IEC-Experte widerspricht Easee-Darstellung

Bild: Easee

Die Diskussion um die Sicherheit und den Aufbau der Wallboxen des norwegischen Herstellers Easee geht in die nächste Runde: Nachdem das Unternehmen seine Sicht auf die zugrundeliegenden Normen und deren Anwendungen dargestellt hatte, meldet sich nun ein Vertreter des Internationalen Normierungskomitees IEC 61851 zu Wort – und wird zum Teil deutlich.

Kurzer Rückblick: Die Elsälerhetverket, eine schwedische Behörde für elektrische Sicherheit, hatte sechs unterschiedliche Wallboxen getestet – und dabei bei der Easee Home einige Mängel entdeckt. Unter anderem wurde ein Überspannungstest nicht bestanden und laut den Untersuchungen der Behörde war entgegen der Angaben in der Betriebsanleitung kein FI-Schutzschalter verbaut. Einige Tage später hat Easee der Behörde seine Stellungnahme übermittelt und auch im Gespräch mit electrive.net seine Begründungen erläutert, „wie die Anforderungen in unseren Produkten erfüllt werden“.

In Kurzform: Den nicht bestandenen Überspannungstest mit dem CP-Pin hält das Unternehmen in seiner Auslegung der IEC-Norm nicht anwendbar, da der CP-Stift so verbaut sei, dass er nicht berührt werden könne. Und bei dem FI-Schutzschalter setzt Easee nicht auf ein separates Gerät, das auf einer DIN-Schiene montiert wird, sondern ein System, das in die „Gesamtkonstruktion des Ladegeräts integriert“ sei. Erkennt der verbaute Sensor Wechsel- und Gleichstromfehler, löst das System aus und soll sofort die Stromzufuhr unterbrechen, womit in der Easee-Interpretation die Funktion eines FI-Schutzschalters gewährleistet sei. Den ausführlichen Artikel mit der Easee-Darstellung finden Sie hier.

Die Elsälerhetverket hat sich seitdem nicht mehr im Detail geäußert. Auf der Website der Behörde heißt es nur, dass die Stellungnahme eingegangen sei und man in einigen Wochen seinen finalen Bericht zu den sechs getesteten Wallboxen veröffentlichen werde.

Statt der Behörde hat sich nun ein Vertreter des Internationalen Normierungskomitees IEC 61851 geäußert. Christoph Erni ist nicht nur Mitglied in jenem Komitee, das die internationale Norm für konduktive Ladesysteme für E-Fahrzeuge entwickelt, sondern auch CEO des Schweizer Ladeinfrastrukturherstellers Juice Technology. Dass Industrievertreter an den Normen mitarbeiten, ist eine gängige Praxis. Dennoch sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Erni nicht nur ein Vertreter des Normierungskomitees ist, sondern auch Chef eines Easee-Konkurrenten.

Erni führt in seiner Stellungnahme vor allem zwei wichtige Fehler in der Easee-Darstellung an, einmal zum Überspannungstest, einmal zum FI-Schutzschalter. „Die Norm 61851-1 schreibt für den CP-Schaltkreis extra low voltage (SELV oder PELV) vor. Dazu muss eine definierte Isolationsspannungsprüfung erfüllt werden“, sagt Erni. „Der Hinweis, dass der CP Pin nicht berührt werden kann, hebt diese Anforderung unter keinen Umständen auf.“

Bei dem FI-Schutzschalter widerspricht der Schweizer dem Easee-System mit der integrierten Schaltung anstelle eines separaten FI-Schutzschalters nicht grundsätzlich, weist aber auf ein technisches Detail hin. Als fest mit dem Stromnetz verbundene Mode-3-Ladestation falle die Easee Home in die Überspannungskategorie 3. „Diese verlangt einen Kontaktabstand bei den Schaltrelais von mindestens 3 mm“, sagt Erni. „Die verwendeten Relais weisen aber einen Kontaktabstand von lediglich 2,3 mm auf. Sie mögen kleiner und günstiger sein als korrekte Bauteile, aber sie genügen den Vorschriften damit eindeutig nicht.“

Geräte nach EN 61008-1 und IEC 62955 müssen auch Kurzschlussströme sicher trennen. „Die verbauten Relais können genau dies nicht zuverlässig. Falls die Kontakte verschweißen, erfolgt keine Trennung und der RCD kann nicht mehr funktionieren. Es besteht Lebensgefahr“, so der Manager.

Seine deutliche Schlussfolgerung: „Die Stellungnahme offenbart einen ungenügenden technischen Sachverstand und eine Geringschätzung der Kundensicherheit des Herstellers, in dem er zwingende Normentests nach seinem Gutdünken abändert oder einfach weglässt.“ Da Easee trotz der „bewussten und absichtlichen“ Nicht-Einhaltung von sicherheitsrelevanten Normentests seine Stationen mit einem CE-Zeichen ausstatte, sei „somit missbräuchlich und irreführend, rechtlich genau genommen urkundenfälschend“, so Erni.
Quelle: Info per E-Mail

