Carsharing und E-Mobilität gehören zusammen. Doch woran hakt es noch?
Immer mehr Carsharing-Anbieter setzen auf elektrische Fahrzeuge. Der Anteil der rein elektrischen Fahrzeuge und Plug-in-Hybride an der deutschen Carsharing-Flotte lag zum 1. Januar 2022 allerdings erst bei 23,3 Prozent. Volker Eckhardt, Gesellschafter und Berater bei einem Braunschweiger Carsharing-Anbieter, erklärt, woran es bei der Elektrifizierung der Carsharing-Flotten noch hakt.
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Der Grundsatz im Carsharing lautet „Autos fahren, ohne sie zu besitzen“. Seit den 1980er Jahren hat sich das Carsharing aus der „Öko-Nische“ entwickelt und ist inzwischen zu einem etablierten Geschäftsmodell geworden, das von Mobilitätskonzernen wie der Deutschen Bahn, Autovermietern oder auch Automobilherstellern betrieben wird. Volker Eckhardt ist Gesellschafter und Berater bei einem Braunschweiger Carsharing-Anbieter, der mit der Marke sheepersharing.com über 60 Carsharing-Autos in der Stadt betreibt. Der promovierte Elektroingenieur ist Verfechter des Carsharing-Modells, nicht nur aus unternehmerischen Gründen. Warum er der Überzeugung ist, dass wir in der Zukunft Mobilität neu denken müssen und Elektroautos auch ins Carsharing gehören, erläutert er im Interview:
In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es Carsharing-Angebote hierzulande durchaus schwer haben können. Was stimmt Sie optimistisch, warum solche Angebote dennoch eine Zukunft haben?
Ganz einfach. Die Gründe sind an fünf Fingern abzuzählen:
- Unsere Innenstädte brauchen Flächen nicht für die Autos, sondern für Menschen und ein besseres Klima.
- Immer mehr städtische Mobilität verlagert sich auf öffentliche Verkehrsmittel und Fahrrad. Für die „Restmobilität“ brauchen wir zwar meistens ein Auto, aber nicht zwingend ein eigenes Auto.
- Durch die neuen Abgasnormen der EU steckt auch in kleinen Autos mehr teure Technik, d.h. der Einstieg in die Automobilität wird für den Nutzer schwieriger zu finanzieren. Ein Ausweg kann sein, sich die Kosten übers Carsharing mit anderen zu teilen.
- Junge Menschen definieren sich nicht mehr über das Auto als Statussymbol.
- Alle Menschen wollen Mobilität, sogar mehr Mobilität als in der Generation vorher. Sie wollen sich aber nicht mehr an den Besitz eines Autos binden, weil das unbequem und mit Arbeit verbunden ist. Wir sind inzwischen in vielen Lebensbereichen gewohnt, einen „Full Service“ z.B. incl. garantiertem Parkplatz zu genießen, ohne uns um Details kümmern zu müssen.
Warum sehen Sie vor allem E-Autos im städtischen Carsharing als wertvoll an?
Das sich radikal ändernde Bewusstsein in Bezug auf unsere Umwelt und Nachhaltigkeit ist entscheidend. Gerade für Fahrten in Stadtnähe mit geringen Entfernungen und wenigen Mitfahrern sind saubere Elektrofahrzeuge als kleine Stadtflitzer prädestiniert.
Was hindert Sie jedoch derzeit noch daran, im Carsharing ganz auf Elektroautos umzustellen?
Das würden wir liebend gern. Aber das Laden des Elektroautos ist das Problem. Elektroladen dauert länger, als Benzin oder Diesel zu tanken. Beim Carsharing sind die Spielregeln so, dass die Nutzer das Fahrzeug tanken sollen, wenn der Tankstand unter 25 Prozent liegt. Wenn das also während der Mietzeit stattfindet, muss es schnell gehen. Wenn es außerhalb der Mietzeit passiert, darf die Ladesäule nicht dadurch blockiert werden, weil z.B. die nächste Anschlussmiete erst in 2 Tagen gebucht ist.
Das werden die Kunden als schwierig empfinden, oder?
