Eichrecht: Compleo schließt erste Lizenzvereinbarung mit Keba
Nachdem Compleo im Sommer angekündigt hatte, zwei Patente rund um das Eichrecht per Lizenz kommerzialisieren zu wollen, wurde nun der erste Lizenz-Deal geschlossen – mit dem Wallbox-Hersteller Keba. Doch der S.A.F.E.-Verein will mit einer Nichtigkeitsklage gegen das Lizenzmodell von Compleo vorgehen.
Zu dem Lizenz-Deal mit Keba nennt Compleo in der Mitteilung keine tiefergehenden Details – dort heißt es nur, man habe ein „einfaches Lizenzierungsmodell“ entwickelt und sei bereits in Gesprächen mit verschiedenen Nutzern dieser Patente. Auch auf Nachfrage von electrive.net wollte Compleo keine weiteren Angaben zu der Vereinbarung mit Keba machen. Denn: Laut der Mitteilung handelt es sich um einen „individuellen Lizenzvertrag“.
Das entwickelte Lizenzmodell ist laut einem Compleo-Sprecher „die Basis aller Gespräche“ mit den potenziellen Lizenznehmern. Vorgesehen ist demnach mit einer Lizenz für den Hersteller sowohl die Herstellung als auch den Betrieb abzudecken. Die Lizenzierung wird für bereits aufgebaute und neue Ladesäulen vereinbart. Ob Compleo das Lizenzmodell veröffentlichen wird, steht noch nicht fest – das Unternehmen verweist derzeit noch auf das Wettbewerbsrecht.
„Um Planungs- und Rechtssicherheit für unsere Partner zu haben, hat Keba die Gespräche mit Compleo schnell aufgenommen. Diese transparenten und respektvollen Gespräche wurden nun mit der Unterzeichnung der Lizenzvereinbarung erfolgreich abgeschlossen. Das ist gut für unsere Kunden und uns“, sagt Christoph Knogler, CEO bei Keba Energy Automation.
„Mit den klaren Lizenzmodellen vermeiden wir langwierige Patentverletzungsverfahren und es kann für alle beteiligten Parteien schnell und unkompliziert am Markt weitergehen“, sagt Jens Stolze, COO der Compleo Charging Solutions AG. Allen interessierten Unternehmen bietet Compleo den Abschluss eines Lizenzvertrages an: „Mit unseren Lizenzmodellen stellen wir uns künftig so auf, dass Transparenz sowie Nutzung der Patente im Vordergrund stehen.“
Eichrecht-Patente als Showstopper beim Ausbau des Ladenetzes?
Doch worum geht es? Im Zuge der Übernahme von Innogy eMobility Solutions hatte Compleo auch zwei Patente erworben, darunter das entscheidende europäische Patent EP2531368B1. Wie wir bereits ausführlich berichtet haben, beschreibt das Patent ein Verfahren zur Nutzeridentifikation, mit der ein von einer Ladestation erfasster Messwert einem Nutzer zugeordnet werden kann – die Basis für eine saubere und transparente Abrechnung eines Ladevorgangs. Der Knackpunkt: Die sogenannte Transparenzsoftware der 2019 gegründeten Initiative S.A.F.E. (Software Alliance for E-mobility) baut auf ein Verfahren zur Signaturbildung auf, das jene Patente nutzt, die nun Compleo gehören.
Unter RWE und Innogy wurde die Nutzung dieses Patents schlichtweg zugelassen – die Ladeinfrastrukturbranche hatte zu jener Zeit geschlossen an den Herausforderungen des Eichrechts gearbeitet. Compleo als börsennotiertes Unternehmen sah sich hingegen gegenüber seinen Aktionären in der Pflicht, diese Duldung zu beenden – und die Nutzung der Patente durch Dritte zu kommerzialisieren. Damit können die über 80 S.A.F.E.-Mitglieder ihre eichrechtskonformen Ladestationen mit der Transparenzsoftware nicht mehr rechtssicher nutzen, ohne eine Lizenzvereinbarung mit Compleo einzugehen. Langwierige und potenziell teure Patentverletzungsverfahren wären die Folge.
Doch genau dagegen hat sich bereits im Sommer Widerstand geregt. Der S.A.F.E-Verein – in dem Compleo übrigens auch Mitglied ist – hatte bereits im Vorfeld von Patentanwälten ein Gutachten erstellen lassen. Dieses argumentiert, dass besagtes Verfahren zum Zeitpunkt der Anmeldung Stand der Technik war, also keine Neuheit mit erfinderischer Werthaltigkeit, mithin also nicht schutzwürdig. Das Patent, so die Bewertung beteiligter Experten, hätte also gar nicht erteilt werden dürfen. Damals hieß es noch, dass eine außerordentliche Mitgliederversammlung entscheiden müsse, ob man eine Nichtigkeitsklage einreichen werde.
Genau das ist auf der 6. Mitgliederversammlung des S.A.F.E. e.V. in der vergangenen Woche geschehen: Die Versammlung hat den Vorstand beauftragt, die beiden Patente mittels einer gerichtlichen Nichtigkeitsklage rechtlich prüfen zu lassen. Der Ausgang ist hier noch offen, auch wenn sich der Verein auf Basis des Gutachtens in einer guten Ausgangslage glaubt.
Um bis dahin eventuelle Lizenzstreitigkeiten zu vermeiden, zeigt sich der Verein kreativ: Auf seiner Website hat S.A.F.E. ein Whitepaper veröffentlicht, welches drei technische Lösungsansätze beschreibt, „welche nicht die Merkmale aus den oben genannten Patenten aufweisen“. Der Verein ist diesbezüglich mit der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) im Austausch.
compleo-charging.com, safe-ev.com (Whitepaper als PDF)
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