Nio feiert europäische Markteinführung in Berlin
Nio hat am Freitagabend seine europäische Markteinführung im Tempodrom in Berlin gefeiert. Mit seinen drei Modellen für den europäischen Markt, seinem Nio-Home-Konzept, das Autohäuser und Ausstellungsräume ersetzt, sowie seinen Batteriewechselstationen und Abo-Modellen will das junge Unternehmen zeigen, dass es in der Lage ist, den aufstrebenden europäischen Elektroauto-Markt aufzumischen. Wir waren live dabei.
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In erster Linie wurden natürlich die drei Modelle von Nio für den europäischen Markt gezeigt, zwei elektrische Limousinen, der ET7 und der ET5, und ein elektrischer SUV, der EL7. Alle Modelle wurden bereits vorgestellt, ihre technischen Daten gezeigt und im Falle es EL7 der Name geändert, um den deutschen Konkurrenten Audi nicht länger zu verärgern.
Die Gäste konnten in diesen Luxusfahrzeugen Platz nehmen und im Rahmen des mobilen Lounge-Konzepts von Nio die neue 3D-Augmented-Reality-Brille des Unternehmens und den Surround-Sound mit mehreren Lautsprechern ausprobieren. Zudem präsentierten die Chinesen ihr Nio-Home-Konzept und eine Reihe von Mode- und Lifestyle-Produkten, von denen viele aus upgecycelten oder recycelten Materialien aus der Autoproduktion hergestellt werden.
Der Ansatz des Unternehmens ist klar: Wir befinden uns in einem neuen globalen Zeitalter mit einer Nutzerbasis, die an Nachhaltigkeit und Design interessiert ist. Der Nachhaltigkeitsgedanke scheint in den gesamten Ansatz des Unternehmens integriert zu sein, das sich sehr auf ständiges Nutzerfeedback und den persönlichen Kontakt mit seinen Kunden als Teil eines größeren, internationalen und wohlhabenden Kundenstamms konzentriert.
Als Kommunikationsplattform für die Nio-Community mit Gesprächen und Austauschmöglichkeiten wurde Nio Seeds vorgestellt. Zur Präsentation von Seeds hörten die Gäste einen Vortrag über Nachhaltigkeit und Big Data von Forster and Partners, dem von Sir Norman Foster gegründeten Unternehmen, das neben vielen anderen berühmten Projekten für die Renovierung und den Wiederaufbau des Berliner Reichstages verantwortlich ist. Der Nio-Gründer und -CEO William Li erzählt seinen Mitarbeitern, dass er jeden Tag mindestens 30 Minuten damit verbringt, mit Menschen außerhalb des Unternehmens zu sprechen.
Die europäische Markteinführung in Berlin hatte dennoch etwas von einem Heimspiel. Das lag nicht nur an den europäischen Designern und Künstlern, die an den umfangreichen Merchandising-Produkten und der Architektur von Nio Home mitgewirkt haben, sondern vor allem am Kern des Unternehmens. Obwohl dieses Elektroauto-Startup seinen Sitz in Shanghai hat, war es von Anfang an international. Das Designzentrum befindet sich seit jeher in München und wird von Chris Tommersen, dem US-isländischen Designchef des Unternehmens, geleitet. Das technische Zentrum von Nio befindet sich in Oxford und die KI- und IT-Zentren sind in San Jose, also den USA, angesiedelt.
Dies spiegelt sich auch in der Zielgruppe wider, die das Unternehmen anzusprechen scheint. Design-affine internationale Jetsetter, die flexibel bleiben wollen, denen es nicht um Eigentum als Statussymbol geht, sondern um Lifestyle-Entscheidungen. Motto: „Flexibilität ist das neue Premium.“
Batterien: austauschbar, aufladbar und aufrüstbar
In der Keynote stellte Chefingenieur Danielo Teobaldi die technischen Besonderheiten der Nio-Elektroautos vor. Im Zentrum steht – natürlich – die Batterie.
Nio-Batterien können entweder gekauft oder mit dem Auto gemietet werden. Zwei Batteriepakete, die Standard- und die Langstreckenbatterie, werden ab sofort in Europa erhältlich sein. „Sie können die Standard-Reichweite für Ihren Arbeitsweg nutzen und an der Stromtankstelle flexibel auf die lange Reichweite aufrüsten“, erklärte Danielo Teobaldi den Gästen und sprach über die Batteriewechselstationen von Nio, von denen sich eine jetzt in Berlin in der Nähe der berühmten West-Berliner Einkaufsmeile Kurfürstendamm befindet. „Ab nächstem Jahr wird die 150-kWh-Version in Europa erhältlich sein“, kündigte er unter spontanem Beifall des Publikums an. Das ist das Batteriepaket, mit dem die Stromer von Nio in die Nähe der 1.000 Kilometer Reichweite kommen sollen.
„Jedes Nio-Auto ist ein Hochleistungs-Elektrofahrzeug mit einer aufladbaren, austauschbaren und aufrüstbaren Batterie“, fasste Teobaldi zusammen, da die Software der Batterien auch „over the air“ aktualisiert werden kann.
