Audi RS e-tron GT: Mit der sportlichen Reiselimousine auf der Autobahn
Das Ergebnis der dritten Auflage vom P3 Charging Index: Nicht mehr eines der deutschen Premium-Modelle ist das langstreckentauglichste Elektroauto, sondern der Kia EV6. Der Audi e-tron GT (ohne RS) muss sich deutlich dahinter einreihen – noch hinter dem Porsche Taycan GTS. Verstecken muss sich der Audi-Stromer beim Thema Langstreckentauglichkeit dennoch nicht, wie unser Fahrbericht des „normalen“ e-tron GT offenbarte. Gilt diese Einschätzung aber auch für die RS-Variante?
Beim Antrieb haben sich die Ingolstädter beim Taycan bedient, schließlich baut der e-tron GT ebenfalls auf der J1-Plattform des Elektro-Porsches auf. So setzt Audi ebenfalls auf permanenterregte Synchronmotoren. Während der e-tron GT in der Basis eine Peakleistung von 350 kW und im Boost-Modus 390 kW leistet, so sind es bei der RS-Variante 440 kW bzw. 475 kW. Beim Sprint von 0 auf 100 km/h ist der RS e-tron GT mit 3,3 Sekunden auf dem Papier zwar nur 0,8 Sekunden schneller als die Version ohne RS, in der Praxis ist der Unterschied dennoch deutlich spürbar. Wenngleich die Situationen, in denen man so etwas testen kann, eher selten sind. Noch größer wird der Unterschied zur Basis auf einer freien Autobahn, denn den Spurt auf 200 km/h absolviert die Top-Version knapp drei Sekunden schneller.
Diese Power spürt man. Wuchtig zieht der RS e-tron GT nach vorne und zeigt, dass Elektromobilität mit Bezug auf diese Attribute kein Verzicht bedeuten muss. Bei all seinen Manövern blieb der Elektro-Sportler im Test dennoch stets stabil und kontrolliert – also nicht nur bei der enormen Beschleunigung oder Verzögerung, sondern auch bei seinem Kurvenverhalten. Nach über 2,3 Tonnen Leergewicht fühlt sich der e-tron GT nie an. Bei der Höchstgeschwindigkeit trennen beide Versionen nur läppische fünf km/h. So sind es bei der Basis-Variante 245 km/h und beim RS 250 km/h. Trotz all der Sportlichkeit lieferte die serienmäßige adaptive Luftfederung mehr als nur akzeptablen Komfort. Er ist eben eine sportliche Reiselimousine.
Vom Taycan hat der RS e-tron GT aber eine der wichtigsten Eigenschaften für ein gutes Langstrecken-Elektroauto übernommen: die Gleichstrom-Ladeleistung. Um den 800-Volt-Akku mit seinem nutzbaren Energiegehalt von 83,7 kWh (93,4 kWh brutto) möglichst zügig aufladen zu können, bietet Audi eine maximale DC-Ladeleistung von 270 kW. Laut Datenblatt benötigt ein Ladevorgang von fünf auf 80 Prozent im optimalen Fall rund 22,5 Minuten. Was allerdings bereits beim Test mit dem Audi e-tron GT festgestellt werden konnte, zeigte sich auch beim RS erneut: Stimmen alle Rahmenbedingungen, kann der gleiche Ladevorgang sogar in 18 bis 19 Minuten absolviert werden.
Zustande kam der perfekte Ladevorgang auch, weil der e-Routenplaner genutzt wurde und der chemische Speicher vom System auf die optimale Temperatur gebracht wurde. Die Funktion ist einfach erklärt: Über die Navigation muss ein High Power Charger als Ziel angegeben werden. Alternativ geschieht dies auch bei der Planung einer Route, bei der ein High Power Charger angefahren werden muss. Denn wer den e-Routenplaner nutzt, bekommt automatisch die Vorkonditionierung der Batterie.
In nicht perfekten Fällen – also mit zu kalter oder in seltenen Fällen zu heißer Batterie – kann der Ladevorgang durchaus auch fünf bis zehn Minuten länger dauern. In der Praxis war dies jedoch eher kein Problem – die menschlichen Bedürfnisse waren länger als der geplante Ladevorgang.
