Wallbox-Hersteller Easee droht Verkaufsverbot

Bild: Easee

Der Test eines schwedischen Prüfinstituts hat offenbar zahlreiche Sicherheitsmängel an den Wallboxen des norwegischen Herstellers Easee offenbart. Eines der zentralen Probleme: Entgegen der Deklaration wurde offenbar kein FI-Schalter verbaut – was die Brandgefahr erhöht. Zudem sollen einige EU-Deklarationen nicht erfüllt werden, was auch Auswirkungen in anderen Ländern haben dürfte.

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Die Elsälerhetverket, eine schwedische Behörde für elektrische Sicherheit, hatte sechs unterschiedliche Wallboxen getestet – und dabei bei der Easee Home einige Mängel entdeckt. Da die Produkte „Charge“ und „Ready“ die gleiche Technik nutzen, sind auch sie betroffen. Dabei gibt es mehrere Vorwürfe, die sich auf die Sicherheit des Produkts auswirken. Das zehnseitige Schreiben der Elsälerhetverket an Easee mit Bitte um Stellungnahme zu den Testergebnissen liegt electrive.net vor.

Der zentrale Vorwurf: „In der Bedienungsanleitung steht, dass das Produkt über einen eingebauten FI-Schutzschalter verfügt. Das Produkt ist nicht mit einem FI-Schutzschalter (30mA AC/6mA DC) ausgestattet, wie in der Gebrauchsanweisung angegeben“, so die Schweden. Und weiter: „In der Anleitung wird nicht erwähnt, dass dem Produkt ein Fehlerstromschutzschalter vorgeschaltet werden muss, wenn es an das Festnetz angeschlossen werden soll.“

Der angeblich integrierte FI-Schalter ist einer der Punkte, bei dem sich die Easee Home von anderen Wallboxen im gleichen Preisumfeld abheben soll. Einige Konkurrenzmodelle haben ebenfalls einen FI-Schalter verbaut, andere nicht – dann muss dieser Fehlerstromschutzschalter vom Elektriker bei der Installation gesondert verbaut werden, was zusätzliche Kosten verursacht. Verlassen sich der Kunde und der Elektriker auf die Information, dass ein FI-Schalter integriert ist, kann im Falle eines Fehlers oder Kurzschlusses der Strom nicht automatisch getrennt werden. „Bei Erd- oder Gleichstromfehlern besteht Verletzungs- und Brandgefahr“, so die schwedischen Prüfer. „Die vorgelegten Prüfberichte zeigen, dass das Produkt die Sicherheitsanforderungen nicht erfüllt.“

Nicht nur die Technik ist wohl fehlerhaft

Ebenfalls pikant: Die untersuchten Easee-Produkte weisen laut dem Schreiben „zusätzliche Mängel auf, die über die bei den vorangegangenen Prüfungen und Untersuchungen durch die Behörde für elektrische Sicherheit festgestellten Mängel hinausgehen. Zusätzlich zum fehlenden Nachweis der Funktion des Fehlerstromschutzschalters und des Gleichstromschutzes versagt das Produkt bei der Überspannungsprüfung LLLN->CP, was einen schweren Mangel darstellt.“ Da bereits früher festgestellte Mängel nicht behoben wurden, sei die Behörde der Ansicht, „dass Sie keine ordnungsgemäße Konformitätsbewertung durchgeführt haben“. Sprich: Sollte das zutreffen, gäbe es keinen Nachweis, dass das Produkt die festgelegten Anforderungen erfüllt.

Das betrifft aber nicht nur technische Aspekte wie etwa den fehlenden FI-Schalter oder das Versagen bei der Überspannungsprüfung, sondern auch Vorgaben bei der Deklaration. Hier bemängelt die Elsälerhetverket, dass etwa eine Kennzeichnung des Herstellungsdatums fehlt, einige Kennzeichnungen hinter einer Abdeckung angebracht sind, „so dass sie nicht lesbar sind, wenn das Produkt in Gebrauch ist“, aber auch eine „lückenhafte Gebrauchsanweisung“.