Genau. Wir sind jedoch optimistisch, dass sich die Einstellung und die Möglichkeiten auf Sicht ändern werden. Bei der Elektromobilität müssen eben noch einige Hürden überwunden werden, dessen sind wir uns bewusst. Unser Geschäft wird durch folgendes Umfeld geprägt:
- Carsharing ist für viele neue Nutzer ungewohnt und wirft bei der Erstbenutzung eine Menge Fragen auf.
- Elektroautos sind ebenfalls für viele Autofahrer noch ungewohnt. Auch dort gibt es bei der Erstbenutzung eine Menge Fragen.
- Stadtbezirke mit hoher Einwohnerdichte, hohem Parkdruck und guter Wohnqualität sind fürs Carsharing eigentlich ideal. Nur fehlt genau dort die Ladeinfrastruktur für Elektroautos.
- Die jetzige öffentliche Ladeinfrastruktur für Elektroautos hat, von Ausnahmen abgesehen, selbst mit 50 kW zu wenig Power, weil sie sich an der Leistung für Hausanschlüsse orientiert. Das führt zu langen Ladezeiten von deutlich mehr als 30 Minuten. Das ist für unsere Kunden nicht akzeptabel.
Wie würde Ihr Lösungsansatz aussehen?
Da hat der Bundesverband Carsharing sehr gut vorgedacht und ein Positionspapier erarbeitet. Bis eine ausreichende Ladeinfrastruktur vorhanden ist, brauchen wir beim stellplatzbasierten Carsharing eine direkte Zuordnung eines Ladepunktes zu einem Elektro-Carsharing-Fahrzeug. Das rechnet sich aber über den Energieverbrauch („verkaufter Strom“) für den Anbieter nicht. Wir haben Bundesverkehrsminister Wissing das in einem Treffen in Braunschweig erläutert: Hier hilft nur eine Erweiterung der Förderkulisse aus seinem Haus. Auch die Kommunen, die für das Carsharing die Infrastruktur stellen, müssen begreifen, dass sie da gefragt sind. Wir arbeiten daran!
Woher nehmen Sie die Motivation, Ihr Geschäftsmodell weiter zu verfolgen?
Wir haben zurzeit ein jährliches Wachstum von 100 Prozent, d.h. Carsharing trifft haargenau die Bedürfnisse der Gesellschaft. Und mit zunehmendem Umweltbewusstsein in Kommunen und bei der potenziellen Kundschaft werden die Einstiegshürden bei immer mehr Menschen überwunden werden. In den verdichteten Wohnvierteln der Innenstadt funktioniert das schon. Da müssen wir noch das Problem des Ladens von Elektroautos lösen.
Wie sieht es beim Thema Carsharing im ländlichen Bereich aus?
Zumindest auch in den Randbereichen der Städte wollen immer mehr Menschen Carsharing nutzen. Für ein wirtschaftlich tragfähiges Angebot sind das wohl noch zu wenig. Hier gilt aber auch: Angebot schafft Sichtbarkeit und Nachfrage. Die Frage ist nur, wer diese Anlaufphase finanziert. Da wäre eine Unterstützung mit Fördermitteln sicher hilfreich.
Hilft der rasante Technikfortschritt bei der Akzeptanz solcher Angebote?
Unbedingt. Die Zeit ist reif. Mein Eindruck ist, dass unsere Gesellschaft sich auf den Weg gemacht hat und Veränderung in vielen Bereichen nicht nur akzeptiert, sondern auch will. Für die Mobilitätswende brauchen wir einen besseren ÖPNV und bessere Radwege, wir brauchen auch kleine, günstige Elektroautos, eben echte Volkswagen. Wenn wir die mit „Sonnen- oder Windstrom“ laden und damit die Energie für unsere Mobilität selbst erzeugen, macht das doch glücklich. Und wir brauchen die Diskussion, wie wir auch wirklich allen Bevölkerungsschichten den Zugriff auf die neuen Technologien ermöglichen. Dazu brauchen wir sicher überall einen langen Atem. Doch wir sind überzeugt, dass wir alle erfolgreich sein werden und unser Geschäftsmodell sich durchsetzen wird.
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