Clean Logistics in finanzieller Schieflage / Kapitalerhöhung
Der Lkw- und Bus-Umrüster Clean Logistics hat eine Kapitalerhöhung beschlossen. Hintergrund sind finanzielle Schwierigkeiten der börsennotierten Aktiengesellschaft, die diese nun im Rahmen ihrer Informationspflichten publik gemacht hat. Erst Anfang des Monats nahm der erst kürzlich eingestellte Finanzchef der Firma seinen Hut.
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Clean Logistics teilt mit, dass man sich derzeit in einer schwierigen finanziellen Situation befinde, was „kurzfristigen Handlungsbedarf zur Sicherung der Überlebensfähigkeit der Gesellschaft erfordert“. Die aus diesem Grund angesetzte Kapitalerhöhung soll zusammen mit anderen geplanten Elementen Teil eines kurzfristigen Gesamtkonzepts sein, um die Gesellschaft „zu stabilisieren“.
Konkret hat das Hamburger Unternehmen eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlage mit Bezugsrecht der Aktionäre beschlossen. In diesem Zuge gibt Clean Logistics bis zu 2.700.000 neuen Aktien aus. Der Bezugspreis beträgt 1,80 Euro je Aktie. Clean Logistics erhofft sich also Einnahmen im Umfang von bis zu 4,86 Millionen Euro. Große Aktionäre der Gesellschaft hätten ihre Bereitschaft erklärt, sich an der Kapitalerhöhung zu beteiligen, meldet der Umrüster. Zudem sollen Gläubiger der Gesellschaft signalisiert haben, dass sie über einen Debt Equity Swap, also die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital, nachdenken.
Als börsennotierte Aktiengesellschaft hat Clean Logistics strikt festgelegte Informationspflichten. Die nun publizierte News fällt unter die Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Artikel 17 MAR. Sie erreicht uns in einem für Clean Logistics sehr ereignisreichen Jahr: Im Juni hatte das Unternehmen seinen ersten Wasserstoff-betriebenen Truck Fyuriant vorgestellt, zuvor – im Sommer 2021 – kam bereits der umgerüstete Bus Pyuron mit Brennstoffzellen-Wasserstoff-Antrieb heraus. Mit GP Joule unterzeichnete die Firma dann im August einen Rahmenvertrag für die Lieferung von 5.000 wasserstoffelektrischen 40-Tonner-Lkw. Die Übergabe der Fahrzeuge ist für den Zeitraum von 2023 bis 2027 vorgesehen. Einen Liefervertrag gibt es auch mit Hylane, einer Tochtergesellschaft des Versicherers DEVK, außerdem öffentlich geförderte Projekte namens CryoTruck und BETH2REX, an denen Clean Logistics beteiligt ist. In letzterem – einem Projekt zur Entwicklung eines mittelschweren BZ-Lkw – spielt das Unternehmen eine zentrale Rolle.
Clean Logistics strebt an, über sein bestehendes Geschäftsmodell – nämlich der Umrüstung von Bestandsfahrzeugen auf Wasserstoffantrieb – hinaus künftig auch Neufahrzeuge zu bauen. Dabei sollen neben Brennstoffzellen-, Batterie- und Wasserstofftanksystemen auch eine eigens entwickelte Achse mit Radnabenmotoren sowie das in-house entwickelte Steuerungssystem HyBoss zum Einsatz kommen.
Der Aufbau dieses Geschäfts ist natürlich kapitalintensiv, zumal sich Clean Logistics viel Know-how durch den Aufkauf anderer Firmen angeeignet hat. So übernahm das 2018 gegründete Unternehmen etwa im Juli den niederländischen Lkw-Hersteller GINAF Nederland. Seitdem verfügt die Clean-Logistics-Gruppe über einen eigenständigen Fahrzeugproduzenten mit entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen für eigene Fahrzeugen in Europa. Und: Über den Börsenmantel der SendR SE kam Clean Logistics zudem per Abkürzung an die Börse.
Für das erste Halbjahr 2022 wies das Unternehmen Umsatzerlöse von rund 392.000 Euro aus. Der Periodenfehlbetrag lag bei rund -5,5 Millionen Euro. Geprägt waren die Halbjahreszahlen nach eigenen Angaben „von hohen Aufwendungen für den planmäßigen deutlichen Ausbau der Geschäftsaktivitäten von Clean Logistics“. Geplant sind unter anderem der Bau einer neuen Produktionshalle mit rund 10.000 Quadratmetern Fläche und 50 weitere Umbauplätze.
Dirk Graszt, CEO von Clean Logistics, zeigte sich angesichts dieser Zahlen vor wenigen Monaten noch „sehr zufrieden“ mit der Entwicklung. „Wir haben uns plangemäß gut entwickelt und konnten wichtige Weichen für unser langfristiges Wachstum stellen. Im weiteren Jahresverlauf hat sich unser Wachstum weiter dynamisch gestaltet. Wir haben weitere Aufträge zur Konvertierung von Lkw erhalten und sind mit der Übernahme von GINAF hervorragend am Markt aufgestellt, um Marktanteile auszubauen und die dringend notwendige Dekarbonisierung des Güterverkehrs weiter voranzutreiben“, sagte er Ende Oktober – also vor knapp zwei Monaten.
Seit 5. Dezember ist unterdessen der erst im September 2022 als Finanzchef geholte Jürgen Akkermann nicht mehr an Bord. Er habe sein Amt als Mitglied des Verwaltungsrats sowie als geschäftsführender Direktor der Gesellschaft aus persönlichen familiären Gründen niedergelegt, heißt es in einer Mitteilung. Der Verwaltungsrat der Gesellschaft besteht somit aktuell nur noch aus drei statt vier Mitgliedern (neben Graszt sind das Dirk Lehmann und Philip Moffat). Man werde einen Nachfolger suchen, heißt es weiter. Interimistisch übernimmt CEO Dirk Graszt das Finanz-Ressort zusätzlich.
Update 23.12.2022: Im ersten Schritt wurden am Donnerstag im Rahmen der angekündigten Kapitalerhöhung durch bestehende Großaktionäre Aktien im Wert von über 1,2 Millionen Euro bereits vorab gezeichnet. In einem zweiten Schritt ist geplant, im Januar 2023 den Aktionären ein öffentliches Bezugsangebot mit Bezugsrechtshandel zu identischen Konditionen zu unterbreiten. Insgesamt sollen bis zu 2.700.000 neue Aktien zu 1,80 Euro je Aktie platziert werden.
Zur weiteren langfristigen Ausrichtung der Gesellschaft ist eine Strategieanpassung vorgenommen worden. Zukünftig ist geplant, die angestrebte Serienfertigung von emissionsfreien Lkw über einen strategischen Partner durch den vermehrten Einsatz von Lohnfertigung umzusetzen. Erste Gespräche hierzu befinden sich in einem frühen Stadium, teilt Clean Logistics mit. Die bereits bestehenden und zukünftigen Kundenaufträge in 2023 sollen wie geplant am Standort Winsen durchgeführt werden.
Im Zuge der Strategieanpassung ist die Tochtergesellschaft GINAF Trucks Nederland B.V. veräußert worden. Mit dieser Maßnahme sollen Darlehensverpflichtungen reduziert und Mittelzuflüsse realisiert werden, insgesamt in einem mittleren einstelligen Millionenbereich.
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