So sei die EU-Deklaration des Produkts „mangelhaft“: Easee listet dort offenbar mehrere EU-Richtlinien auf, etwa die RED für Anforderungen an die elektrische Sicherheit und elektromagnetische Verträglichkeit, aber auch die Niederspannungsrichtlinie LVD und die EMCD. „Entweder fällt das Produkt unter die RED oder unter die LVD/EMCD, niemals unter alle Richtlinien gleichzeitig“, so die Elsälerhetverket. Das hat auch Auswirkungen auf die Gebrauchsanweisung: „Einem Produkt, das unter die RED fällt, muss in der Gebrauchsanweisung eine EU-Erklärung oder eine vereinfachte EU-Erklärung beigefügt sein.“ Was bei Easee wohl nicht der Fall ist.

Mängel von 2021 nicht behoben

„In Ihrer EU-Konformitätserklärung erklären Sie, dass das Produkt mit den folgenden Normen übereinstimmt: EN 61851-1 (2019), EN 61439-7 (2020), EN 61008-1 (2012), IEC 62955 (2018). Aus den eingereichten Unterlagen geht im Gegenteil hervor, dass das Produkt nicht den Anforderungen dieser Normen entspricht. Wenn die EU-Konformitätserklärung besagt, dass ein Produkt mit einer bestimmten harmonisierten Norm übereinstimmt, muss das Produkt alle Anforderungen dieser Norm erfüllen und nicht nur ausgewählte Teile“, stellt die Elsälerhetverket fest.

Ein weiteres Problem für das Unternehmen: Die Mängel waren zum Teil schon bekannt. „Die in unserem Prüfbericht aufgezeigten Kennzeichnungsmängel wurden auch in Ihren Prüfberichten vom Juni 2021 nachgewiesen“, schreibt die Behörde unter dem Punkt zu den Deklarations-Mängeln.

Sollte Easee die Vorwürfe nicht entkräften können, drohen harte Konsequenzen – bis hin zu einem Verkaufsverbot. „Die schwedische Behörde für elektrische Sicherheit kommt zu dem Schluss, dass das Produkt die grundlegenden Sicherheitsanforderungen für das Inverkehrbringen nicht erfüllt“, heißt es in dem Schreiben. „Da das Produkt schwerwiegende Fehler und Mängel aufweist, erwägt Elsäkerhetsverket, ein Verkaufsverbot zu verhängen und Sie aufzufordern, es von Händlern und Endverbrauchern zurückzunehmen. Eine solche Entscheidung würde bedeuten, dass das Produkt nicht verkauft werden kann und dass Sie Ihre Einzelhändler benachrichtigen müssen, damit diese die noch auf Lager befindlichen Produkte zurückgeben. Sie müssen auch versuchen, die Kunden zu erreichen, die das Produkt bei Ihnen oder Ihren Händlern gekauft haben.“

Easee hat bis zum 13. Februar Zeit, auf das Schreiben zu reagieren. Auf seiner Homepage hat das Unternehmen nur eine kurze Stellungnahme veröffentlicht. „Wir haben Fragen von der schwedischen Behörde für elektrische Sicherheit erhalten, der Behörde, die alle Hersteller von in Schweden verkauften Elektroprodukten überwacht. Wir sind mit ihnen im Dialog und beantworten ihre Fragen. Dies hat keine Auswirkungen auf unsere Aktivitäten in Schweden.“

Sollten sich aufgrund der Erkenntnisse aus Schweden auch deutsche Behörden zu einer solchen Prüfung entscheiden, könnte auch hierzulande ein Verkaufsverbot drohen. Zumindest in Norwegen wird der Fall genau beobachtet: „Wenn die schwedischen Aufsichtsbehörden eine Entscheidung treffen, die Easee betrifft, könnte dies schwerwiegende Folgen für das Unternehmen haben, auch in Norwegen“, wird ein Vertreter der zuständigen Nationalen Kommunikationsbehörde in einem norwegischen Medienbericht zitiert. „Es gelten die gemeinsamen europäischen Regeln. Wenn das Produkt diese Regeln nicht erfüllt und schwerwiegende Verstöße vorliegen und ein Verkaufsverbot in Kraft tritt, müssen wir auf norwegischer Seite nachgehen.“

