Urbino 18 hydrogen: Solaris geht bei H2-Bussen in die Verlängerung

Vor acht Jahren wagte Solaris in Hamburg erste Gehversuche mit einem Urbino electric samt Brennstoffzelle. Seit 2019 bietet der polnische Hersteller, der Teil der spanischen CAF-Gruppe ist, bereits einen serienreifen Zwölf-Meter-Solobus mit Brennstoffzelle an. Rund 100 Busse wurden bisher verkauft. Jetzt geht Solaris mit einem Gelenkbus des Typs Urbino 18 hydrogen in die sprichwörtliche Verlängerung.

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Im Rahmen des dritten „Solaris Talks“, bei dem hauseigene und geladene Experten mit ihren Präsentationen über Erfahrungen aus der Praxis eines zukunftsgerichteten, emissionsfreien ÖPNV berichten, gab es mit dem neuen H2-Gelenkbus zudem noch eine Weltpremiere. Rund 150 Gäste hatte Solaris nach Krakau dafür eingeladen. Die Vorstellung erlebten aber weit mehr, denn Solaris streamte die Veranstaltung live in alle Welt.

Gleich zu Beginn erklärte Javier Calleja, der Vorstandsvorsitzende von Solaris, dass man als Marktführer rechtzeitig mit dem 18 Meter langen Urbino hydrogen auf die steigende Nachfrage nach Bussen dieses Typs reagiert habe und heute ein serienreifes Produkt vorstelle. Erste Auslieferungen dieses neuen Busses werden im zweiten Quartal 2023 erfolgen, mehr Details und den Bus zum Anfassen versprach er im Anschluss an die Expertenvorträge.

Die „Solaris Talks“ eröffnete Lukasz Chelchowski, Bus Developement Director im Hause Solaris. Man habe das Image des ÖPNV mit den Produkten positiv verändert, als führender Hersteller von emissionsfreien Omnibussen, die in Europa hergestellt werden, könne man mittlerweile auf 2.000 Fahrzeuge, die bisher in Auftrag gegeben wurden, zurückblicken. Die Urbino-Baureihe würde in 116 Städte und 20 Ländern in Europa tagtäglich beweisen, dass die Marke für Erfahrung, Wissen, Kompetenz und auch Flexibilität stehe.

Dank des modularen Baukastens könne man Gefäßgrößen in sechs Längen (9m, 10,5m, 12m, 15m, 18m und 24m) mit sieben Antriebsarten (Batterie, Brennstoffzelle, Oberleitung, Hybrid, Mild-Hybrid, CNG und Diesel) anbieten. Auch bei den Batterien (High Power, High Energy) und Ladeoptionen (Plug-in, Pantograf, invertierter Pantograf) biete man verschiedene Möglichkeiten an, die auch seitens der Kundschaft ansprechend angewählt werden würden. Alternative Antriebskonzepte hätte im letzten Jahr 41 Prozent aller Bestellungen ausgemacht, für die Zukunft werde man sich ausschließlich auf emissionsfreie Antriebslösungen konzentrieren, so Chelchowski.

2011 kam er erste Batterie-elektrische Linienbus von Solaris

2001 sei man mit Trolleybussen gestartet, zwei Jahre später habe man diese um Traktionsbatterien ergänzt, bevor man 2011 den ersten Batterie-elektrischen Linienbus im Programm hatte. 2014 folgte der erste H2-Bus, der als Range Extender konzipiert wurde. 2019 wurde die Serienfertigung des Linienbusses mit Brennstoffzelle aufgenommen, 2020 ging es Batterie-elektrisch schon über das Land, wie Chelchowski erinnerte. Und weiter: „Im Jahr 2022 fährt der Urbino 18 hydrogen vor.“

Es sind die kleinen Dinge, die man bei den „Solaris Talks“ zwischen den Zeilen hören kann, die den neuen Bus so interessant machen: Das Herzstück des Wasserstoffbusses Urbino 18 ist eine hochmoderne Brennstoffzelle, die als Miniatur-Wasserstoffkraftwerk fungiert, wie es Pawel Mankowski, Leiter des Wasserstofftechnologie-Teams von Solaris, beschreibt. Der in Tanks auf dem Dach mitgeführte Wasserstoff wird von der Brennstoffzelle in Strom umgewandelt, der dann auf den Antriebsstrang übertragen wird.

