Bild: GWM
FahrberichtAutomobil

Ora Funky Cat im ersten Test: Wo die E-Katze räubern will

Mit dem Funky Cat bringt die Great-Wall-Marke Ora einen elektrischen Premium-Kompaktwagen auf den Markt – und zielt mit dem moderneren Käfer-Look auf Retro-Modelle wie den Mini oder den Fiat 500. Kann der Stromer aus dem Fernen Osten die Herzen dieser Kunden gewinnen? Wir konnten uns kürzlich einen Eindruck verschaffen und zeigen auf, wo es noch hakt.

Mit Ora, was für Open (offen für Neues), Reliable (zuverlässig) und Alternative (anders) steht, kommt nun die nächste chinesische Marke auf den europäischen bzw. deutschen Markt. Das erste Modell der Marke hört auf den Namen Funky Cat, was so viel wie außergewöhnlicher Begleiter bedeuten soll. So außergewöhnlich die Namensgebung für europäische Verhältnisse sein mag, so besonders ist auch das Design.

Great Wall selbst bewirbt den Elektro-Kompaktwagen im ID.3-Format als urbanes Lifestyle-Fahrzeug im „futuristischen Retro-Design“. Was die Bilder seit der Premiere bereits vermuten ließen, bewahrheitete sich dann auch in der Realität: Mit seinen runden Proportionen und Scheinwerfern mutet das Modell als nicht allzu entfernter Verwandter des VW Käfer bzw. Beetle an. Und auch von Mini hat man sich offensichtlich inspirieren lassen. Obwohl der Funky Cat auf Außenmaße von rund 4,24 Meter Länge, 1,83 Meter Breite und 1,60 Meter Höhe kommt, wirkt das E-Auto wie auch bereits digital in echt sehr kompakt – der Form sei Dank.

Es hat übrigens nicht lange gedauert, bis ich das erste Vorurteil von meiner Liste streichen konnte. Denn ich hatte schnell Gefallen an der Optik gefunden. Besonders an der Zweifarben-Lackierung Galaxy Beige/Brown Solid. Und wer kann bei dieser drolligen Front, die von den großen Scheinwerfern noch einmal hervorgehoben wird, schon Nein sagen? Na gut, Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Einzig an das typisch asiatisch verspielte Markenlogo werde ich mich auch weiterhin nicht gewöhnen können.

Schon beim Rundgang um das Auto wird deutlich, dass sich die Verarbeitungsqualität sehen lassen kann. Ich öffne die Fahrertür, nehme Platz und bin erstaunt über den sehr bequemen Sitz, den ich auf meine Größe (1,90 Meter) eingestellt habe. Für einen Kompakten herrscht hier ein sehr gutes Platzangebot. Kurzerhand nehme ich auch auf der Rücksitzbank Platz und stelle fest, dass ich ausreichend Beinfreiheit habe und bequem sitzen kann. Toll, denn somit können vier Erwachsene im Ora Funky Cat entspannt reisen.

Ob vorn oder hinten, die verwendeten Materialien fühlen sich überall sehr gut an. Egal, ob es die gesteppten Türtafeln, das Armaturenbrett oder die Kippschalter zur Klimasteuerung in der Mittelkonsole sind, die wir so ähnlich aus einem Mini kennen. Man kann hier durchaus von Premium-Qualität sprechen.

Fahrspaß dank „Gokart-Feeling“

Mittlerweile habe ich mich wieder hinter das Lenkrad gesetzt, denn ohne Fahrer bewegt sich das Gefährt leider noch nicht. Einen Startknopf sucht man – aus meiner Sicht zum Glück – vergebens. Der Schlüssel in der Tasche genügt. Unter der Haube steckt ein permanenterregter Synchronmotor mit einer Leistung von 126 kW, der die Vorderräder antreibt. Die Höchstgeschwindigkeit gibt Ora mit 160 km/h an. Zum Vergleich: Der Mini Cooper SE bringt es auf eine Leistung von 135 kW und eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h.

