Verwirrung um Hyundais H2-Lkw-Projekt in der Schweiz
Hyundai hat laut einem Medienbericht überraschend sein Projekt mit Brennstoffzellen-Lkw in der Schweiz gestoppt. 1.600 solcher Lkw wollte Hyundai bis zum Jahr 2025 in die Alpennation bringen. Nun wird das Projekt laut einem Manager wegen der „äußerst stark schwankenden Energiepreise“ abgebrochen. Doch Hyundai Hydrogen Mobility dementiert.
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Das hat Beat Hirschi, CEO von Hyundai Schweiz, der Fachzeitschrift „trans aktuell“ bestätigt. Lediglich das Pay-per-use-Programm für die 47 Hyundai Xcient, die bereits auf Schweizer Straßen fahren, laufe weiter. Hinweise auf ein abruptes Ende des Projekts kamen zuvor aus dem Kreis der wartenden Kunden. So hat Hyundai offenbar Verträge für kurz vor der Auslieferung stehende Wasserstoff-Lkw storniert. Als Grund wurde den Kunden gegenüber die mangelnde Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff genannt.
Inzwischen hat das Joint Venture Hyundai Hydrogen Mobility in einem LinkedIn-Post die Berichte als „vollkommen unbegründet“ zurückgewiesen. „Hyundai Hydrogen Mobility wird sein Geschäftsmodell für den Schwerlasttransport mit Brennstoffzellen mit dem bestehenden Partnernetzwerk in der Schweiz weiterführen und entwickeln“, heißt es dort.
Zur Einordnung: Hyundai gab 2019 bekannt, seinen gerade gelaunchten H2-Lkw über die Schweiz in Europa etablieren zu wollen. Dazu gründete der Hersteller mit dem Schweizer Startup H2 Energy – ein privatwirtschaftlicher Zusammenschluss von motivierten Unternehmen – das Joint Venture Hyundai Hydrogen Mobility (HHM). Das Geschäftsmodell: Kunden sollten die Wasserstoff-Lastwagen von Hyundai Hydrogen Mobility auf einer Pay-per-Use-Basis leasen, die keine Erstinvestition erforderlich macht. Bis 2025 sollten so 1.600 Exemplare auf die Schweizer Straßen rollen. Ende 2020 wurden die ersten Exemplare übergeben.
Während HHM zur Koordination des Projekts gegründet wurde, entstand im Windschatten des Vorhabens ein zweites Gemeinschaftsunternehmen namens Hydrospider, an dem Alpiq, H2 Energy und Linde beteiligt sind und das die Produktion von grünem Wasserstoff, dessen Speicherung sowie die Lieferung an Tankstellen managen sollte. Denn: Das Modell für die Schweiz sah ausschließlich die Verwendung von grünem Wasserstoff vor.
Das ist nun offenbar der Knackpunkt. Denn Hirschi wird in der Zeitschrift „trans aktuell“ mit den Worten zitiert: „Mit den äußerst stark schwankenden Energiepreisen können wir keine acht Jahre fixe Konditionen anbieten.“ Statt in die Schweiz transportiert zu werden, sollen die Brennstoffzellen-Lkw demnach nun in Deutschland zum Kauf angeboten werden, wo sie auch bei Verwendung von konventionell erzeugtem Wasserstoff staatlich gefördert werden. Dass Hyundai den Export nach Deutschland anschieben will, kündigte der Hersteller im August selbst an. Vorerst werden sieben deutsche Unternehmen 27 Exemplare des Fahrzeugs in den Flottendienst stellen.
Geht es nach HHM, sind aber auch die Energiepreise kein Problem für das Projekt. „Die unvorhersehbaren Verwerfungen auf dem Energiemarkt wirken sich auf die Verfügbarkeit und die Kosten von Strom aus nachhaltigen Energiequellen aus. Dies gilt kurz- und mittelfristig auch für die Produktionskosten von grünem Wasserstoff“, so das Joint Venture. „Nichtsdestotrotz sind alle Akteure im Schweizer Wasserstoff-Ökosystem fest entschlossen, ihre Ziele weiter auszubauen und Lösungen zu entwickeln, um das Gesamtsystem an die neue Situation anzupassen.“
Die Zukunft der beiden mit dem Schweizer Projekt verwobenen Joint Ventures ist also derzeit unklar. Treffen die Informationen aus dem Medienbericht zu, soll es in der Schweiz keine Verkäufe des Xcient mehr geben. Ist die Lage aber so gut, wie HHM in dem LinkedIn-Post behauptet, beabsichtigen weder „Hyundai noch andere am Wasserstoff-Ökosystem in der Schweiz beteiligte Partner, die bestehende Initiative zu beenden“. Stattdessen solle die Produktion von grünem Wasserstoff ausgebaut werden.
Laut Hyundai ist der Xcient auf die Anforderungen von Flottenkunden zugeschnitten. Ausgestattet ist das Modell mit einem 350-kW-Elektromotor mit einem maximalen Drehmoment von 2.237 Nm. Zudem ist ein 180-kW-Wasserstoff-Brennstoffzellensystem mit zwei 90-kW-Brennstoffzellenstacks verbaut. Sieben Wasserstofftanks – die Betankung soll je nach Umgebungstemperatur etwa acht bis 20 Minuten dauern – bieten zusammen eine Speicherkapazität von rund 31 Kilogramm Kraftstoff. Eine 72-kWh-Batterie dient als ergänzende Energiequelle. Die maximale Reichweite gibt das Unternehmen mit 400 Kilometern an.
Auf den Markt kam das Modell im Jahr 2020, angekündigt worden war es 2019. Mitte des vergangenen Jahres stellte Hyundai eine überarbeitete Version vor. Das Modell soll – so der O-Ton der Koreaner von August – „der weltweit erste in Großserie gefertigte wasserstoffbetriebene Elektro-Lkw für den Schwerlastverkehr sein“. Neben den 47 Exemplaren in der Schweiz sind bisher auch einige Exemplare in den USA im Einsatz.
Update 01.11.2022: Die Meldung, wonach das Projekt mit den 1.600 Brennstoffzellen-Lkw in der Schweiz eingestellt werde, hatte für Aufregung in der Branche gesorgt – und wurde umgehend dementiert. Im Interview erklärt Rolf Huber, CEO von H2 Energy, wie es zu der Meldung kam, wie das Projekt derzeit läuft und wie er die künftige Wasserstoff-Versorgung sicherstellen will.
eurotransport.de, linkedin.com, electrive.net (Update)
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