Volvo EX90 unterstützt bidirektionales Laden

Bild: Volvo

Volvo setzt künftig im großen Stil auf das bidirektionale Laden. Das erste Modell der Schweden mit dieser Technologie wird der kommende EX90 – auch weitere Modelle auf der neuen E-Plattform werden das bidirektionale Laden unterstützen. Dabei weist das System eine technische Besonderheit auf, welche die Möglichkeiten deutlich erweitert.

Während Hyundai-Kia bei den E-GMP-Modellen und auch dem neuen Niro EV auf eine reine AC-Lösung setzt, hat sich der VW-Konzern für die kommende bidirektionale Ladefunktion seiner MEB-Modelle für eine DC-Lösung entschieden. Die VW-Lösung hat Vorteile bei Vehicle-to-Home-Anwendungen, da etwa die PV-Anlage auf dem Dach oder der Heimspeicher ebenfalls mit Gleichstrom funktionieren. Einfache, aber wirkungsvolle Anwendungen wie die Vehicle-to-Device-Funktion bei Hyundai, wo per Adapter beliebige Geräte mit Strom aus dem Akku betrieben werden können, sind aber nicht möglich.

Volvo hat hier für den Kunden keine so grundlegende Entscheidung getroffen – beziehungsweise die Entscheidung ist, dass der Kunde die Wahl haben soll: Der EX90 und seine kommenden Plattform-Brüder werden das bidirektionale Laden sowohl per AC als auch per DC unterstützen, wie Lutz Stiegler, Solution Manager Electric Propulsion bei Volvo Cars, im Gespräch mit electrive.net erklärt. „Unser Ladegerät im Fahrzeug ist standardmäßig bidirektional, kann also mit 11 kW laden und entladen“, so Stiegler. „Wenn wir nur DC anbieten würden, muss der Onboard-Charger das nicht können, da reicht eine reine Lade-Funktion. Über die DC-Wallbox, die dann einen eigenen Wechselrichter braucht, wird das für den Kunden aber sehr viel teurer.“

Und da, so ist zwischen den Zeilen zu hören, schwingen bei Volvo Zweifel mit, ob die Kunden eine solche teure Lösung in der Masse auch annehmen werden. Der große Vorteil, den das bidirektionale Laden über Vehicle-to-X-Funktionen oder netzdienliches Laden hätte, würde verpuffen. Denn damit die Fahrzeug-Batterie das Netz stabilisieren kann, muss sie möglichst oft eben mit jenem Netz verbunden werden – also nicht nur zu Hause an der eigenen Wallbox, sondern idealerweise auch während der Arbeitszeit beim Arbeitgeber. Oder beim Laden an einer öffentlichen Ladesäule. All das erfordert eine möglichst große Verbreitung von entsprechenden Ladepunkten. Trotz der Vorteile einer DC-Lösung für die heimische Insel-Lösung sieht Volvo die große Verbreitung im günstigen AC-Bereich.

Künftig sind virtuelle Kraftwerke denkbar

„Wir haben die Strategie, dass wir zusammen mit dem Auto eine normale, relativ günstige AC-Wallbox anbieten werden, welche die ISO-konforme Kommunikation für bidirektionales Laden unterstützt“, sagt Stiegler. „In der Zukunft wird es ein Komplettpaket für die Kunden geben, die auch eine Solaranlage und einen Heimspeicher möchten – das ist dann die DC-Wallbox.“

Für das Fahrzeug sind Vehicle-to-Grid (V2G) und Vehicle-to-Home (V2H) gleichwertig – denn es wird außerhalb des Fahrzeugs entschieden, ob der Strom im Haus verbleibt oder über den Netzanschlusspunkt hinaus ins Netz eingespeist wird. In diesen beiden Anwendungen – V2G und V2H – sieht Volvo den größten Hebel und die wichtigste Motivation, bidirektionales Laden einzuführen. „Mit den Fahrzeugbatterien werden wir einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten können“, so Stiegler. „In entsprechend großer Anzahl können die Fahrzeuge eine nennenswerte Speicherkapazität zur Verfügung stellen und das eben mit einer sehr hohen Leistung.“

Schließt man E-Fahrzeuge in einem Pool als virtuelles Kraftwerk zusammen, kann mit den E-Autos sogar mehr angeboten werden als der reine Ausgleich von Kurzzeit-Schwankungen. Dann könnten die Fahrzeuge als virtuelles Kraftwerk sogar für eine Frequenzreserve eingesetzt werden. Wann solche Funktionen in die Umsetzung gehen, will der Volvo-Manager noch nicht sagen: „Das hängt auch von den Regularien zum Netzzugang in den unterschiedlichen Ländern ab. Das Auto als mobiler Energiespeicher ist heute in den Normen nicht abgedeckt.“

Auch in der begleitenden Mitteilung halten sich die Schweden noch bedeckt: „Das bidirektionale Ladeangebot wird zunächst in ausgewählten Märkten eingeführt. Wir untersuchen derzeit, welche Anwendungsfälle wir in verschiedenen Märkten anbieten können“, teilt Volvo mit. „Wir werden den Volvo EX90 mit der notwendigen Hardware zur Unterstützung des Netzes ausstatten und prüfen derzeit, in welchen Märkten wir dies unseren Kunden anbieten können.“

Ein Nebeneffekt des bidirektionalen 11-kW-Ladegeräts: Man wird auch andere E-Autos mit Strom aus der Fahrzeugbatterie laden können – und nicht über den Umweg mit dem Schuko-Ladeziegel und den V2D-Adapter wie bei Hyundai-Kia. In das Spender-Fahrzeug wird zwar auch ein Adapter eingesteckt, mit diesem Adapter kann das normale Mode-3-Ladekabel verwendet werden. Im Menü muss noch ein spezieller Modus für das Spender-Fahrzeug aktiviert werden, damit dieses sich bei der Lade-Kommunikation wie eine Wallbox verhält. Stiegler gibt an, dass man die Funktion bisher nur mit anderen Elektro-Volvos getestet habe. Sofern sich andere Hersteller beim AC-Laden an die genauen Kommunikations-Normen halten, sollten aber auch Fahrzeuge anderer Hersteller auf diese Art geladen werden können.

Volvo wird den EX90 am 9. November vorstellen. Das Fahrzeug basiert auf einer neuen Elektro-Plattform, welche später in weiteren Volvo-Modellen zum Einsatz kommen wird – und damit auch das serienmäßig bidirektionale Ladegerät.
volvocars.com

4 Kommentare

zu „Volvo EX90 unterstützt bidirektionales Laden“
Alfred Werndl
13.10.2022 um 15:02
Alter Hut, neu erzählt. Aber hoffentlich kommt das dann jetzt möglichst schnell ;-)
Dirk Wilken
13.10.2022 um 17:04
Warum ist das noch nicht schon lange Standard
Hansruedi Würsch
16.10.2022 um 21:04
Vor paar Monaten sind 860 Seiten Draft, hochkomplex, zum Kommentieren gekommen, für ISO15118-20, Viele Experten sind nicht besonders vertraut damit. Wir denken, dass viele DSO Schwierigkeiten haben in der V2G Anwendung. Je schneller das kommt, umso weniger entwickelt. emq@gmx.ch CES-TK69 Standardisierung Ladung Emobile
Hansruedi Würsch
16.10.2022 um 20:44
Wenn es möglichst schnell kommen soll, warum ist das ein alter Hut? Was würdest du dir wünschen?

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