S.A.F.E. strengt Nichtigkeitsklage gegen Compleos Eichrecht-Patent an
Der Streit um Eichrecht-Patente zwischen Compleo und dem Verein S.A.F.E. (Software Alliance for E-mobility) geht in die nächste Runde. S.A.F.E. hat nun wie angekündigt eine Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht eingereicht.
++ Dieser Beitrag wurde aktualisiert. Sie finden die neuen Infos ganz unten. ++
Worum geht’s kurz gefasst? Compleo hat im Sommer die gesamte Lade-Branche mit dem Vorstoß aufgebracht, zwei durch den Aufkauf von innogy übernommene Eichrecht-Patente per Lizenz kommerzialisieren zu wollen – Patente, die bis 2031 bzw. 2032 in mehreren europäischen Ländern gelten und die bisher jeder stillschweigend nutzen konnte. Der Verein S.A.F.E., in dem zwischenzeitlich fast 100 Akteure der Branche organisiert sind und der vor Jahren als Reaktion auf die Herausforderungen des Eichrechts gegründet wurde, hatte bereits kurz nach Bekanntgabe der Lizenzmodellpläne gedroht, eine Nichtigkeitsklage gegen Compleo anzustrengen – sollte eine außerordentliche Mitgliederversammlung dies befürworten. So ist es nun gekommen.
S.A.F.E. gibt in einer uns per E-Mail vorliegenden Mitteilung an, im ersten Schritt beim Bundespatentgericht eine Nichtigkeitsklage gegen das Patent EP 2 531 368 B1 von Compleo eingereicht zu haben. Nach Abschluss der aktuell laufenden Vorbereitungen soll dann auch eine Nichtigkeitsklage gegen das zweite Compleo-Patent (EP 2 755 846 B1) folgen. Der Verein argumentiert, dass die Patente ein Verfahren beschreiben, das nach den Vorgaben der Physikalisch Technischen Prüfanstalt des Bundes (PTB) zur eichrechtskonformen Zertifizierung von Ladeinfrastruktur in Verbindung mit einer Transparenzsoftware seit Jahren gängige Praxis ist.
„Wir haben vorsorglich zuvor noch eine zweite Einschätzung eines weiteren Patentanwaltbüros eingeholt. Auch durch diese Zweitmeinung sehen wir uns in unserer Einschätzung bestätigt, dass die Patente zu Unrecht erteilt wurden, weil der Schutzgegenstand der Patente bereits zum Zeitpunkt der Erteilung jeweils Stand der Technik war“, äußert der S.A.F.E.-Vorsitzende Hauke Hinrichs. „Wir wollen möglichst rasch eine endgültige Klärung herbeiführen und Rechtssicherheit im Markt der Elektromobilität schaffen.“
Unabhängig vom Ausgang des Gerichtsverfahrens arbeitet der S.A.F.E. e.V. nach eigenen Angaben an einer Umgehungslösung. „Unsere Planung sieht vor, dass wir bereits im Januar 2023 der PTB die Umgehungslösung und eine Referenzimplementierung präsentieren können“, so Hauke Hinrichs. Damit könnte in Kürze auch eine von Patenten unbelastete Lösung durch den S.A.F.E. e.V. zur Verfügung stehen.
Dennoch werden die Klagen gegen die Patente aufrechterhalten, denn eine Umstellung auf die neue Lösung sei mit erheblichem Aufwand bei den Hardwareherstellern verbunden, teilt der Verein mit. Darüber hinaus soll entschieden werden, ob die bereits installierten Systeme die Patente verletzen. Compleo selbst hatte diese Woche angekündigt, aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit kurzfristig Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung zu stellen.
Alle Hintergründe zum Patent-Streit in der Ladeinfrastruktur-Branche haben wir hier aufgearbeitet. Zwischenzeitlich kam es auch zu einer ersten Lizenz-Vereinbarung: zwischen Compleo und dem Wallbox-Hersteller Keba.
Update 26.01.2023: Was S.A.F.E. bereits vor rund einem Monat angekündigt hat, wurde nun vollzogen. Der Verein S.A.F.E. hat nun auch zum zweiten Compleo-Patent EP 2755846B1 eine Nichtigkeitsklage eingereicht. „Die nun eingereichte zweite Klage ist nur die schlüssige Konsequenz aus dem Beschluss unserer Mitglieder, für endgültige Klärung der Rechtssicherheit zu sorgen“, sagt der 1. Vorsitzende des S.A.F.E. e.V., Hauke Hinrichs.
Zudem meldet der Verein weitere Fortschritte bei der eigens entwickelten Lösung, die laut patentanwaltlicher Aussage die oben benannten Patente nicht verletzen sollte. „Unsere Entwicklungen sind so weit vorangeschritten, dass wir die neue Lösung der PTB bis Ende des Monats zur Zertifizierung der weiterentwickelten Transparenzsoftware zugesendet haben. Wir erwarten ein Ergebnis der Prüfung noch im ersten Quartal 2023“, so Hinrichs. Sobald die Zertifizierung der Transparenzsoftware vorliegt, können Hardwarehersteller mit der neuen Lösung ihrerseits in die Zertifizierung gehen.
Quelle: Infos per E-Mail