TNO-Studie: E-Lkw sind ab 2030 günstiger als der Diesel

Dass der E-Lkw kommt, ist spätestens seit der Neuheiten-Flut auf der IAA Transportation klar. Doch wann und wie stark? Eine neue Studie der niederländische Forschungsorganisation TNO kommt zu dem Schluss: Batterie-Lkw werden schon ab 2030 wirtschaftlich günstiger sein als Diesel-Lkw und genauso leistungsfähig.

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99,6 Prozent. In diesem enormen Anteil aller Anwendungsfälle werden Batterie-elektrische Lkw bereits im Jahr 2030 im Vergleich zu Diesel-Lkw in der Gesamtkostenrechnung günstiger sein – und dabei ohne Kompromisse die gleichen Anforderungen an Reichweite, Laufzeit und Nutzlast erfüllen. Dieses zentrale Ergebnis der TNO-Studie, die von dem deutschen Think Tank Agora Verkehrswende und der europäischen Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E) in Auftrag gegeben wurde, ist mehr als klar: Die 0,4 Prozent, in denen der E-Lkw nicht die günstigste Option sein wird, sind eine absolute Nische. Egal ob der Bäcker, der seine Filialen beliefert, der Apfel, der aus Südtirol in den Supermarkt gebracht werden muss oder die Güterströme der Logistik-Konzerne zwischen ihren Verteilzentren: All das wird 2030 Batterie-elektrisch erfolgen.

Zur Studie selbst: Untersucht wurde das technische und wirtschaftliche Potenzial für emissionsfreie Lkw in den EU-Ländern und dem Vereinigten Königreich bis zum Jahr 2040. Dabei sollte eine Vergleichbarkeit der Entwicklung bei Kosten und Leistungsfähigkeit von Batterie-Lkw, Brennstoffzellen-Lkw und Diesel-Lkw erstellt werden. Berücksichtigt wurden in der Studie mittlere und schwere Lkw wie sie im Stadtverkehr, im regionalen Lieferverkehr und im Fernverkehr eingesetzt werden – und auch Baustellenfahrzeuge. Dabei wurde in der Studie auch die Verteilung der durchschnittlichen Tageskilometerleistung der Flotte sowie die täglichen Entfernungsschwankungen der einzelnen Fahrzeuge mit einbezogen, um die Reichweite als ein Hindernis für die Einführung von E-Lkw in bestimmten Anwendungen zu berechnen.

Für die Kalkulation der Gesamtkosten wurden die Kosten für Wertverlust, Energie, Wartung, Infrastruktur und Straßennutzung berücksichtigt. Der Kostenvorteil von Batterie-Lkw gelte trotz ihres auf absehbare Zeit höheren Kaufpreises und auch in Szenarien, in denen die Annahmen für die Entwicklung der Preise für Batterien, Dieselkraftstoff und Strom weniger vorteilhaft für Batterie-elektrische Lkw angesetzt werden. Aufgrund ihrer günstigeren Gesamtkosten sehen die Studien-Autoren Batterie-Lkw auch für die meisten Langstrecken vorne. Mit einer Reichweite von 400 bis 500 Kilometer pro Batterieladung könnten sie mit einem Ladestopp von 45 Minuten während der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepause auch Tagesreichweiten von 800 Kilometer gut abdecken.

Im Gegenzug stellten sie fest, dass die Gesamtkosten von Brennstoffzellen-Lkw hingegen anhaltend über denen von Diesel-Lkw liegen werden. Dies gelte auch dann, wenn die Kosten für Wasserstoff und Brennstoffzellen niedrig angesetzt werden. Brennstoffzellen-Lkw seien deshalb nur in Sonderfällen eine emissionsfreie Alternative zu Batterie-Lkw, zum Beispiel wenn besonders hohe Reichweiten erforderlich sind. Das betreffe „jedoch nur eine begrenzte Anzahl von Lkw“, so die Studie.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis: TNO kommt zu dem Schluss, dass das nicht nur in Finanz- und Infrastruktur-starken Ländern wie etwa Deutschland der Fall sein wird. Das gelte für alle Neufahrzeuge im Straßengüterverkehr und, mit geringen Unterschieden, für alle EU-Länder sowie das Vereinigte Königreich.

Die Schlüsse, die der Auftraggeber Agora Verkehrswende aus der Studie zieht, sind klar: Der Think Tank empfiehlt, die EU-Flottengrenzwerte für CO2-Emissionen von neuen Lkw schon für die Zeit bis 2030 deutlich zu verschärfen und für 2035 möglichst auf null zu senken. Synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) und Biokraftstoffe sollten dabei nicht auf die Grenzwerte angerechnet werden können. Diesel-Lkw würden dann ab 2035 in der EU nicht mehr neu zugelassen.

