nissan ariya 2022 min
Bild: Sebastian Schaal
FahrberichtAutomobil

Nissan Ariya: Gut gemeint, aber nicht immer gut gemacht

Mit dem Leaf war Nissan einst einer der Pioniere der Elektromobilität, ist dann aber ins Hintertreffen geraten. Der lange angekündigte Ariya soll nun neuen Schwung geben und Nissan wieder für Elektroauto-Interessenten attraktiv machen – mit neuer Plattform und neuem Konzept. Das gelingt nicht überall, wie unser Fahrbericht zeigt.

Der Start war schon einmal denkbar schlecht: Bei der Vorstellung des neuen Elektro-SUV im Juli 2020 verkündete Nissan noch groß, dass der Ariya ein „neues Kapitel“ für die Elektroautos der Marke aufschlagen werde. Doch die Markteinführung lief dann nur extrem schleppend – die Corona-Krise hatte die Lieferketten weltweit durcheinander gebracht. Statt wie angekündigt Mitte 2021 wurden die ersten Fahrzeuge erst im Sommer 2022 ausgeliefert – zwei Jahre nach der Premiere.

Heißt aber auch: Theoretisch zwei Jahre Zeit, um vor allem die Software weiterzuentwickeln und zu perfektionieren. Bei der Hardware war man nach dem Design Freeze bereits auf einen Entwicklungsstand festgelegt.

Statt eines halbwegs bezahlbaren Kompaktwagens wie dem Leaf, der sich womöglich mit Modellen wie dem VW ID.3 oder dem MG4 Electric gemessen hätte, haben sich die Entscheider in Japan für das SUV-Segment entschieden. Angesichts der globalen Marktentwicklung eine nachvollziehbare Wahl. Zudem wird der Ariya aber auch dazu genutzt, eine andere Zielgruppe anzusprechen. Statt den eher auf das Preis-Leistungs-Verhältnis bedachten Kunden des Qashqai oder X-Trail – mal mit dem Fokus Style, mal mit Blick auf den Nutzwert –, wurde der Ariya preislich am oberen Ende des Mittelklasse-SUV-Segments positioniert. Mit Holz-Optik, Kupfer-Akzenten und eigenständig designter Ambiente-Beleuchtung soll Premium-Feeling aufkommen.

Das wird – so viel sei schon verraten – mit darüber entscheiden, ob der Ariya nun ein gelungenes Elektroauto ist oder nicht.

Größere Batterie als die Konkurrenz, aber nicht mehr Reichweite

Fangen wir zunächst kurz beim Äußeren an: Nissan hat uns einen Testwagen gestellt, der in „Aurora Green“ lackiert ist. Dabei handelt es sich um ein recht edles, aber sehr dunkles Grün. Die Lackierung ist in der Tat so dunkel, dass man es bei dem trüben Dezember-Licht eigentlich für ein Schwarz gehalten hat – nur in den wenigen sonnigen Momenten unseres Test-Zeitraums schimmerte das Grün durch. Wir können es nicht mit Sicherheit sagen, aber im Sommer dürfte das richtig gut aussehen – anders als die meisten Autos da draußen, aber nicht zu auffällig. Wer es auffällig mag, kann zu der Zwei-Farb-Lackierung „Akatsuki Copper“ mit schwarzem Dach greifen. Im Unterschied zu unserem Testwagen fallen dann auch die schwarzen Design-Elemente wie der geschlossene Frontgrill im Kontrast deutlich mehr auf. Der Testwagen in „Aurora Green“ wirkte da ganz anders, da auch die dunklen Lufteinlässe kaschiert wurden.

Für unseren Test deutlich entscheidender als die Lackfarbe: Unter dem Blech steckte die Variante mit großer Batterie und Frontantrieb – also 87 kWh im Akku und 178 kW an den Vorderrädern. Mit den 19-Zoll-Felgen unseres Testwagens ergeben sich auf dem Papier 533 Kilometer Reichweite nach WLTP. Mit den montierten Winterreifen werden es natürlich weniger sein. Bei den 87 kWh handelt es sich übrigens um den nutzbaren Netto-Energiegehalt – im Unterboden verbaut sind insgesamt 91 kWh.