13 Kommentare

zu „IEC-Experte widerspricht Easee-Darstellung“
MacGyver
22.02.2023 um 13:06
Warum bitte gelten an ein stationäres Ladegerät höhere Anforderungen als an ein mobiles? Umgekehrt würde es viel mehr Sinn ergeben. Mobil sind die Bedingungen viel rauer und unkalkulierbarer (Erschütterung, Wasser, Überfahren, u.v.m.). Vielleicht kann ja das mal jemand erklären.
Christian Meier
23.02.2023 um 10:30
Weil die Normen es grundsätzlich so verlangen. Stationär angeschlossene Ladegerät müssen Überspannungskategorie 3 (CATIII) entsprechen, weil hier einfach nicht klar ist wie die "Hausinstallation" hinten dran aussieht. Ein "mobiles" Ladegerät, welches in eine Steckdose eingesteckt wird, hängt eben an einer Steckdose, ist damit erstens in der Leistung begrenzt und zweitens, eine korrekt installierte Hausinstallation vorausgesetzt, über eben diese abgesichert.Ich sehe leider immer wieder wie Hersteller die Normen sehr grosszügig auslegen um sich einen, meiner Meinung nach unfairen, Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Ich bin kein Fan davon wenn ein direkter Wettbewerber das hier so offen anprangert, sollten die Angaben aber stimmen, dann gibt es daran nichts zu rütteln dass das Ladegerät nicht der Norm entspricht.
Manuel
22.02.2023 um 13:20
Für den mobilen Einsatz an einer cee Dose ist ein Typ b Fi in der Verteilung Pflicht. Deshalb können dort günstigere Relais verbaut werden. Der Ladeziegel muss dort allstromsensitiv abschalten damit der Fi nicht triggert. da nicht ausgeschlossen ist, dass noch andere Verbraucher an der gleichen Absicherung hängen. Bei Mode 3 (wallbox Festinstallation) schon, dort darf nur eine wallbox und sonst nichts an einem Installations Strang hinter dem Fi hängen.
Heko
23.02.2023 um 22:29
Wo kommt denn diese Info her. In DE ist kein Typ B an einer CEE gefordert, sondern nur Typ A. In Bestandsanlagen von vor 30 Jahren sogar gar kein FI vorhanden. Dort kann man überall seine mobile Wallbox anstecken, ohne das dann der erforderliche Schutz vorhanden ist. Aber nun weiß ich wenigstens wie Juice hier damals seine Booster schön durch die Normung gebracht hat.
Manuel
24.02.2023 um 13:36
Stimmt, ich meinte Typ A. B ist in bauverteilern seit neuestem Pflicht. Letztendlich treffen meine Aussagen aber auch auf den Typ a zu.
Peter
22.02.2023 um 15:01
Das ist nicht ganz korrekt, z.B. beim Audi Ladeziegel ist der Fi B bereits integriert und da muss das nicht in der Installation davor verbaut werden.
Manuel
22.02.2023 um 19:33
Nein, das ist falsch. Ein Fi ist eine Schutzeinrichtung. In ladeziegeln sind allstorm sensitive Differenzstromsensoren, die eher auslösen müssen, als der Fi Schutzschalter, damit der Vorsitzende nicht auslöst und alles stormlos ist.
Kurt
22.02.2023 um 15:03
Wieso schreibt ihr in der Headline vom Komitee, wenn sich ein einzelnes Mitglied & direkter Konkurrent so äussert? Sehr unglücklich formuliert…
Matthias
22.02.2023 um 16:29
Sehr guter Einwand, welcher mir ebenfalls aufgefallen ist. Die Aussage einer Einzelperson ist etwas deutlich anderes als das offizielle Statement / Pressemitteilung eines Komitees, welches geschlossen hinter einem Sachverhalt steht...
Philip
24.02.2023 um 05:26
Acording to IEC61851. 8.1 Degree of protection against access to hazardous-live-parts. "minimum operning of the contact equal to clearance according to IEC 60662-1 considering overvoltage category 3 (e.g. the value given in IEC60664-1 for 230/400V is 4KV rated impulse voltage withstand that implies at least 3mm separation of contacts).Which means: Easee design contact gap 2.3mm can be verified by impulse testing.
Peter
24.02.2023 um 13:40
And it will fail. The worst part is, that welding will happen if there is any short circuit.
Phillip
01.03.2023 um 04:21
Peter, these are two different concepts. Regarding to 2.3mm gap, it can be verified by impluse testing. And it will not fail.
Michael
27.02.2023 um 10:02
Zunächst muss man wissen das in den Normen eine riesige Portion Lobbyismus steckt weil bei solch einem Markt natürlich jeder gern mitverdienen möchte. Aus der Nutzer Sicht sollte immer die Sicherheit bei Isolationsfehlern gewahrt werden und das Endprodukt günstig und zuverlässig sein. Die IEC62752 für Mode 2 laden ist aus 2016 und galt einige Jahre auch für Mode 3 laden übergangsweise. Aus Sicht der Isolationsüberwachung wurde hier auf AC und DC Fehlerströme mit Abschaltung reagiert da an einer Steckdose der vorgeschaltete FI verschiedene Steckdosen schützt sollte dieser eingebaute Schutz auch selektiv arbeiten. Bei der IEC62955 (Mode 3 laden), die 2018 verabschiedet wurde und seit Ende 2021 erfüllt werden muss muss minimal nur noch ein DC Fehlerstrom in der Box zur Abschaltung führen und der AC Teil wird von dem übergeordneten FI Typ A in der Verteilung übernommen. Falls das so ist muss das in der Installationsanleitung auch ausgeführt werden. Das sicherste ist aber immer noch ein Allstromsensitiver Sensor in der Ladeeinrichtung zu haben mit einem sicher abschaltenden Relais gekoppelt. Damit kann der Installateur eigentlich alles falsch machen oder ignorieren und trotzdem ist eine Sicherheit gegen AC und DC Isolationsfehler während des Ladens immer gegeben

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