Erst vor zwei Wochen hatten wir über ein Dokument von Strategy& berichtet, dass sich mit einer ganz ähnlichen These befasst hat. Die Ergebnisse in Kurzform: Ab 2025 werden Batterie-elektrische Lkw bei den Gesamtbetriebskosten (Total Costs of Ownership, TCO) mit Verbrenner-Lkw gleichziehen und diese dann überholen. 2030 werde fast jeder dritte neu zugelassene Lkw in Europa, Nordamerika und im Großraum China elektrisch angetrieben sein, 2035 schon 70 Prozent.

Dass sich derartige Studien im Moment häufen, hat einen einfachen Grund: Die Europäische Kommission plant im Zuge ihrer Green-Deal-Strategie, in den kommenden Monaten einen neuen Vorschlag für die CO2-Flottengrenzwerte von Lkw vorzulegen. Bisher sollen die CO2-Emissionen für neu zugelassene Fahrzeuge ab 2025 um 15 Prozent niedriger sein als in den Vergleichsjahren 2019 und 2020; ab 2030 um 30 Prozent. Dazu kommt noch eine weitere wichtige Ankündigung: Am 26. Oktober will die EU-Kommission ihre Vorschläge zu den Euro-7-Abgasnormen vorstellen, sowohl für Pkw als auch Lkw. Der Termin, der in der Lkw-Branche mit Spannung erwartet wird, war Anfang des Monats kurzfristig vom 12. auf den 26. Oktober verschoben worden. Es geht um nicht weniger als das Tempo der Antriebswende, wenn neue Emissions-Vorgaben strenger oder lascher ausfallen.

Auf der Grundlage ihrer Studie plädiert Agora Verkehrswende dafür, das 30-Prozent-Ziel auf 2027 vorzuziehen und für 2030 eine Reduzierung um 65 Prozent festzulegen. Ohne diese Vorgaben ließe sich das deutsche Klimaziel, im Jahr 2030 ein Drittel der Fahrzeugkilometer im schweren Güterverkehr elektrisch oder strombasiert zu leisten, kaum erreichen.

„Auf Basis dieser Studie kann die Politik das Tempo für den Klimaschutz im Straßengüterverkehr mit gutem Gewissen erhöhen. Im Verkehrssektor geht es auf dem Weg zur Klimaneutralität an vielen Stellen nicht so schnell voran, wie es nötig wäre“, sagt Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende. „Wichtig ist daher, dass die Politik nicht nur das 100-Prozent-Ziel für 2035 anstrebt, sondern auch anspruchsvollere Zwischenschritte für den Markthochlauf festlegt. Das ebnet den Weg für die rasche Ausweitung der Produktion von Nullemissions-Lkw. Dafür sollte sich die Bundesregierung in der EU einsetzen.“

Fedor Unterlöhner, Bereichsleiter Güterverkehr bei T&E, sieht die Politik in der Verantwortung, Planungssicherheit für Hersteller und Transportunternehmen zu schaffen – und nicht ein potenziell teures Nebeneinander der Technologien befördern. „Neben den Flottengrenzwerten hat die Politik weitere Instrumente in der Hand, um die Transformation zu beschleunigen“, so Unterlöhner. „Effektiv wären in den Jahren bis 2030 vor allem Kaufprämien für emissionsfreie Lkw und nach CO2-Emissionen differenzierte Straßennutzungsgebühren für Lkw.“

Trotz dieser Schlussfolgerungen der Auftraggeber machen die TNO-Forschenden klar: „Die tatsächliche Verbreitung von ZEVs wird wahrscheinlich von dem in dieser Studie ermittelten Verbreitungspotenzial abweichen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass neben den oben genannten Faktoren, die berücksichtigt werden (d. h. Erschwinglichkeit und Anwendbarkeit), viele andere Faktoren die tatsächliche Verbreitung beeinflussen.“ Gemeint sind zum Beispiel die Verfügbarkeit von Lade- und Betankungsinfrastrukturen oder von Fahrzeugen. „Auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Berichts wird erwartet, dass BEVs die kosteneffizienteste Option für alle einbezogenen Fahrzeugtypen sind. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn die Batteriepreise nicht so schnell wie erwartet sinken, die Dieselpreise relativ niedrig oder die Strompreise relativ hoch wären“, heißt es in der Studie.
agora-verkehrswende.de (Mitteilung), agora-verkehrswende.de (Schlussfolgerungen als PDF), agora-verkehrswende.de (TNO-Studie auf Englisch als PDF)

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