Das von Mankowski angesprochene Herz des Busses ist die neue 100 Kilowatt-Brennstoffzelle von Ballard. Kürzlich erst vorgestellt muss sie nicht mehr beheizt werden. Die Lebensdauer gibt Solaris mit 25.000 Stunden an, Ballard selbst hingegen mit 30.000 Stunden. Sensoren an mehreren Stellen sollen die nach Aussagen von Solaris sichere Technik noch sicherer machen. Wenn es Fehler gebe, dann wären die leider immer menschlicher Natur, so die Aussage des Busherstellers. Hauseigene Batterien mit einer Kapazität von rund 60 kWh, die im Fahrzeug verbaut sind, dienten als Hilfsstromquelle, z. B. beim Beschleunigen, sowie als Speicher für zurückgewonnene Energie.

Beim neuen Gelenkbus hat Solaris auf den herkömmlichen Motorraum verzichtet, der dadurch eingesparte Platz ermöglichte es, die Fahrgastkapazität des Fahrzeugs zu erhöhen und das Sitzplatzlayout neu zu gestalten: So können insgesamt 53 Sitze eingebaut werden, davon 20 im Niederflurbereich.
Die Wasserstofftanks mit einer Gesamtkapazität für 51,2 kg wurden auf dem Dach montiert, zusätzlich sind Sensoren an mehreren Stellen angebracht, damit die Technik auch mehr als sicher sei. Die Vollbetankung des Fahrzeugs dauert nach Angaben des Herstellers rund 20 Minuten.

Das Geschäft mit in Serie gefertigten Wasserstoffbussen bedient Solaris seit 2019, im Markt der H2-Busse würde man seitdem ein starkes Wachstum erkennen, im letzten Jahr kamen 170 neue Fahrzeuge hinzu, so Pawel Mankowski. Und im ersten Halbjahr 2022 hat Chatrou CME Solutions insgesamt 49 Neuzulassungen in diesem Segment nachgewiesen. In Summe sind in Europa jetzt 310 Omnibusse im Einsatz, die die benötigte Energie für das elektrische Fahren aus einer Brennstoffzelle beziehen. Parallel dazu wachse die Anzahl der entsprechenden Tankstellen, aktuell wären es schon 230, berichtete Pawel Mankowski in seinem Vortrag. Diese entstünden aber meistens auf den Betriebshöfen der ÖPNV-Dienstleister, vereinzelt in Kooperation mit der Stadt, wenn diese Träger des Busverkehrs ist.

Die EU plane in den Jahren 2020-25 mit einer Millionen Tonnen erneuerbarem Wasserstoff (renewable hydrogen) und 6 Gigawatt Elektrolyseuren („renewable hydrogen electrolysers“), um den wachsenden Markt bedienen zu können. Der ist entstanden, weil das verabschiedete europäische Klimagesetz das Ziel festgelegt hat, bis 2050 Klimaneutralität zu schaffen. Von 2025 bis 2030 sollen es dann 40 Gigawatt und dann schon zehn Millionen Tonnen sein. Welche Menge davon für den ÖPNV zur Verfügung steht bzw. was dieser dann verbrauchen dürfte, ließ er aber unbeantwortet. Auch die Frage, wie die großen Mengen an erneuerbarem Wasserstoff kostenmäßig konkurrenzfähig produziert werden sollen, war kein Thema.

Günstiger Wasserstoff ist die Basis für den Abschied von fossiler Energie

Fakt ist, und das wünscht sich auch Javier Calleja, dass das mit politischen Instrumenten geschehe. So fordert der Solaris-Geschäftsführer von der Politik in Europa mehr Einsatz für die Verkehrswende, wie ein Blick auf die Infrastruktur zeige. Erst wenn die Kostenlücke zwischen erneuerbarem Wasserstoff und fossilen Alternativen verringert oder am besten noch geschlossen werde, könnten die fixierten Ziele auch erreicht werden. Solaris verweist in diesem Zusammenhang auf eine Parallele und das Gesamtpaket, das man anbieten würde: Nach einer Analyse des geplanten Einsatzes mit Linienlängen, Umläufen und Fahrzeuggrößen würde man während der Beratung auch das Laden mit dem Kunden erarbeiten, denn, so Javier Calleja, ein partnerschaftliches Miteinander führe bei dieser Antriebsart zu den besten Ergebnissen.

