Perlen vor die Säue: E-Fuels im Auto sind E-Fails
Fossile First, Verantwortung Second: So fasst Julian Zuber, CEO von GermanZero, die aktuelle deutsche Verkehrspolitik unter Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zusammen. Der Gastkommentar erscheint zum globalen Klimastreik von Fridays for Future am 03. März und macht deutlich: So wird’s in Deutschland nichts mit einer klimaneutralen Wirtschaft.
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Fossile First: Ein hoher Preis
Niemals wird es die folgende Nachricht geben: „Die Bundesregierung beschließt ein weiteres Entlastungspaket in Höhe von 200 Milliarden Euro, um die durch die Decke gehenden Energiekosten von Solar- und Windenergie für die Bürger auszugleichen.“ Dabei wurde gerade in den vergangenen Monaten erneut klar, welche milliardenschweren Kosten es mit sich bringt, wenn wir als Gesellschaft am Tropf von fossilen Energieträgern hängen. Schlecht umgesetzte fossile Subventionen nach dem Gießkannenprinzip, wie der preisunwirksame Tankrabatt oder 200 Milliarden Gassubventionen, die letztendlich dabei helfen, Bomben auf Kiew zu finanzieren, zeigen vor allem zwei Dinge: Sozialen Ausgleich und Härtefallregelungen braucht es bei fossilen, nicht bei erneuerbaren Energien. Denn fossil ist richtig teuer!
Verantwortung Second: Ein früherer Neuzulassungsstopp für Verbrenner wäre geboten
Bei der Beschleunigung von Treibhausgasreduktionen geht es aus ökonomischer Sicht um den Schutz des derzeit noch wichtigsten und schlecht regulierten Gemeinguts: unserer Atmosphäre. Wenn Deutschland das Pariser Klimaabkommen noch einhalten möchte, müsste es eigentlich bis spätestens 2035 klimaneutral werden. Die Einhaltung des Klimaabkommens ist unser ureigenstes Kerninteresse, denn es orientiert sich an dem, was wir als Zivilisation aushalten können, um ungefähr wie bisher weiter bestehen zu können.
Insbesondere die CO₂-Bilanz des deutschen Verkehrssektors ist vernichtend. Zuletzt hat auch der Expertenrat für Klimafragen Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP ein miserables Zeugnis ausgestellt. Der Verkehrssektor ist laut neuesten Zahlen mit einem Anteil von rund 20 Prozent der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasemissionen in Deutschland – nach der Energiewirtschaft und der Industrie. Der Pkw-Verkehr ist dabei für rund 60 Prozent der THG-Emissionen im deutschen Verkehr verantwortlich. Die Emissionen aus dem Verkehrsbereich waren 2019 mit 164 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalenten (CO2e) exakt auf dem gleichen Niveau wie 1990. Mit anderen Worten: Es ist nichts passiert. Erst 2020 sanken sie auf 146 Millionen Tonnen CO2e – dies ist allerdings maßgeblich auf die Corona-Pandemie zurückzuführen und kann daher nicht als langfristiger Trend gewertet werden.
Nähme die Regierung ihre eigenen internationalen Klimaziele ernst, müsste sie ein Neuzulassungsverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor bereits im Jahr 2025 verhängen – und nicht erst 2035, wie es die EU plant. Doch statt einzulenken, hat sich die FDP in der Bundesregierung offenbar vorgenommen, den eigenen Ausfall im Verkehrssektor noch zu unterbieten und ein medienwirksames Fass aufzumachen, das niemand braucht. Abermals pocht die FDP darauf, eine Öffnungsklausel für E-Fuels in den EU-Beschluss aufzunehmen.
E-Fuels in Pkws sind Perlen vor die Säue
Da auch Strom aus erneuerbaren Energien, zumindest in den kommenden Jahrzehnten, nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen wird, besteht neben dem Ziel der Klimaneutralität auch die energiepolitische Notwendigkeit, dafür zu sorgen, dass der Strombedarf nicht zu stark ansteigt. Die Kombination der beiden Ziele kann daher am sichersten durch ein Verbot der Verbrennungsmotor-Technologie erreicht werden, denn ein batterieelektrischer Pkw (BEV) hat im Vergleich zu anderen Antriebstechnologien einen sehr viel höheren energetischen Gesamtwirkungsgrad: Er fährt mit der gleichen Strommenge mehr als sechsmal so weit wie ein Fahrzeug mit strombasierten Kraftstoffen und doppelt so weit wie ein Auto mit einer Brennstoffzelle. Hinzu kommt, dass vor allem der Bedarf an E-Fuels in nur sehr schwer elektrifizierbaren Sektoren wie dem Schiffs- und Flugverkehr gedeckt werden muss. Auch aus diesem Grund ist der Ansatz, „klimafreundliche“ E-Fuels zu fördern und parallel beim Fade-out des Verbrenners erneut Tempo rauszunehmen, politischer Unsinn.
Die Wirtschaft ist längst weiter
Für sich spricht schon, dass selbst Vertreter:innen der Auto-Industrie öffentlich zugeben, dass E-Fuels viel zu teuer seien, als dass man sie ohne Subventionen konkurrenzfähig betreiben könne. Die Automobilindustrie bewegt sich längst weg vom Verbrenner – allein aus wirtschaftlichem Eigeninteresse. Die Elektrifizierung als Königsweg für das Automobil ist längst ausgerufen und wird in Nord-Amerika inzwischen ebenso ambitioniert verfolgt wie zuvor schon in Asien. Der jetzige politische Rückschritt zeigt auf, dass sich die FDP dazu entschlossen hat, sich wirtschaftspolitisch zu vereinzeln. Und eben nicht die notwendige Planbarkeit für Investitionen zu liefern, die es braucht, um Deutschland als Wirtschaftsstandort für eine klimaneutrale Wirtschaft fit zu machen.
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Zum Autor: Dr. Julian Zuber ist Geschäftsführer der 2019 gegründeten Klimaschutzorganisation GermanZero e.V. und hat diese mit aufgebaut. GermanZero hat gemeinsam mit mehreren hundert Wissenschaftler:innen und Expert:innen ein 1,5-Grad-Gesetzespaket entwickelt. Es enthält mehr als 200 konkrete Maßnahmen, mit denen Deutschland bis 2035 klimaneutral werden kann. Damit diese Gesetzesmaßnahmen vom Bundestag umgesetzt werden, mobilisiert GermanZero Bürger:innen in ganz Deutschland für Politikgespräche und organisiert das kommunal aktive Netzwerk LocalZero, dessen Teams Stadt für Stadt klimaneutral machen.
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