Das sind auf dem Papier ordentliche und für die meisten Kunden wohl mehr als ausreichende Werte – zumal laut Werk mit bis zu 130 kW in rund 35 Minuten von zehn auf 80 Prozent geladen werden kann. Für das AC-Laden ist der Ariya mit großem Akku serienmäßig mit einem 22-kW-Onboard-Charger ausgerüstet. Das ist konkurrenzlos im Segment, unabhängig von der Preisklasse.

Doch hält der Ariya, was die Daten auf dem Papier versprechen? Und hat Nissan aus seiner EV-Erfahrung, etwa dem Rapidgate beim Leaf, gelernt?

Kritiker würden alleine mit dem Blick auf die bereits erwähnten Daten wohl eher mit „Nein“ antworten. Denn ein VW ID.5 etwa – mit dem abfallenden Heck ist der Ariya dem ID.5 ähnlicher als dem ID.4 – kommt mit einem zehn kWh kleineren Akku auf 520 Kilometer nach WLTP-Norm. Das Tesla Model Y Long Range mit 19-Zöllern gar auf 565 Kilometer, ebenfalls mit kleinerem Akku als der Nissan und vor allem mit einem ungleich stärkeren Allradantrieb.

Dass der Ariya nicht das effizienteste E-SUV auf dem Markt ist, können wir nach über 1.300 Test-Kilometern bestätigen. Im Schnitt lag der Verbrauch bei 23,6 kWh/100km, womit von den 533 WLTP-Kilometern rechnerisch 368 Kilometer übrig bleiben. Bei Reisetempo 130 und leichten Minusgraden waren es um die 28 kWh/100km, womit nach allerspätestens 300 Kilometern ein Ladestopp nötig wäre – wenn man etwas Puffer lässt, natürlich noch etwas früher.

Ladeleistung reicht aus, ist aber nicht überragend

Bei Überlandfahrten (und einstelligen Plus-Graden) konnten wir einen Verbrauch von 18,5 kWh/100km erzielen, womit sich ordentliche 470 Kilometer Reichweite ergeben würden. Das war allerdings nur im Eco-Modus und mit sehr vorausschauender und effizienter Fahrweise möglich. Bleibt man im normalen Fahrmodus und achtet nicht sonderlich auf die eigene Fahrweise, pendelt sich der Verbrauch je nach Temperaturen und weiteren Bedingungen wohl bei 20 bis 24 kWh/100km ein. Oder umgerechnet zwischen 360 und 435 Kilometer.

Für Sparfüchse ist das wohl nichts, diese Zielgruppe wird sich allerdings auch selten für ein Elektro-SUV entscheiden. Im Pendler-Einsatz und Familien-Alltag muss man sich um die Reichweite im Ariya selten Gedanken machen – mit eigener Wallbox zuhause oder Lademöglichkeit am Arbeitsplatz ohnehin nicht mehr. Anders sieht es bei Vielfahrern aus, denn da zählt nicht nur die Reichweite an sich, sondern die Reisedauer – also inklusive Ladezeiten.

Bild: Sebastian Schaal

Und hier differenziert sich das Bild etwas: 130 kW bei einem Fahrzeug, das Mitte 2022 auf den Markt gekommen ist, sind nicht überragend. Nissan hat von Anfang an betont, dass man eher auf eine konstante, flache Ladekurve bedacht war als auf einen kurzen Peak bei der Ladeleistung. Die von Nissan angegebenen 130 kW haben wir zu keinem Zeitpunkt während unseres Tests erreicht. Selbst nach 300 Autobahn-Kilometern und aktivierter Batterieheizung (gleich dazu mehr) standen bei zehn Prozent SoC für wenige Augenblicke 115 kW auf der Anzeige. Bereits bei 13 Prozent wurde auf 103 kW abgeregelt. Dieses Niveau zwischen 103 und 106 kW hielt der Ariya dann zwar bis 60 Prozent Ladestand, bei 80 Prozent waren es immer noch 82 kW. Damit konnten wir das angegebene Zeitfenster von rund 35 Minuten gut erreichen, die 130 kW aber nicht.