Außerhalb von Cascais im Westen von Lissabon konnte ich mir ein erstes Bild von der Leistung der E-Maschine machen. Der Funky Cat fährt sich leichtfüßig. Auch wenn seine Beschleunigung von null auf 100 km/h in knapp über acht Sekunden es nicht vermuten lässt, so sorgt die leichtgängige Lenkung und das straffe Fahrwerk für genügend Fahrspaß – ein echter Kurvenräuber. Ora hat es geschafft, das typische „Gokart-Feeling“ aus dem Mini Cooper SE in das Kompaktmodell zu adaptieren.

Wie lang der Fahrspaß anhält, hängt von vielen Faktoren ab, einer davon sitzt bekanntlich hinter dem Steuer. Bei frühlingshaften Temperaturen lagen meine Verbrauchswerte zwischen 14,9 kWh/100 km (Stadtfahrten mit geringem Landstraßenanteil) und 18,5 kWh/100 km (überwiegend Landstraße mit kleinem Anteil Autobahn). Aussagekräftigere Werte liefern wir Ihnen nach einem ausführlichen Test nach. Ein erstes Indiz geben die Werte der ersten Ausfahrt aber bereits.

Bei der Werksangabe gestaltet es sich wie folgt: nach WLTP sollen mit dem kleinen Akku, der auf einen nutzbaren Energiegehalt von 45,4 kWh kommt, bis zu 310 Kilometer möglich sein. Für den großen Akku mit 59,3 kWh (netto, in unserem Testwagen verbaut) gibt Ora eine Reichweite von bis zu 420 Kilometer an.

Geduld am High Power Charger gefragt

Während die Verbrauchswerte und möglichen Reichweiten für diese Fahrzeugklasse eher Standard sind, ist dies beim Thema Laden nicht der Fall. Hier ist auf längeren Strecken Geduld am High Power Charger gefragt. Als maximale DC-Ladeleistung gibt Ora 67 kW an, wodurch ein Ladevorgang von 15 auf 80 Prozent ganze 48 Minuten benötigt (43 Minuten beim kleinen Akku). Das ist für meine Begriffe zu lang. Zehn Minuten weniger müssten es da schon sein. Aber wer weiß, vielleicht verbessert sich dies mit einem nächsten Update? AC-seitig kann dreiphasig mit elf kW geladen werden – Branchenstandard. Dann benötigt ein Ladevorgang von null auf 100 Prozent 6,5 Stunden.

Apropos Update, wenn wir schon beim Thema sind. Im Navigationssystem werden Ladesäulen angezeigt, hierbei greift Ora auf die Daten von Here zurück. Eine Routenplanung mit Ladestopps gibt es derzeit aber noch nicht. Mit einem der nächsten Over-the-Air-Updates soll diese Funktion Einzug halten. Wir werden es für Sie testen.

Gleiches gilt übrigens auch für Apple CarPlay und Android Auto. Bei der ersten Ausfahrt war die Integration noch nicht vorhanden. Ora teilte jedoch mit, dass noch in diesem Monat diese Funktion bereitstehen soll. Ohnehin ist die Update-Politik bei Ora, was auch bei MG Motor oder Nio bisher beobachtet werden konnte, eine durchaus positivere als bei so manch anderem etablierten Autobauer. Verbesserungen bestehender als auch neuer Funktionen werden bereits mit kleinen Updates zeitnah aufgespielt.

Vielzahl an Assistenzsystemen serienmäßig

Und so hoffe ich auch auf eine Feinjustierung einzelner Fahrassistenten. Hier gibt es Nachholbedarf. Beispielsweise arbeitete der serienmäßig verbaute Tempomat, der u.a. in Kurven auf eine passende Geschwindigkeit abbremsen soll, zu ruppig. Die Funktion einzelner Assistenten erschloss sich einem auch nicht immer sofort. Hier wäre mehr Hilfestellung durch das System gefragt oder aber eine bessere Übersetzung, an der es vereinzelt auch noch hakt. Es ist aber davon auszugehen, dass daran zügig gearbeitet wird – den Over-the-Air-Updates sei Dank.

