, den niederländischen Lkw-Hersteller GINAF Nederland komplett übernommen zu haben, womit Clean Logistics seine Aktivitäten über das aktuelle Geschäft erweitern will. GINAF ist zwar selbst im Umbau und der Fertigung von Lkw in unterschiedlichen Anwendungsbereichen wie Bau, Straßenreinigung und Abfallentsorgung sowie Landwirtschaft und Bergbau tätig. Der niederländische OEM entwickelt und produziert aber auch vollelektrische, emissionsfreie Lkw.
Quelle: Info per E-Mail

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