Bei einem anderen Ladestopp, ebenfalls mit möglichst warmer Batterie und zehn Prozent SoC am Schnelllader angekommen, das gleiche Bild: Keine 130 kW erreicht, aber immerhin in 21 Minuten 36 kWh nachgeladen – macht 99 kW im Schnitt.

Etwas anders sah es bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt aus. Bei vier Grad unter Null hat ein Ladevorgang von vier auf 80 Prozent 50 Minuten gedauert. In diesem Zeitraum wurden 66 kWh geladen, macht 78 kW im Schnitt. Steckt man den Ariya mit kalter Batterie bei einem höheren Ladestand an (um etwa am Abend vor einer geplanten Langstrecke am nächsten Tag noch etwas nachzuladen), muss man Geduld mitbringen. Einmal haben wir für 42,5 kWh stolze 59 Minuten gebraucht.

Knackpunkt ist – wie bei vielen Elektroautos im Winter – die Batterie-Temperatur. Ist diese zu niedrig, regelt das Batteriemanagement die Ladeleistung herunter, um dauerhafte Schäden innerhalb der Zelle zu vermeiden – die genauen Vorgänge hat mein Kollege Christoph M. Schwarzer hier erklärt. Abhilfe schafft eine Batterieheizung, die zwar selbst etwas Energie benötigt, aber bei Bedarf für den Kunden deutlich kürzere Ladevorgänge auch bei widrigen Bedingungen ermöglicht.

Dabei hat die Industrie aber noch keinen Königsweg gefunden: Einige Autobauer koppeln die sogenannte Vorkonditionierung an die Routenplanung: Sobald ein Schnellladepunkt als (Zwischen-)Ziel festgelegt ist, wird die Batterie so erwärmt, dass sie bei der geplanten Ankunft die optimale Temperatur hat. Um den Kunden möglichst viel Aufwand abzunehmen und auch vor einer Fehlbedienung des Systems zu bewahren, ist das vor allem bei Premiumherstellern der bevorzugte Ansatz. Der Nachteil: Ist ein neuer Ladepunkt im System hinterlegt oder der Kunde navigiert lieber mit einer anderen App via Apple Carplay oder Android Auto, bleibt die Batterie kalt. Solche Kunden wünschen sich ein manuelles Starten der Vorkonditionierung, um selbst zu bestimmen, wann die Batterie geheizt wird und wann nicht. Der Nachteil: Nicht jeder Kunde will selbst so viel mitdenken, sondern einfach nur schnell und bequem (und sauber) ans Ziel kommen. Oder manche Kunden aktivieren das System dauerhaft, belasten die Heizelemente über die geplante Nutzungsdauer hinaus und wundern sich zudem über einen hohen Verbrauch.

Nissan hat nicht nur aus dem Rapidgate-Vorfall mit dem Leaf gelernt und nun eine Flüssigkeitskühlung verbaut, sondern eben auch eine Batterieheizung. Allerdings wurde die Bedienung denkbar ungünstig gelöst. So ist das Aktivieren/Deaktivieren der Batterieheizung sechs Aktionen auf dem Touchscreen entfernt – man muss ins Hauptmenü, dann in die Einstellungen, dort einmal nach rechts swipen, um in die EV-Einstellungen zu kommen, in der Liste nach unten scrollen und dort kann man als letzten Eintrag einen virtuellen Schalter umlegen. Ja, wir mussten auch im Handbuch nachschlagen. Wenn man diesen Schritt eine gewisse Zeit vor dem Schnellladestopp im Winter vergisst, wird man keine dreistellige Ladeleistung erreichen. Schaltet man sie danach nicht wieder aus, wird man unnötig viel Energie verbrauchen. Es funktioniert, intuitiv und gerade für Elektro-Neulinge einfach gelöst ist es aber nicht.

