VW ID. Buzz Pro: Reicht das für den Kult-Status?
VW Nutzfahrzeuge startet mit dem ID. Buzz in eine neue Ära: Der Elektro- löst den Dieselmotor ab. Wie gut funktioniert das? Und was bietet die aktuellste Software, mit der der Elektro-Van nun ausgeliefert wird? Christoph M. Schwarzer hat den ID. Buzz ausgiebig getestet und liefert seine Einschätzung.
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Der Buzz ist Liebe. Niemand kann sich dem Design mit Reminiszenzen an den T1 Bus entziehen. Volkswagen Nutzfahrzeuge hat mit dem ID. Buzz einen emotionalen Van kreiert, der exakt den Zeitgeist widerspiegelt. Anders sind die positiven Reaktionen der Passanten und Mitmenschen nicht erklärbar. Was aber sind die Eigenschaften des ID. Buzz abseits der gelungenen Form – was kann er als Elektroauto?
Wenn wir den Abt e-Transporter 6.1 unter Handfertigung abbuchen, ist der ID. Buzz der erste Batterie-elektrische Kastenwagen der Marke Volkswagen Nutzfahrzeuge in Großserie. Als Testwagen stand uns die Pkw-Version Pro (ab 64.581,30 Euro ohne Förderung) zur Verfügung; alternativ und abgespeckt gibt es den ID. Buzz Cargo (ab 54.555,55 Euro). Die technische Basis ist der Modularer E-Antriebs-Baukasten (MEB) des Konzerns mit einer Traktionsbatterie und 77 Kilowattstunden (kWh) Energieinhalt sowie 150 kW starkem Elektromotor an der Hinterachse. Der Spurt bis 100 km/h dauert 10,2 Sekunden, und bei 145 km/h ist Schluss.
Das ist Ihnen zu wenig Power? Sie sollten sich an die früheren Baureihen erinnern. T1 bis T3 hatten ebenfalls Heckantrieb, und die Motorenpalette reichte von Luft- zu später Wasser-gekühlten Boxermotoren bis zum lauten und lahmen Selbstzünder. Der T4 brachte Frontantrieb und Direkteinspritzung (TDI). Und der T5, der später zum T6 wurde, hatte zuletzt im TDI Biturbo wie der Buzz 150 kW: Eine defektanfällige und überzüchtete Maschine, die weder den Kunden noch Volkswagen Freude bereitet.
2023/24: Langer Radstand, Allradantrieb, große Traktionsbatterie
In den Dimensionen und vom Package ähnelt der ID. Buzz am ehesten dem T3. Er ist mit 4,71 Meter Länge kompakt. Allerdings sollte man die Breite von 1,99 Meter ohne Außenspiegel und die Höhe von 1,93 Meter nicht unterschätzen. Trotzdem: Das Teil ist agil, und mit einem Wendekreis von rund elf Metern leicht zu manövrieren. Die Version mit langem Radstand, höherer Batteriekapazität – wir tippen auf mehr als 100 kWh – und optionalem Allradantrieb wird im Frühjahr vorgestellt und wahrscheinlich ab 2024 ausgeliefert.
Der Kurze hat aber fraglos seinen Reiz. Das Raumangebot für Familie und Freizeit ist üppig. Mit dem Multiflex Board ergibt sich bei umgeklappten Rücksitzen eine ebene Fläche. Fürs ideale Camping-Wochenende fehlen dem Buzz leider das Gute-Nacht-Paket (Jalousien, Sitze als Liegefläche) und der von Tesla bekannte Camp Mode, in dem die Standklimatisierung läuft. Bitte nachbessern.
Wenn wir schon bei den Abstrichen sind: Die hinteren Fenster lassen sich nicht öffnen. Und die Boxen für die Ladekabel sind unterhalb des Multiflex Boards an der falschen Stelle – die Heckklappe braucht reichlich Platz nach hinten zum Öffnen, und genau dort stehen im Regelfall die Begrenzungspoller der öffentlichen AC-Säulen.
Dürftig ist auch die 230 Volt-Innensteckdose für 398,65 Euro Aufpreis. Sie leistet lediglich 300 Watt. Bei der Hyundai Group gibt es in vielen Elektroautos eine Außen- und Innensteckdose mit der zehnfachen Leistung. Wenn eine solche Lösung im Buzz bestellbar wäre, würde das für ein Induktionskochfeld ausreichen. Wer bitte will in einem Elektroauto das Wasser mit Gas erhitzen?
Das war es mit der Kritik. Kommen wir zu den Pluspunkten.
Für einen E-Van sparsam
Dass das Fahrgefühl elektrisch ist, soll zumindest nochmal erwähnt werden. Der Kontrast zu den TDI-Antrieben im T6 ist scharf. Wichtiger im Konkurrenzumfeld, das im Wesentlichen den Stellantis-Van sowie den Mercedes EQV umfasst, ist die Effizienz: Der Volkswagen ID. Buzz ist mit einem Realverbrauch von 25,9 kWh/100 km sparsam. Inklusive Ladeverlusten waren es 28,2 kWh/100 km (WLTP-Wert: 21,4 kWh/100 km). Daraus resultiert eine durchschnittliche Reichweite von 297 km (Normangabe 409 km).