Aber: Noch liegt nicht einmal das finale Ergebnis aus Schweden vor. Die Behörde will erst die Antwort von Easee abwarten, bevor sie sich weiter dazu äußert. „Die schwedische Behörde für elektrische Sicherheit kann sich zu einem laufenden Fall nicht äußern, bevor wir unsere Risikobewertung abgeschlossen haben“, heißt es dort. „Wenn alle Entscheidungen im Projekt getroffen sind, wird ein Abschlussbericht veröffentlicht. Der Abschlussbericht wird voraussichtlich in wenigen Wochen fertig sein.“

Update 15.02.2023: Der norwegische Wallbox-Hersteller Easee hat auf die Vorwürfe der schwedischen Elsäkerhetsverket reagiert, die bei der Easee Home Sicherheitsmängel und fehlerhafte Deklarationen festgestellt hatte. Easee hat nun seine Begründungen und Unterlagen an die Behörde übermittelt – und mit electrive.net über das Antwortschreiben gesprochen.

Update 22.02.2023: Die Diskussion um die Sicherheit und den Aufbau der Wallboxen des norwegischen Herstellers Easee geht in die nächste Runde: Nachdem das Unternehmen seine Sicht auf die zugrundeliegenden Normen und deren Anwendungen dargestellt hatte, meldet sich nun ein Vertreter des Internationalen Normierungskomitees IEC 61851 zu Wort – und wird zum Teil deutlich.

Update 16.03.2023: Elsälerhetverket, die schwedische Behörde für elektrische Sicherheit, hat nach den festgestellten Sicherheitsmängeln nun ein Verkaufsverbot für die Wallbox-Modelle „Charge“ und „Ready“ des norwegischen Herstellers Easee verhängt. Easee wiederum will Berufung gegen die Entscheidung einlegen.
Quelle: Info per E-Mail, dn.no (auf Norwegisch), easee.com, elsakerhetsverket.se (beide auf Schwedisch), elsakerhetsverket.se, Info per E-Mail (Easee-Reaktion, beide Update III)