Man kann aber auch froh sein, dass Nissan sich nicht für die Variante mit der Routenplanung entschieden hat – so hart muss man das ausdrücken. Denn egal in welchem Szenario wir uns die Ladestopps auf einer Strecke haben berechnen lassen, war es keine gute User Experience. Mal plante der Ariya auf der Langstrecke einen 50-kW-Lader bei Kaufland ein, die nicht nur selten frei, sondern mit einem DC-Ladepunkt auf einem Supermarkt-Parkplatz auch kaum als zuverlässige Option anzusehen sind. Dass mit 50 kW die Ladeleistung des Autos nicht annähernd ausgenutzt wird, ist ein anderes Thema. Würde man als Neuling hier seinem Auto vertrauen, müsste man dort laut Navi 1:22 Stunden laden.

Lade-Routenplanung ist gerade für Anfänger wenig hilfreich

Ein anderer Aspekt: Die Angaben der Routenplanung aus dem Fahrzeug entsprechen nicht einmal ansatzweise denen, die die „NissanConnect“-App errechnet. Wir wollten unsere übliche Strecke von Düsseldorf in die Nähe von Stuttgart fahren – 429 Kilometer. Der Akku war auf 96 Prozent geladen, woraus das Navi im Auto (mit dem bekannten Verbrauch, aber ohne Kenntnis des Wetters) einen fast einstündigen Ladestopp in Medenbach West bei E.ON einplante. Die App, in der man etwa Fahrweise, Außentemperatur und Nutzung der Klimaanlage eingeben kann, wollte selbst im Winter bei -5° C ohne Ladestopp durchfahren. Das hat nicht geklappt, in Medenbach hatten wir aber noch 38 Prozent oder 149 Kilometer im Akku. Geladen haben wir dann etwa in der Mitte, bei EnBW in Hockenheim – und dort die oben erwähnte Ladekurve aufgezeichnet.

Mit etwas Erfahrung kann man sich über die Vorschläge des Navis oder der App natürlich hinwegsetzen. Für den Neuling, der im Falle unseres Testwagens mit der Lackierung satte 64.490 Euro auf der Rechnung stehen hätte, sieht das anders aus. Und wenn man in dieser Preisklasse eine solche Lade-Routenplanung bietet, sollte sie auch funktionieren und praxistaugliche Vorschläge machen. Ob mit automatischer Vorkonditionierung oder manuell, das kann man noch offen lassen. Aber wenn manuell, dann bitte mit einem festen, schnell zu erreichenden Button im Hauptmenü oder gar einer physischen Taste neben jenen für die Front- oder Heckscheibenheizung.

Schicker Innenraum, ausbaufähiges Bedienkonzept

Das ist die ideale Überleitung zum Innenraum: Sämtliche Klima-Bedienelemente hat Nissan nahtlos in eine durchgängige Leiste in Holz-Optik integriert, welche sich über die gesamte Breite des Armaturenbretts zieht. Da diese Tasten beleuchtet sind – kleiner Seitenhieb an die unbeleuchteten Slider bei VW – sieht das gerade bei Dunkelheit sehr schick aus. Und auch in der Anmutung meilenweit von einfachen Plastik-Tasten oder Drehrädchen entfernt! Mit der ebenfalls durchgängigen Leiste im Kupfer-Design (welche die Luftausströmer beherbergt) ergibt sich so ein sehr angenehmes und fast schon hochwertiges Ambiente. Auch die Mittelkonsole ist in der Holz-Optik gehalten, dort ist etwa der Schalter für den Fahrmodus ebenfalls bündig in die Oberfläche integriert.

Doch wer sich von den Tasten eine bessere Bedienbarkeit als bei einem Touchscreen erhofft, wird enttäuscht. Anders als im BMW iX, wo die ebenfalls in das Holz eingelassenen Tasten rund um den iDrive-Controller dank minimaler Erhöhungen ertastet und somit blind bedient werden können, muss man im Ariya jedes Mal hinschauen, was man gerade drückt. Und selbst dann ist der Druckpunkt nicht gut ausgeprägt, womit das Verstellen der Temperatur von sagen wir 19,5 auf 21,0° C komplizierter wird, als es eigentlich sein müsste.