Zu den Details: Uns hat vor allem der Autobahnbetrieb interessiert. Die große Stirnfläche führt prinzipbedingt zu einer mäßigen Aerodynamik. Trotzdem ist es problemlos möglich, mit Richtgeschwindigkeit (Anzeige dabei: 132 km/h) locker voranzukommen. Bei norddeutschem Gegenwind zeigte der Bordcomputer 33 kWh/100 km als Stromverbrauch an. Worst Case. Bei Flaute am nächsten Tag sank der Wert auf 30,4 kWh/100 km. Macht 253 km Reichweite.
Menschen, die sich in der Tradition eines T3 sehen, können den Tempomat natürlich auf 100 km/h (Anzeige dabei: 102 km/h) stellen. Das haben wir in den Niederlanden gemacht, wo tagsüber ohnehin nicht mehr erlaubt ist. Das Ergebnis waren 24,7 kWh/100 km oder 312 km Reichweite.
185 kW DC-Ladeleistung
An der DC-Säule hatte der ID. Buzz die höchste Ladeleistung, die wir bisher an einem MEB-Fahrzeug abgelesen haben: Bis zu 185 kW (Werksangabe: 170 kW) waren möglich, und auch bei einem SoC von 70 Prozent waren es noch 85 kW. Was jetzt noch fehlt, ist die gezielte Vorklimatisierung der Traktionsbatterie, um die Bestwerte bei allen Wetterbedingungen abrufen zu können. Volkswagen arbeitet daran; wir rechnen ab der Softwareversion 3.3 damit.
Gut war auch die Position des Charge Ports hinten rechts und weit außen an der Karosserie. Unabhängig vom Layout der DC-Parks – also Einfahrts- oder Durchfahrtslösung – war es einfach, das Ladekabel einzustecken. Hier beherrscht der ID. Buzz übrigens Plug&Charge nach ISO 15118, die Identifikation und Freischaltung erfolgen also automatisch; zumindest bei Ionity und demnächst bei immer mehr Betreibern.
Womit wir bei der Software wären. Volkswagen hat etlichen ID.-Besitzern eine Menge zugemutet. Im Buzz ist das System so gut, wie es bisher sein kann: Es gab keine Bugs, und die Funktionalität im Sinn des Elektroautofahrers (Anzeige des SoC in Prozent und so weiter) ist so durchdacht, wie wir uns das überall wünschen. Mit Ausnahme der Vorkonditionierung wohlgemerkt. Kurz gesagt: Endlich ist die Software dort, wo sie von Beginn an hätte sein sollen. Nur die Arbeitsgeschwindigkeit ist gemessen am Preissegment weiterhin zu niedrig.
Fein regelnde Assistenzsysteme
Einen sehr guten Eindruck haben auch die Assistenzsysteme hinterlassen. Der Travel Assist kombiniert die Spurmittenführung mit dem adaptiven Tempomaten. Alles funktioniert zurückhaltend und vor allen Dingen so, dass man es nicht von Fehlern malträtiert abstellt. Automatisches Wiederanfahren im Stopp&Go-Verkehr, Fahrstreifenwechsel, Verkehrszeichenerkennung – läuft. Okay, bei der Verkehrszeichenerkennung fehlt noch der letzte Unterschied zwischen 98 und 99,9 Prozent. Hier unterscheidet sich der Buzz aber nicht von anderen Pkws.
Gut gelöst ist auch die Aufteilung der Sensoren in der Frontscheibe. Statt eines raumgreifenden Clusters hinter dem Innenspiegel hat Volkswagen einen Teil unten an der Frontscheibe montiert. Das Sichtfeld ist darum vor allem für Fahrer über 1,90 Meter Körpergröße besser. Überhaupt ist die Rundumsicht im ID. Buzz dank großer Fensterflächen ziemlich gut. Es macht Spaß, mit dem Buzz durch die Metropole oder über die Landstraße zu fahren, weil er leicht und sicher zu lenken ist.
Verteilen statt verkaufen
Zusammengefasst: Sie haben Lust auf einen ID. Buzz? Bestellen Sie ihn. Die Nachfrage ist höher als die Produktionskapazität, und vorübergehend wird Volkswagen Nutzfahrzeuge den Buzz verteilen statt verkaufen. Der Wertverlust dürfte entsprechend niedrig sein. Der Preis ist absolut gesehen hoch, aber nicht im Vergleich zu den Wettbewerbern. Außerdem war es noch nie preisgünstig, einen VW Bus zu besitzen. Das ist zwar kein gutes Argument, aber es zeigt, welche Käufergruppe sich für diesen Van interessiert.
Volkswagen Nutzfahrzeuge geht mit dem ID. Buzz einen elementaren Schritt. Auch Vans dürfen in zwölf Jahren, also ab 2035, keine direkten CO2-Emissionen mehr ausstoßen. Das ist ein de facto-Verbot für Verbrennungsmotoren. Der Buzz kann noch nicht bei jeder Eigenschaft wie etwa der Anhängelast mit den Selbstzündern mithalten. Er zeigt eine Richtung an – und die heißt Erfolg.
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