120 Batteriewechselstationen in Europa geplant
Dies ist in der Tat ein internationales Alleinstellungsmerkmal. Die Batterien sind nicht nur austauschbar, sondern können sowohl mit Wechselstrom- als auch mit Gleichstrom-Ladegeräten aufgeladen werden, letztere mit bis zu 140 kW für schnelles Laden. Im Sommer dieses Jahres stellte Nio sein 500-kW-Gleichstromladegerät und die nächste Generation der Batteriewechselstation vor. Wenige Wochen zuvor hatte Nio angekündigt, 2024 mit der Produktion von selbst entwickelten Batteriepacks zu beginnen.
Nio wird mit dem Rollout seiner Batteriewechselstationen in Europa beginnen. Neben den beiden bereits eröffneten Stationen in Norwegen, jener in Zusmarshausen und der oben erwähnten Station in Berlin plant das Unternehmen, bis Ende nächsten Jahres 120 Batteriewechselstationen in Europa zu eröffnen. Diese werden bereits in der Region in der Produktionsstätte des Unternehmens in Ungarn hergestellt.
Elektroautos im Abonnement
Spätestens bei den Preisen wird klar, dass es sich um eine Premiummarke für wohlhabende Kunden handelt. Die Abonnementmodelle beginnen für den Nio ET5 (pro Monat) bei 999 Euro in Deutschland. Während der Besitz weiterhin möglich ist, mit der Option, Batterien zu mieten und aufzurüsten, stand bei dieser Präsentation das Abonnementmodell im Mittelpunkt. Dies ist nicht nur bei Nio der Fall, auch Autovermieter gehen inzwischen zu diesen Modellen über, um mehr Menschen den Zugang zu Elektrofahrzeugen mit flexiblen Optionen zu ermöglichen.
Zu den technischen Leckerbissen im Inneren der Fahrzeuge gehört ein kleiner interaktiver Roboter mit Augen auf dem Armaturenbrett namens Nomi – offenbar abgeleitet von „know-me“, was bedeutet, dass die künstliche Intelligenz des Fahrzeugs die Fahrzeuginsassen kennenlernt und ihnen ein Begleiter ist. Wie Ted Li, Associate Vice President, Product Experience, erklärt, besteht das Konzept der umfangreichen Technologie im Auto darin, die Dinge trotz der komplexen Computerausstattung des intelligenten Fahrzeugsystems Banyan möglichst einfach zu halten.
Nio Home ersetzt Autohäuser und Ausstellungsräume
Insgesamt hatte man das Gefühl, dass dieser Akteur bereits in Europa verankert ist – die Batteriewechselstationen werden auf dem Kontinent eingeführt und in Norwegen, wo Nio seine Produkte mit der elektroautoaffinen Bevölkerung getestet hat, nutzen die Kunden auch das Nio-Home-Konzept bereits. Nio Home soll so etwas wie ein Gemeinschaftszentrum für internationale Jetset-Bürger werden, eine Mischung aus Café, Co-Working, Shopping und Lounge, wobei nur 25 Prozent der Fläche dem Ausstellungsraum für Nio-Fahrzeuge gewidmet sind. Hier finden Veranstaltungen statt, wie Filmabende und Vorträge, die nicht nur für Nio-Kunden, sondern auch für die breite Öffentlichkeit zugänglich sind. Das dürfte dem Interesse der Kunden und dem Gefühl der Zugehörigkeit zuträglich sein. Ob es sich auch rechnet, steht auf einem anderen Blatt.
Das dänische Designbüro Schmidt, Hammer & Lassen hat bereits das Nio House in Norwegen entworfen, während das Berliner Gebäude bis Ende des Jahres fertiggestellt sein soll. Bislang sind weltweit bereits 80 dieser Zentren gebaut und in Betrieb, die meisten davon natürlich in China, wo Nio seine Produkte mit Hilfe von Kunden-Feedback-Schleifen und ständiger Kommunikation mit den Nutzern ausgiebig getestet und perfektioniert hat.
Insgesamt vermittelte die europäische Einführungsveranstaltung den Eindruck, dass dieser neue Akteur mehr bieten will als seine Konkurrenten im Premiumbereich. Nicht nur die Flexibilität und die Upgrades, sondern eine völlig neue Infrastruktur mit Batterietausch, die mit der bestehenden Ladeinfrastruktur kompatibel ist und sogar in der Lage ist, das Stromnetz bei Bedarf zu stabilisieren. Die Frage ist, wie groß diese kosmopolitische, designaffine, nachhaltigkeitsbegeisterte Zielgruppe wirklich ist, da viele Menschen in europäischen Städten der neuen Generation von Nachhaltigkeitsbefürwortern angehören, das Auto ganz aufgeben und auf noch nachhaltigere Verkehrsmittel umsteigen.
Original-Report von Carrie Hampel, erschienen auf electrive.com
Übersetzung: Sebastian Schaal
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