Maximale Reichweite leicht unter der des Basis-e-tron
Das technische Datenblatt gibt Auskunft darüber, was beim Vergleich einer RS-Variante mit dem Basismodell logisch ist: Mit der Leistung steigt auch der Verbrauch, die Reichweite sinkt also. Auf dem Papier benötigt der Audi e-tron GT zwischen 19,9 und 21,6 kWh/100 km. Der RS liegt hingegen bei 20,6 bis 22,5 kWh/100 km etwas darüber. Die WLTP-Reichweiten geben die Ingolstädter mit bis zu 488 bzw. bis zu 472 Kilometern an.
In der Realität sind bei überwiegend Autobahnfahrten – je nach Fahrweise – mit dem RS e-tron GT jedoch eher rund 310 bis 360 Kilometer möglich. Wer zu beherzt auf das Strompedal drückt und die Möglichkeit hat, das Top-Modell auszufahren, der wird logischerweise mit weniger Reichweite rechnen müssen. Im reinen „Überlandbetrieb“ können es aber auch über 400 Kilometer sein. Anders ausgedrückt: Die Person hinter dem Steuer entscheidet, ob der RS e-tron lieber seine Sportlichkeit entfalten oder komfortabel dahingleiten soll. Und folglich, welche Reichweite tatsächlich möglich ist.
Neben all der versteckten Technik wurde deutlich: Der Audi RS e-tron GT fällt auf. Nicht zuletzt lag das auch am eigenständigen Design. Auch die Testwagenfarbe „Taktikgrün Metallic“ trug spürbar dazu bei. Beim Test mit dem e-tron GT quattro in der Farbe „Ibisweiß“ drehten sich subjektiv betrachtet weniger Menschen nach dem Elektroauto um.
Für Eindrücke zum Innenraumdesign oder den Assistenzsystemen verweisen wir an dieser Stelle auf den oben verlinkten Fahrbericht des e-tron GT oder den Test unseres Kollegen Christoph M. Schwarzer – hier unterscheidet sich das RS-Modell kaum, es würde sich also nur wiederholen. Zu den Platzverhältnissen müssen jedoch noch ein paar Worte gesagt werden: Die Basis-Variante bietet mit 405 Liter einen größeren Kofferraum als die RS-Version (350 Liter). Der Subwoofer der im RS serienmäßigen Bang&Olufsen-Anlage nimmt etwas Platz ein. Sprich: Ein VW Golf und (um in der Elektro-Welt zu bleiben) ein ID.3 bieten einen größeren Kofferraum als der 4,99 Meter lange RS e-tron GT. Was weder Golf noch ID.3 bieten: Der Frunk ist mit 85 Litern bei e-tron-GT-Varianten hingegen gleich.
Fazit
Während der Porsche Taycan lieber ein reisetauglicher Sportwagen als eine sportliche Reiselimousine sein will, sieht das beim Audi e-tron GT genau andersherum aus. Und wer mit dem RS unterwegs ist, für den dürfte der Verbrauch eher zweitrangig sein, denn sonst könnte es auch der e-tron GT quattro (selbst wenn bei angepasster Fahrweise nur geringfügig weniger Reichweite möglich ist) oder gar ein ganz anderes Modell werden.
Für den RS e-tron GT sprechen (je nach Geschmack) das Design und seine Technik – hier gehört er weiterhin zur Speerspitze der Elektromobilität. Auch die zahlreichen neuen Modelle haben daran nur wenig geändert. Das hat aber auch seinen Preis: So kostet der RS e-tron GT ganze 38.000 Euro mehr als die Basis-Version.
Mit Blick auf die Langstreckentauglichkeit und den P3 Charging Index lässt sich abschließend zudem sagen: 800 Volt sind kein Allheilmittel. Zwar bieten alle vier im Index getesteten 800-Volt-Modelle mit Werten zwischen 227 und 192 kW die beste Ladekurve (bester 400-Volt-Stromer ist der EQS mit 167 kW im Schnitt), ohne den entsprechend niedrigen Verbrauch hilft auf der Langstrecke aber auch die hohe Ladeleistung wenig – wie etwa die Platzierung des Audi e-tron GT zeigt.
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