Serienmäßig sind darüber hinaus viele andere Assistenten wie Abstandsradar, Totwinkelwarner oder auch eine 360-Grad-Kamera, die bei der Ausfahrt durchweg sehr gute Dienste leisteten. Gleiches gilt auch für den Spurhalteassistent, der hervorragend funktionierte. Die Sprachassistenz, der man einen eigenen Namen geben kann und darauf auch hört, arbeitete zwar nicht perfekt. Doch diese soll sich an die eigene Aussprache in kurzer Zeit gewöhnen können und so weniger häufig ungefragt reagieren. Einen solchen Serienumfang sucht man in dieser Fahrzeug- und Preisklasse bei anderen Herstellern vergebens.

Abstriche müssen hingegen beim Kofferraumvolumen gemacht werden. So komfortabel und großräumig – für einen Kompaktwagen – der Innenraum auch sein mag, so wenig Platz bietet der Kofferraum. Hier stehen gerade einmal 228 Liter zur Verfügung. Bei umgeklappten Rücksitzen sind es 858 Liter, jedoch nicht als ebene Fläche. Viel mehr sind es beim Mini Cooper SE allerdings auch nicht. Eher im Gegenteil, denn das BMW-Modell kommt nur auf 211 Liter bzw. 731 Liter bei umgeklappten Sitzen. Aber: Ein ID.3, dessen Format der Funky Cat hat, bietet 385 bzw. 1.267 Liter.

Fazit

Es wird also deutlich, dass der Ora Funky Cat mehr Fahrspaß als Praktikabilität vermittelt. Dazu passt die avisierte „Mode- und Lifestyle-orientierte Zielgruppe“. Die BMW-Marke Mini und der Fiat 500 sprechen eine ähnliche, wenn nicht sogar die gleiche Zielgruppe an. Doch den Kultstatus hat die neue Marke aus dem Fernen Osten noch nicht erlangt und wird es vermutlich auch nicht. Aber: Dank der Optik könnte das Modell viele Herzen erobern und hat das Zeug zum Sympathieträger.

Abschreckend wirkt hingegen im ersten Moment der Preis. So ruft Ora für den kleinen Akku einen Basispreis von 38.990 Euro vor Förderung auf, beim großen Akku sind es 44.490 Euro. Dabei handelt es sich jedoch bereits – bis auf die Wärmepumpe – um die Vollausstattung. Vielfalt gibt es nur bei der Wahl der Innen- und Außenfarbe. Mit Blick auf andere Hersteller und Modelle wirkt der Preis schon wieder in Ordnung. Da wäre der derzeitige und schon in die Jahre gekommene Mini Cooper SE zum Basispreis von 37.300 Euro, der Fiat 500e mit 42-kWh-Akku für 34.990 Euro oder aber auch ein Opel Mokka-e zu einem Startpreis von 40.650 Euro. Mehr Praktikabilität bietet da sicher ein Smart #1, der bereits zu einem Preis von 41.490 Euro erhältlich ist und aufgrund seines Designs die gleiche Kundengruppe ansprechen dürfte.

3 Kommentare

zu „Ora Funky Cat im ersten Test: Wo die E-Katze räubern will“
Der Diktator
07.03.2023 um 19:54
Schön. Der Zielgruppe wird es gefallen. Mich interessiert: Wo repariert man das Gefährt wenn es denn mal kaputt ist? Wie schnell sind die Ersatzteile da? Welche Garantien gibt der Hersteller? Wie lange hälte der Akku, welche Dauererfahrung gibt es mit dem Auto?
Doris Ertop
08.03.2023 um 11:50
Das „wo“ lässt sich einfach beantworten: In den teilnehmenden Betrieben der renommierten Emil Frey Gruppe. Das wird ganz schnell eine passable Abdeckung regional bedeuten. Ihre weiteren genannten Punkte lassen sich erst mit zunehmender Erfahrung sukzessive beantworten, wie meist bei neuen Marken und Modellen.
Sig
13.03.2023 um 08:29
schön. das hätte auch der erste E-Mini von 2009 sein können..

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert