Lade-Routenplanungs-Apps: Wie gelingt die elektrische Urlaubsfahrt ohne High-Tech-Navi?
In diesem Sommer werden sich viele Menschen mit dem neuen Elektroauto in den Urlaub aufmachen – und damit in unbekannte Ladesäulen-Gebiete. Und auch Dienstfahrten führen oft in neue Lade-Regionen. Doch nicht jedes Navi bietet eine so umfassende Lade-Routenplanung. Können Lade-Apps Abhilfe schaffen, die über Apple CarPlay oder Android Auto eingebunden werden?
* * *
Ein kurzer Druck auf die Lenkradtaste, per Sprachassistent schnell die Adresse des Ferienhäuschens oder des Hotels eingeben und ab in den Urlaub. Innerhalb von Sekunden berechnet das Navi die optimale Route über die Stau-geplagten Autobahnen in der Ferienzeit. In einem Verbrenner reicht das aus, im Elektroauto kommt noch die wichtige Ladeplanung mit hinzu. Im Idealfall macht das das integrierte Navi in einem Aufschlag gleich mit – am besten auch mit Echtzeit-Informationen zur Belegung der Ladesäulen.
Doch der Idealfall tritt selten ein. Tesla kann es, aber auch nur mit den firmeneigenen Superchargern in der Ladeplanung wirklich gut. Bei einigen Herstellern gibt es inzwischen vergleichbare Lösungen, die mal mehr, mal weniger gut funktionieren. Bei einigen, leider oft hochpreisigen Modellen, gibt es inzwischen eine wirklich gute Ladeplanung – sofern die Echtzeit-Daten von den Ladesäulen verfügbar sind und dann auch stimmen. In anderen Fahrzeugen wird zwar eine Route inklusive Ladestopps bis zum Ziel geplant, nur werden hier teilweise langsame AC-Lader oder auch die kostenlosen Ladestationen an Autobahn-nahen Ikea-Filialen mit eingeplant – was an einem Freitagnachmittag oder Samstag eher keine verlässliche Option ist.
Aiways U5 als Testfahrzeug
Eine Alternative zur ungenügenden Routenplanung des integrierten Fahrzeug-Navis sind die Apps einiger Anbieter, die über Apple CarPlay oder Android Auto auf dem Touchscreen des Fahrzeugs dargestellt und bedient werden können. Über die Mobilfunk-Verbindung des Smartphones holen sie sich die benötigten Echtzeit-Daten für die Ladeplanung und setzen bei der Navigation selbst meist auf die Schnittstellen zu Google Maps, Apple Karten oder Here.
Für diesen kleinen Überblick haben wir ein Fahrzeug gewählt, bei dem der Kunde keine andere Wahl hat, als eine externe Lade- oder Navi-App zu nutzen: Aiways hat bei seinem U5 auf ein integriertes Navi verzichtet und spart sich so die Lizenzkosten für das Kartenmaterial. Die Begründung des chinesischen Herstellers ist simpel: Das beste und meistgenutzte Navi-Gerät bringen die Kunden in Form ihres Smartphones ohnehin mit. Warum also Lizenzgebühren und Entwicklerkosten aufbringen, wenn die Kunden sich dennoch von Google Maps zum Ziel führen lassen?
Bei den vier Apps, die wir an dieser Stelle beispielhaft vorstellen wollen, handelt es sich um das verbreitete, aber komplexe Tool A Better Routeplanner (ABRP), die Pump App, die unter den Kandidaten eine Besonderheit aufweist, das Tool ElectricRoutes von P3 und die kürzlich eingeführte CarPlay-Version von mobility+, der Lade-App der EnBW. Kurzer Hinweis an dieser Stelle: Wir haben die Apps über mehrere Wochen in dem Aiways U5, aber auch stichprobenhaft in anderen Fahrzeugen getestet. Ein tiefgehender Vergleichstest, bei dem die Planungen der Apps parallel auf der gleichen Strecke und im Idealfall auch mit verschiedenen Fahrzeugen gemessen werden, ist diese Übersicht nicht.
EnBW mobility+ ist zwar sehr weit verbreitet (auch dank der Kooperation mit ADAC eCharge) und die App ist auf vielen Smartphones zu finden, wenn ein E-Auto im Haushalt ist. In unserer Übersicht ist die CarPlay-Version der App aber schnell abgehandelt: Das EnBW-Angebot bietet via CarPlay derzeit keine Lade-Routenplanung und auch keine Berechnung des Ladestandes am Ziel. Die neue CarPlay-App hilft lediglich dabei, die nächstgelegenen Ladestationen zu finden, an denen über mobility+ geladen werden kann. Und auch das klappte in unserem Test nicht immer, ein nahegelegener EnBW-eigener Ladepark mit zwölf HPC-Punkten wurde via CarPlay nicht unter den nahegelegenen Standorten angezeigt – obwohl laut der zugehörigen Smartphone-App neun der zwölf Ladepunkte verfügbar waren. Hat man eine Ladestation über die CarPlay-App von mobility+ gefunden, gibt die App zur eigentlichen Routenführung den Standort an Apple Karten oder Google Maps weiter. Eine Ladeplanung mit mehreren Stopps wird derzeit noch nicht unterstützt.
ABRP ist die wohl umfangreichste, aber auch komplexeste App zur Routenplanung inklusive der notwendigen Ladestopps. Schon in der kostenlosen Variante können etliche Einstellungen vorgenommen werden, die in anderen Apps aufpreispflichtig sind. Darunter zum Beispiel die Eingabe von Zwischenzielen, die Höchstgeschwindigkeit, Mindestanzahl der Ladepunkte am geplanten Ladestopp oder auch, ob man lieber kurze und dafür viele, oder lieber weniger, aber dafür lange Ladepausen einlegen möchte. Selbst die Batteriedegradation und der (eigene) Referenzverbrauchswert bei 110 km/h können angegeben werden.
Um eine Route zu planen, müssen noch der Ladestand (State of Charge, SoC) bei Abfahrt, der gewünschte SoC an einem Ladepunkt (Minimum als auch Maximum) und bei Ankunft am Ziel eingegeben werden – für eine Basis-Routenempfehlung reicht das aus. Genauer, aber eben auch komplexer, wird die Routen-Kalkulation erst mit weiteren Infos – etwa zur Fahrt (Soll in der Nähe von einem Ladestopp nach einer Verpflegungsmöglichkeit gesucht werden?) oder zu den Bedingungen. Hier können die Nutzer selbst Werte zur Zuladung, der Temperatur oder auch der Windgeschwindigkeit angeben.
Doch erst in der kostenpflichtigen Version, für ABRP entweder 5 Euro/Monat oder 50 Euro/Jahr aufruft, sind nicht ganz unwichtige Premium-Funktionen wie Live-Wetterdaten inklusive Wind und Temperatur (was die manuelle Eingabe ersetzt), Echtzeit-Verkehrsdaten oder eigentlich auch die Integration in Apple CarPlay und Android Auto verfügbar. Letztgenanntes Feature war zum Ende unseres Testzeitraums nun jedoch auch in der kostenlosen Variante bereits inklusive. Ob es sich dabei nur um eine vorübergehende oder dauerhafte Entscheidung von ABRP handelt, ist derzeit noch unklar. Sobald ABRP auf unsere Nachfrage reagiert, reichen wir die Antwort nach.
Eine weitere, für die genaue Planung interessante Premium-Funktion: In der kostenlosen Version kann man zwar die eigenen Ladekarten angeben – erst in der Premium-Version kann die Route nach den passenden Ladenetzen kalkuliert werden, um auf Wunsch etwa einzelne Betreiber aus der Lade-Planung als „bevorzugt exklusiv“, „bevorzugt“, „ist mir egal“ zu benutzen oder gar gänzlich auszuschließen. In der Gratis-Version ist das nur für einzelne Ladestopps möglich, nicht (mehr) für ganze Betreiber.
ABRP: Auch die Premium-Version kann nicht immer alles
Im Falle des Aiways U5 gibt es selbst in der kostenpflichtigen Version jedoch keine Möglichkeit, den aktuellen Ladestand automatisch vom Fahrzeug zu übernehmen – das muss immer manuell erfolgen. Bei anderen Fahrzeugmodellen ist hier eine Anbindung an das Fahrzeug möglich, etwa per API, einen OBD-Adapter oder über den Dienst Tronity. Eine Tabelle mit kompatiblen Fahrzeugen hat A Better Routeplanner hier veröffentlicht. Ein Vorteil des komplexen Tools: Man kann die Routen am Computer planen, im eigenen Account speichern und dann über das Smartphone und CarPlay/Android Auto im Fahrzeug nutzen.
Wer es weniger komplex mag, der ist bei Pump besser aufgehoben. Von den wichtigsten Grundfunktionen her muss sich die App, die es derzeit jedoch nur für iOS gibt, aber keineswegs hinter ABRP verstecken. In der kostenlosen Variante kann eine einfache Route, wenn auch ohne Zwischenziele, geplant werden. Hierfür kann Pump auf die Daten des eigenen E-Autos zugreifen, sofern dieses unterstützt wird.
Eine Besonderheit ist, dass Pump nicht nur weit verbreitete Modelle, sondern auch den U5 von Aiways unterstützt. Dafür wird direkt in der Pump-App das Fahrzeug mit dem jeweiligen Account der Hersteller-App verknüpft – in unserem Fall der Aiways-Account. So kann Pump u.a. Kilometerstand, Verbrauchsdaten als auch Batterieladestände, Ladegeschwindigkeit und auch verbleibende Ladezeit des Fahrzeugs empfangen. Da der Aiways U5 über kein Navigationssystem verfügt, war die Pump-App und die Kooperation der beiden Unternehmen während des Testzeitraums besonders hilfreich.
