„Europa kann Energiekrise nicht lösen ohne Wasserstoff“ – Dr. Uwe Gackstatter von Bosch im Interview
Batterie-Antriebe sind etwas für Pkw. Aber bei Nutzfahrzeugen ist die Brennstoffzelle in den Augen von Dr. Uwe Gackstatter, Vorstandsmitglied in Boschs Geschäftssektor Mobility Solutions, eine vielversprechende Lösung. Denn mit der richtigen Wasserstoff-Importstrategie sind „die Wandlungsverluste irrelevant“.
Boschs Sortiment an Komponenten für E-Fahrzeuge wächst im ähnlichen Tempo wie der Markt. „Wir haben die Lösungen für den Truck von heute und von morgen“, versichert Dr. Uwe Gackstatter, langjähriger Bosch-Manager, der durch die Aufwertung des Unternehmensbereichs Mobility Solutions zu einem eigenen Geschäftssektor gerade vom Leiter der Bosch-Antriebssparte zum Mitglied des Sektorvorstands aufgestiegen ist.
Im Elektro-Antriebsgeschäft ist Bosch etabliert, liefert von der kompletten E-Achse bis zum einzelnen Inverter sämtliche Komponenten. Viel Know-how lasse sich vom Pkw auf die Nutzfahrzeuge übertragen, Skalierungseffekte ausnutzen, erläutert Gackstatter im Interview mit electrive.net-Chefredakteur Peter Schwierz. Neues hat er vor allem zu Boschs Fokus auf Brennstoffzellen-Technologie zu sagen. Bekanntlich hat sich Bosch nicht auf die Batteriezellen-Entwicklung eingelassen, dafür rücken Brennstoffzellen-Antriebe und deren vor- und nachgelagerte Bereiche vollumfänglich in den Fokus.
Allen voran registrieren Gackstatter und seine Kollegen großes Interesse an Boschs „Fuell Cell Power Modul“ aus China. Bei der Antriebseinheit mit einer Leistungsspanne von 70 bis 220 kW zielt der Konzern vor allem auf Fahrzeuge, die Transportwege über Land zurückzulegen haben. „In China werden wir bis Jahresende über 500 solcher Systeme ausgeliefert haben. Im Nutzfahrzeugbereich sehen wir in China einen großen Trend in Richtung Brennstoffzellen-Fahrzeuge.“ Wasserstoff stehe dort zur Verfügung. Der Staat baue die Infrastruktur auf, so der Bosch-Manager: „Wir sehen dort perfekte Bedingungen und gehen davon aus, in den nächsten Jahren bis zu 40.000 solcher Systeme in den Markt bringen können, während wir in Europa noch mit Pilotanwendungen und kleinen Losgrößen arbeiten.“
Grundsätzlich gibt sich Gackstatter vor unserer Kamera überzeugt, dass der Truck-Bereich eine Vielzahl an Lösungen sehen wird – von CO2-neutralen Kraftstoffen über Batterie- und Brennstoffzellen-Antriebe bis zum Wasserstoff-Motor. „Im Pkw-Bereich halte ich den BEV-Antrieb persönlich für die beste Lösung.“ Aber Europa werde seine Energiekrise nicht lösen können ohne Wasserstoff.
Dabei wird Europa allein nicht genügend Wasserstoff aus regenerativem Strom produzieren können: „Wir brauchen in Europa weiterhin Energieimporte. Heute sind das Öl, Kohle und Gas. Hoffentlich in Zukunft viel grüner, sauberer Wasserstoff“, so der Bosch-Fachmann. Gelinge es, grünen Wasserstoff etwa aus Nordafrika oder Spanien zu importieren, erhalte man für die Energiewende „eine ganz wichtige Lösung“.
Die viel bescholtenen Wandlungsverluste der Brennstoffzellen-Technologie sieht Gackstatter dabei unkritisch. „Die Wandlungsverluste sind da, aber irrelevant, wenn wir den Wasserstoff dort produzieren lassen, wo wir einen Überschuss an Windenergie und Strom aus Photovoltaik haben.“
Bosch setzt voll auf diese Karte. Der Zulieferer will von der Brennstoffzellen-Technologie ausgehend noch tiefer in die Wertschöpfungskette und den Elektrolyse-Markt aufmischen. „Das ist für uns ein ganz neues Feld. Aber wenn Sie die Technik für eine mobile Brennstoffzelle beherrschen, haben Sie auch das Wissen an Bord, um Wasserstoff erzeugen zu können“, sagt Gackstatter. Bosch sieht großen Nachholbedarf bei der Produktion von Wasserstoff und will sich den Worten des Topmanagers zufolge einbringen, um das Henne-Ei-Problem der Wasserstoff-Mobilität zu lösen.
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