CEO Dirk Graszt scheidet bei Clean Logistics aus
Der in finanzielle Schieflage geratene Lkw- und Bus-Umrüster Clean Logistics hat bekannt gegeben, dass Dirk Graszt als CEO und Verwaltungsratsmitglied des Unternehmens ausscheidet. Graszt werde die Gesellschaft aber weiterhin beratend für den Übergang unterstützen, heißt es.
In einer kurzen Mitteilung schreibt der Verwaltungsrat, dass man sich gemeinsam auf diesen Schritt geeinigt habe und dass der Verwaltungsrat „Herrn Graszt für seine Arbeit in den letzten Jahren dankt“. Zur Nachfolge wird in der Pressenotiz keine Angabe gemacht.
Wir erinnern uns: Zwei Tage vor Weihnachten gab der Lkw- und Bus-Umrüster überraschend eine Kapitalerhöhung bekannt. Hintergrund waren finanzielle Schwierigkeiten der börsennotierten Aktiengesellschaft, die diese im Rahmen ihrer Informationspflichten publik machte. Clean Logistics teilte wörtlich mit, dass man sich derzeit in einer schwierigen finanziellen Situation befinde, was „kurzfristigen Handlungsbedarf zur Sicherung der Überlebensfähigkeit der Gesellschaft erfordert“. Die aus diesem Grund angesetzte Kapitalerhöhung sollte zusammen mit anderen geplanten Elementen Teil eines kurzfristigen Gesamtkonzepts sein, um die Gesellschaft „zu stabilisieren“.
Anfang Dezember hatte bereits der erst im September 2022 eingestellte Finanzchef Jürgen Akkermann seinen Hut genommen. Er habe sein Amt als Mitglied des Verwaltungsrats sowie als geschäftsführender Direktor der Gesellschaft aus persönlichen familiären Gründen niedergelegt, hieß es dazu. Interimistisch übernahm Dirk Graszt das Finanz-Ressort zusätzlich.
Zur Kurskorrektur hatte das Hamburger Unternehmen bereits im Dezember besagte Kapitalerhöhung gegen Bareinlage mit Bezugsrecht der Aktionäre beschlossen. In diesem Zuge gibt Clean Logistics bis zu 2.700.000 neue Aktien aus. Der Bezugspreis beträgt 1,80 Euro je Aktie. Clean Logistics erhofft sich also Einnahmen im Umfang von bis zu 4,86 Millionen Euro. Große Aktionäre der Gesellschaft hätten ihre Bereitschaft erklärt, sich an der Kapitalerhöhung zu beteiligen, meldete der Umrüster. Zudem sollen Gläubiger der Gesellschaft signalisiert haben, dass sie über einen Debt Equity Swap, also die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital, nachdenken.
Außerdem will die Gesellschaft die angestrebte Serienfertigung von emissionsfreien Lkw entgegen der ursprünglichen Planung über einen strategischen Partner durch den vermehrten Einsatz von Lohnfertigung umzusetzen. Erste Gespräche hierzu sollen sich in einem frühen Stadium befinden, teilte Clean Logistics kurz vor Weihnachten mit. Die bereits bestehenden und zukünftigen Kundenaufträge in 2023 sollen wie geplant am Standort Winsen durchgeführt werden. Im Zuge der Strategieanpassung wurde parallel die Tochtergesellschaft GINAF Trucks Nederland B.V. veräußert. Mit dieser Maßnahme sollen Darlehensverpflichtungen reduziert und Mittelzuflüsse realisiert werden, insgesamt in einem mittleren einstelligen Millionenbereich, hieß es seinerzeit.
Vor diesem großen Dämpfer war Clean Logistics bekanntlich über den Börsenmantel der SendR SE per Abkürzung an die Börse gekommen. Als börsennotierte Aktiengesellschaft hat Clean Logistics strikt festgelegte Informationspflichten. Die im Dezember publizierte News fiel unter die Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Artikel 17 MAR. Sie erreichte uns in einem für Clean Logistics sehr ereignisreichen Jahr 2022: Im Juni hatte das Unternehmen seinen ersten Wasserstoff-betriebenen Truck Fyuriant vorgestellt, zuvor – im Sommer 2021 – kam bereits der umgerüstete Bus Pyuron mit Brennstoffzellen-Wasserstoff-Antrieb heraus. Mit GP Joule unterzeichnete die Firma dann im August einen Rahmenvertrag für die Lieferung von 5.000 wasserstoffelektrischen 40-Tonner-Lkw. Die Übergabe der Fahrzeuge ist für den Zeitraum von 2023 bis 2027 vorgesehen. Einen Liefervertrag gibt es auch mit Hylane, einer Tochtergesellschaft des Versicherers DEVK, außerdem öffentlich geförderte Projekte namens CryoTruck und BETH2REX, an denen Clean Logistics beteiligt ist. In letzterem – einem Projekt zur Entwicklung eines mittelschweren BZ-Lkw – spielt das Unternehmen eine zentrale Rolle.
Clean Logistics strebte eigentlich an, über sein bestehendes Geschäftsmodell – nämlich der Umrüstung von Bestandsfahrzeugen auf Wasserstoffantrieb – hinaus künftig auch Neufahrzeuge zu bauen. Dabei sollten neben Brennstoffzellen-, Batterie- und Wasserstofftanksystemen auch eine eigens entwickelte Achse mit Radnabenmotoren sowie das in-house entwickelte Steuerungssystem HyBoss zum Einsatz kommen.
Der Aufbau dieses Geschäfts ist natürlich kapitalintensiv, zumal sich Clean Logistics viel Know-how durch den Aufkauf anderer Firmen angeeignet hat. So übernahm das 2018 gegründete Unternehmen etwa erst im Juli 2022 besagten niederländischen Lkw-Hersteller GINAF Nederland, der nun schon wieder veräußert wurde. Mit GINAF verfügte die Clean-Logistics-Gruppe über einen eigenständigen Fahrzeugproduzenten mit entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen für eigene Fahrzeuge in Europa. Das ist nun vorbei, wodurch sich der Schwenk in Richtung Auftragsfertiger erklärt.
pressebox.de
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