Auch die Bedienbarkeit des Touchscreens darüber könnte etwas einfacher sein. Mit der Zeit gewöhnt man sich sicher an einige Schritte und kann die Kacheln im Hauptmenü an die eigenen Vorlieben anpassen und verschieben. Punkte wie die Darstellung des Audio Players oder der Navi-Karte wirken hingegen etwas antiquiert – in einem robusten X-Trail vollkommen ok, im höher positionierten Ariya fällt das Bediensystem hingegen ab.

Ordentlich Platz im Innenraum, dafür weniger im Kofferraum

Die Verarbeitung und Materialauswahl ist überwiegend gut, für ein 65.000-Euro-Auto aber auch nicht überragend. Das Holz-Element fasst sich gut an, die im Testwagen hellgrauen Teile in Leder- bzw. Wildleder-Nachbildung waren ebenfalls angenehm anzufassen. Empfehlen würden wir sie aber nicht: Als wir den Testwagen erhalten hatte, hatte dieser keine 7.000 Kilometer auf dem Zähler und bereits nicht mehr zu reinigende Flecken auf dem Fahrersitz. Zwei kleine Kritikpunkte bei der Verarbeitung: Am Lenkrad ist der Übergang vom Leder zu den Kunststoff-Bedienelementen recht scharfkantig und so geformt, dass die Daumen je nach Handhaltung immer wieder an dieser Kante scheuern. Nicht unangenehm, aber auffällig. Und wir haben uns echt Mühe gegeben, aber es hat nicht geklappt, die Lüftungsdüsen so einzustellen, dass sich wirklich optisch eine durchgängige Kupfer-Linie bildet. Klar, im Alltag werden die Luftausströmer ohnehin anders eingestellt, aber zwischen den einzelnen Elementen gab es hier und da einen leichten Versatz, selbst wenn sie exakt mittig ausgerichtet sind.

Mit seinen 4,60 Metern gehört der Ariya nicht zu den größten Vertretern seiner Klasse, dennoch kann man mit fünf Erwachsenen auch mal eine längere Strecke fahren. Vorne ist es ohnehin bequem, hinten reichen sowohl die Schulterfreiheit als auch jene an den Beinen aus, damit dort drei Erwachsene relativ komfortabel sitzen können. Die großzügigen Platzverhältnisse im Innenraum hat Nissan aber mit einem etwas kleineren Kofferraum erkauft: Mit maximal 468 Litern ist das Ladeabteil deutlich kleiner als etwa im ID.5 (549 Liter). Für Getränkekisten reicht die Höhe bis zur Hutablage aus, wegen der flachen Heckscheibe ergibt sich ohnehin nicht viel zusätzliche Höhe, wenn man die Abdeckung entfernt. Ein Ladewunder ist der Ariya nicht. Bei der Variabilität kann der Nissan etwa nicht mit den vielen Fächern und großen Gepäck-Abteilen im Model Y mithalten. Das gilt beim Nutzwert auch für die Anhängelast: Mehr als 750 Kilo sind beim Ariya nicht zulässig, während die Konkurrenz je nach Motorisierung bis zu 1,6 Tonnen ziehen darf.

Im Ariya kommt beim Kofferraum hinzu: Das Fach unter dem variablen Kofferraumboden ist wohl für die Ladekabel reserviert – ein ungünstiger Platz, falls der Kofferraum beladen ist. Einen Frunk gibt es nicht, unter der Fronthaube ist die Antriebstechnik verbaut. Bei einem AC-Ladevorgang hat das zur Folge, dass der Fahrer nach dem Aussteigen erst ganz hinten zum (hoffentlich nicht beladenen) Kofferraum muss, um das Ladekabel zu holen. Dann noch einmal komplett um das Auto herum, um das Kabel am Charge Port vor der Beifahrertüre einzustecken. An diesem Detail sieht man, dass der Ariya in Japan als Rechtslenker entwickelt wurde: Da kann der Fahrer direkt nach dem Aussteigen mit einem Handgriff das fest angeschlagene Ladekabel seiner Wallbox einstecken. Komfortabler geht nur induktives Laden.