A propos Ladezeit: Während des Tests waren die äußeren Bedingungen offenbar so gut, dass der U5 den Ladevorgang ganze zehn Minuten schneller als offiziell angegeben (20 auf 80 Prozent in 35 Minuten) abschließen konnte. Auch Benachrichtigungen während des Ladevorgangs und eine Ladehistorie gibt es künftig in der Pump-App – wohlgemerkt derzeit nur für Aiways und Tesla.
Pump: Detaillierte Planung des SoC-Werts aber erst ab Premium
Doch zurück zur Ladeplanung: In der kostenlosen Variante können, zumindest für die aktuelle Route, bestimmte Ladestationsbetreiber favorisiert oder auch deaktiviert werden. Die dauerhafte Priorisierung oder auch Deaktivierung ist erst in der Premium-Variante (4,99 Euro/Monat bzw. 49,99 Euro/Jahr) verfügbar. Zwar kann in der kostenlosen Version der SoC-Wert bei Start (falls man das Auto nicht verbunden hat) eingegeben und auch für das Ziel festgelegt werden, für Ladestopps ist eine detaillierte Planung des SoC-Werts aber erst ab Premium verfügbar. Der Belegungsstatus und wie lange ein bestimmter Ladepunkt bereits belegt oder frei ist, gehört zur Grundfunktion. Eine dynamische Ladeplanung anhand des Batterieladestandes und der eigenen Geschwindigkeit ist erst ab der kostenpflichtigen Version verfügbar. Hat man sich für diese Version entschieden, werden auch die Live-Wetterdaten und die Topografie angezeigt. In der Berechnung fließen diese Daten auch in der kostenlosen Variante bereits mit ein. Zudem bekommt man als Nutzer angezeigt, wie hoch die Durchschnittsgeschwindigkeit sein und wie schnell man maximal fahren darf.
Erst mit der Pro-Version gibt es auch die Navigation mit CarPlay-Anbindung. Dann werden einem als Nutzer aber allerhand Informationen im Fahrzeugdisplay angezeigt. Dazu gehört die aktuelle Route, der nächste Ladestopp mit aktuellem Belegungsstatus, aktueller SoC-Wert und der Batterieladestand bei Ankunft am Ziel.
Während es Pump nicht für Android gibt, ist dies bei der letzten von uns noch zu nennenden App anders. ElectricRoutes von P3 gibt es für iOS und auch Android. Auch über den Browser kann die Routenplanung mit Ladestopps erfolgen. Wie bei den anderen Apps können Roaming-Anbieter und Ladenetzwerke aus- oder abgewählt sowie minimale und maximale SoC-Werte am Ladestopp angegeben werden. Anschließend muss noch der jeweilige SoC-Wert bei Abfahrt und bei Ankunft am Ziel erfolgen. Daraufhin wird die Route mit Ladestopps und den Ladezeiten ausgegeben. Die Bedienung erfolgt überwiegend am Smartphone. Im Fahrzeugdisplay wird lediglich die Route und der aktuelle, von der App berechnete SoC-Wert angezeigt.
ElectricRoutes berechnet bei der Routenplanung u.a. auch das Wetter (ein Feature, welches beispielsweise bei Pump erst ab Premium verfügbar ist) mit ein und gibt einige Details zum jeweiligen Ladestopp, wie den Belegungsstatus, aus. Mit einem Swipe nach links kann der vorgeschlagene Ladestopp einfach ausgetauscht werden, etwa wenn man bei einem bestimmten Betreiber nicht laden will. Der Algorithmus soll so die Vorlieben des Fahrers analysieren und seine bevorzugten Optionen erlernen. Wenn der Fahrer auf einer bestimmten Strecke immer am selben Ladepark hält, wird er irgendwann direkt eingeplant. Ein anderes Beispiel: Lädt der Fahrer ausschließlich an Standorten mit mehr als zwei Säulen, werden kleine Standorte mit nur einer Säule irgendwann gar nicht mehr vorgeschlagen.
ElectricRoutes kann derzeit generell keine Live-Daten vom Fahrzeug wie etwa den aktuellen Ladestand empfangen, Routenplanung und SoC-Berechnung erfolgen nur anhand der in der Smartphone-App hinterlegten Werte. Stichproben ergaben jedoch, dass die Berechnungen sehr gut passen – selbst dann, wenn man auf kurzen Abschnitten etwas schneller fährt. Allerdings fehlt die Möglichkeit für die Eingabe von Zwischenzielen. Auch eine dynamische Ladeplanung erfolgt nicht. Schlussendlich lässt sich jedoch sagen, dass ElectricRoutes gerade für „Neulinge“ eine interessante Alternative sein könnte. Denn ist einfacher als die beiden obigen Apps zu bedienen, auch wenn der Funktionsumfang derzeit noch eingeschränkt ist.
Redaktionelle Mitarbeit: Sebastian Schaal
6 Kommentare