In diesem Zusammenhang müsse man sich auch den Verkehrsbetrieben, die Solaris das Monitoring erlaubten, bedanken. Mit eSConnect habe man ein digitales Instrument, mit dem die Ingenieure bei Solaris das jeweilige Fahrzeug und den Kunden begleiten könnten. Dank „real-time tracking and monitoring“ könne man dies bestmöglich im täglichen Einsatz betreuen und für zukünftige Fahrzeuge auch Verbesserungen generieren. Durch das Angebot neuer, technologisch immer fortschrittlicherer und emissionsfreier Fahrzeuge könne Solaris sein Know-how auch mit anderen Interessierten teilen – und das nicht nur während der „Solaris Talks“-Reihe. Alle Menschen seien eingeladen, eine gemeinsame Zukunft zu gestalten, wie Javier Calleja abschließend betonte. Und wenn man das große Ganze betrachte, dann gehöre auch die Politik mit ins Boot, um für Bushersteller wie Solaris, die die benötigten Fahrzeuge für die vorgegebenen Klimaschutzziele in Eigenregie serienreif gemacht hätten, eine Zukunft zu schaffen.
Solaris ist mit fast 70 Wasserstoffbussen bei Kunden in Italien, Deutschland, den Niederlanden, Schweden und Polen europaweit gut vertreten. Neue Auslieferungen an Kunden u.a. in Spanien, Frankreich, der Tschechischen Republik und der Slowakei werden in Kürze beginnen, dann würde man die Zahl von 100 Fahrzeugen überschreiten. Und die meisten Verkehrsbetriebe fragen schon länger nach einem Gelenkbus, erklärte Romuald Witkowski, Leiter des Projektmanagements bei Solaris.

Neben Solaris hat nur Van Hool einen BZ-Gelenkbus

Auch hier kann das Solaris-Team jetzt liefern, wenn diese Frage gestellt wird. Noch etwas ist erwähnenswert: Der Urbino 18 hydrogen kann als Omnibus der Klasse II typgenehmigt werden, was den Einsatz im Überlandverkehr ermöglicht. Und wie bei den Bussen von Solaris üblich, haben die Kunden zudem die Möglichkeit, auch diesen Linienbus nach ihren individuellen Wünschen auszustatten, denn der Urbino-Baureihe setzt auf einen modularen Baukasten.

Die polnische Marke der CAF-Group hat fast ein Alleinstellungsmerkmal, aktuell bietet nur noch Van Hool einen Gelenkbus mit Brennstoffzellenantrieb. Da kann man dann auch galant die Fragen, was der Urbino 18 hydrogen kosten wird, mit einem Lächeln begegnen und einfach nicht beantworten. Wobei, es gab eine Antwort, „das hänge von der individuellen Ausstattung ab“. Ja, aber einen fixen Grundpreis wird es doch geben? Mit Blick auf die Fördermöglichkeiten, die die EU noch nicht verlängert hat, wird der Preis ein entscheidender Faktor beim Kauf und Verkauf sein.

Hier konnte die diesjährige Gastrednerin der „Solaris Talks-Reihe“, Alisa Meyer, Abteilung alternative Antriebe der Regionalverkehr Köln, in Ihrem Vortrag Interessantes berichten: Sie referierte über die Herausforderungen bei der Einführung und dem Betrieb von Wasserstoffbussen in Köln aus Sicht eines Verkehrsbetriebes. In ihrem Vortrag zeigte sie u.a. eine Folie, die die Anschaffungskosten der H2-Busse in ihrem Hause zeigte: Auch wenn die Preise rückläufig sind, ohne finanzielle Unterstützung gehe es nicht, so Meyer. Nicht mehr von der EU, sondern diesmal ausschließlich vom Bund habe man für anzuschaffenden 108 neuen H2-Busse eine Förderzusage in Höhe von 33,8 Millionen Euro erhalten.

Bei Solaris ist man zuversichtlich, dass das Geschäft mit Wasserstoffbussen weiter wachsen wird. Was insbesondere Javier Calleja so zuversichtlich macht? Die Auftragslage, bis heute liegen schon sehr viele Verträge und Optionen vor, wie er mit einem Lächeln im Gesicht und dem typischen spanischen Stolz erklärt. Auf Nachfrage sollen es in Summe weitere 100 H2-Busse sein. Spannend, wird das Segment der H2-Busse damit aus der Nische fahren und eine feste Größe bei der alternativen Antrieben werden?

Autor: Rüdiger Schreiber

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