Bild: Sebastian Schaal

Noch kurz ein Gedanke zu der gerade erwähnten flachen Heckscheibe: Nissan hat dieser einen eigenen Scheibenwischer spendiert. Dieser ist am unteren Ende der Scheibe angebracht, steht also voll im über die Scheibe fließenden Luftstrom. Eleganter wäre es vielleicht gewesen, den Wischer oben unter dem Dachspoiler anzubringen. Das große Aber: Er ist im Ariya komplett verzichtbar. Als wir im Dezember 2021 mit dem Hyundai Ioniq 5 über feuchte und kalte Autobahnen gefahren sind, hätten wir uns einen Heckscheibenwischer gewünscht. Im Ariya haben wir den Wischer trotz schlechten Wetters und gestreuten Autobahnen nicht ein Mal benötigt. Die Scheibe war immer frei. Die Kosten hätte sich Nissan also sparen können.

Braucht es 2023 wirklich einen 22-kW-Lader als Serienausstattung?

Ähnliches kann man auch über den serienmäßigen 22-kW-Lader denken: Vermutlich nur ein geringer Teil der Kunden wird dieses Feature wirklich ausnutzen können. Die heimische Wallbox oder die Ladestation beim Arbeitgeber hat in der Regel 11 kW oder weniger, unterwegs wird per CCS geladen. Die 22 kW kann man quasi nur an öffentlichen AC-Stationen nutzen. Da ist es zweifelsohne super, weil man selbst die große Batterie im Ariya innerhalb von vier Stunden fast voll bekommt und so die in vielen Tarifen ab dann anfallenden Blockiergebühren vermeidet. Wer zu Hause oder viel DC lädt, hätte sich vielleicht über einen niedrigeren Fahrzeugpreis gefreut, wenn 11 kW Serie wären. Wer es braucht, könnte die 22 kW dann optional hinzubestellen.

Fazit

Der Nissan Ariya ist kein schlechtes Auto. Aber auch keines, das ohne Einschränkungen oder Erklärungen zu empfehlen ist. Wer nur selten mehr als 200 oder 300 Kilometer am Tag fährt, über eine Wallbox verfügt, das entsprechende Budget hat und vom Design begeistert ist: Kaufen Sie den Ariya, sie werden nicht enttäuscht sein!

Aber unter den elektrischen Mittelklasse-SUV fehlen dem Ariya herausragende Merkmale. Reichweite und Verbrauch sind ok, mehr nicht. Die DC-Ladekurve ist zwar wie versprochen relativ flach, echte Vorteile von zehn auf 80 Prozent ergeben sich im Vergleich zu anderen 400-Volt-Fahrzeugen mit höherem Peak und stärker abfallender Leistung aber nicht. Gegen die 800-Volt-Stromer von Hyundai und Kia mit Vorkonditionierung (ein eigener Test hierzu folgt) sieht es noch schlechter aus. Und der 22-kW-Onboard-Charger ist zwar ein herausstechendes Merkmal, das aber wie gerade beschrieben nicht jeder Kunde wirklich regelmäßig ausnutzen kann, um damit eine Kaufentscheidung zu begründen.

In der Summe ist der Ariya vor allem eines: um einige Tausend Euro zu teuer. Sofern nicht VW, Skoda, Hyundai, Tesla und Co. deutlich die Preise erhöhen, ist der Ariya mit der großen Batterie für 63.490 Euro ohne Aufpreis für eine Lackierung sehr hochpreisig. Würde er bei etwa 50.000 Euro auf dem Niveau eines ID.5 Pro Performance starten, könnte man ihn als schicke Alternative sehen, wenn es keine Massenware aus dem VW-Konzern sein soll. Wenn aber selbst ein Audi Q4 50 e-tron quattro oder ein Model Y Long Range mit dem starken Allrad günstiger in der Anschaffung und auch beim Verbrauch sind als ein Nissan, wird es das Modell schwer haben.

Und selbst ohne eklatante Schwächen beim Ariya zeigen Rand-Aspekte wie die Batterieheizung (die man weite Teile des Jahres gar nicht braucht) oder der Heckscheibenwischer: Nissan hat es gut gemeint, aber nicht immer gut gemacht.