17 Kommentare

zu „Wallbox-Hersteller Easee droht Verkaufsverbot“
Fabian
10.02.2023 um 15:23
Wie kann der fehlende FI nicht schon vorher aufgefallen sein? Zumindest in Deutschland darf die Wallbox nur durch einen Elektriker angeschlossen und in den Betrieb genommen werden. Dieser ist auch dazu verpflichtet den integrierten FI nach Installation zu testen. Es müsste also allen Elektrikern auffallen, dass hier etwas nicht stimmt.
Christian
13.02.2023 um 18:58
Völlig richtig. Jede wallbox muss vom Fachbetrieb Elektromobilotät installiert werden. Dazu sind die Vorschriften des VDE zu beachten. Wird ein Messürotokoll danach erstellt, ist sowohl die Funktionsweise sowie die normgerechte Auslösung aller Schutzmechanismen zweifellos getestet und in Ordnung. Für unsachgemäße Installation kann das Produkt wohl nichts. Zumindest wenn es nach dem Artikel geht.
Markus
14.02.2023 um 10:37
The issue here is that the Swedish Elsakerhetsverket are commenting that the built in ground fault circuit breaker is not functioning according to EU standards, so the installer might test it on installation, but the circuit breaker is not (allegedly) approved.
geeky
13.02.2023 um 17:43
Der Elektriker hatte bei mir auf jedenfall die Easee Home mit irgendeinem Gerät geprüft und AC+DC RCD-Tests waren auch Punkte auf seinem Prüfprotokoll...
bjay
13.02.2023 um 11:17
Ich habe auch diese Wahlbox und bin natürlich sehr daran interessiert, ob da was dran ist. Für mich ist es jedoch auch schwer vorstellbar, dass die Box so unsicher sein soll und es nie auffiel.
Dieter
13.02.2023 um 12:58
Bei uns hat der Elektriker die drei in Reihe angeschlossenen Easee Home mit einem FI-Schalter in der Zuleitung abgesichert. Die Anlage ist diesbezüglich also auf der sicheren Seite.
Maddin
16.03.2023 um 10:46
Völlig überflüssig. Die Easee hat einen funktionierenden Typ B RCD verbaut. Ein Typ A im Hausanschlusskasten funktioniert evtl nicht korrekt (DC - Fehlerfall) und ist daher nicht zulässig. Der Mangel liegt in der Auslegung der Norm. Es fehlt ein Prüftaster (die Box prüft aber längstens alle 24 automatisch und signalisiert einen Fehler auch). Daher ein totaler Unsinn die Box zu verbieten. Beim ADAC haben alle Sicherheitseinrichtungen der Easee gemäß der Norm funktioniert. Ob irgendwelche Produktharmonisierungen nicht vollständig sind, oder jemand Probleme mit einem elektronischen RCD hat (in Schweden scheinbar ja) ist mir egal.
Heiko
14.02.2023 um 12:48
Aber nur wenn es ein A-EV oder B ist. Ein Typ A , sollte der in der Box nicht anerkannt werden,wäre dann genauso falsch.
Martin
13.02.2023 um 14:15
Die Easee Home wurde ja auch von Stiftung Warentest mit Gut getestet... In diesem Test hätte doch der fehlende Typ B Schutzschalter auch auffallen müssen.Im Hausanschluss selbst wird vom Elektriker vermutlich nur ein Typ A Schutzschalter verwendet. Der Typ B sollte ja im Gerät sein und ob diesen der installierende Elektriker wirklich prüft bzw prüfen kann wage ich zu bezweifeln.
Sam
15.02.2023 um 13:55
Da Frage ich mich, warum das erst jetzt aufgefallen sein soll. Des weiteren gibt es noch weitere Hersteller, die in Schweden verkaufen, die sich nach diesem Prinzip gegen Fehlerstrom absichern, z.B. ZapTec. Haben die ein Statement abgegeben? Sicherlich würden Sie sich die Hände reiben, wenn sie den Schwedischem Markt von easee so einfach übernehmen könnten.
Walter
15.02.2023 um 18:57
Sofern die Wallbox fehlerhaft ist, stellt sich die Frage, ob die Händler / Kunden eine Rücknahme bzw. Nachbeserung von Easee bekommeen.
mike
27.02.2023 um 14:22
Was wiedermal beweist, dass vom Elektriker mehr Nowhow verlangt wird als unsere Prüfinstitute im Stande sind zu erfüllen. Stimmt mich nachdenklich.
Maddin
16.03.2023 um 11:02
Es geht um die "nicht Erfüllung" einer Norm. Das heißt noch nicht, dass die Schutzeinrichtung nicht funktioniert. Da reicht auch das "Know-How" eines Installateurs völlig um dies festzustellen. Die Normverletzung in diesem Fall ist ein fehlender Prüftaster, ja....genau der den niemals jemand drückt. Die Easee prüft alle 24 automatisch, oder bei Ladevorgang. 100 Mal sicherer also, verstößt aber gegen die Norm. Jetzt kann jeder selber entscheiden, ob es sich dabei um ein Risiko, oder um Amtsschimmelreiterei handelt.... Zusätzlich fehlen Deklarationen, das Herstellungsdatum ist nicht ersichtlich.... blablabla eben.
Axel Zerff
01.03.2023 um 09:52
„Nowhow“ ist in der Tat eine Rarität;)
Heiko der Liebe ;)
28.02.2023 um 21:13
Sind wir mal ehrlich, eigentlich sollte der Elektriker schon darauf vertrauen, dass der Hersteller eine ordnungsgemäe CE Erklärung abgibt. Wir reden ja nicht von einem Chinaböller , der bei Aliexpress gekauft wurde. Das Ding wurde auch über den Elektrogroßhandel vertrieben .
Marco
04.03.2023 um 10:48
Wann erscheint der Schlussbericht der schwedischen Prüfstelle?
Maddin
16.03.2023 um 10:53
Die Box darf in Schweden nicht mehr vertrieben werden. Easee geht in Berufung. Die Norm ist hier das Problem, nicht die Sicherheit! GANZ, GANZ WICHTIG! Letztlich fehlt der Box ein RCD Prüftaster, dieser wird jetzt per Software nachgerüstet (nur für den Installateur). Die anderen Punkte beziehen sich darauf, dass z.B. das Herstellungsjahr nicht direkt auf der Box zu finden ist. Das ist echt Haarspalterei, einfach nicht drüber nachdenken. Die Box selber ist super für diesen Preis, der DEFINITIV verbaute RCD B funktionierte in Tests einwandfrei, die Box ist also sicher.

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